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SPD-Chef Martin Schulz.
© AFP

Debakel für SPD bei Bundestagswahl: Martin Schulz – ein Vorsitzender auf Abruf

Er hat gekämpft und verloren: Martin Schulz und die SPD müssen eine bittere Niederlage einstecken und stehen vor einem Umbruch. Ein Kommentar.

Respekt. Kein anderes Wort hat Martin Schulz öfter in den Mund genommen in einem langen Wahlkampf, der für ihn über weite Strecken eine Qual gewesen sein muss. Spätestens nach der Wahlniederlage der SPD in NRW war der Kampf ums Kanzleramt für den Europäer aus Würselen verloren, fortan ging es nur noch darum, den Total-Absturz der SPD zu verhindern. Dass Schulz dennoch bis zum letzten Wahlkampftag den Anspruch aufrecht erhalten hat, „Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“ zu werden, hat ihm einigen Spott eingetragen. Zu Unrecht. Schulz´ trotziger Kampfeswillen in aussichtsloser Lage verdient im Gegenteil eben jenen Respekt, den er selbst im Wahlkampf beständig für die Bürger gefordert hatte.

Trotzdem stellt sich für die Sozialdemokratie nach dieser historischen Niederlage die Frage, ob und unter welchen Bedingungen sie mit Martin Schulz an der Spitze weiter machen kann. Denn natürlich trägt Schulz die Hauptverantwortung für das heutige Debakel. Den Wahlkampf auf das Thema Gerechtigkeit zu verengen, war nicht sein einziger, aber sein wohl folgenschwerste Fehler. Es stimmt zwar, dass die SPD ohne ihr Markenkern-Thema keine Wahlkämpfe führen kann. Aber allein mit Gerechtigkeit kann sie eben auch keine gewinnen.

Die SPD steht vor einem harten Erneuerungsprozess

Wer das Kanzleramt erobern will, muss schon so etwas wie eine Vision von einem modernen Deutschland mitbringen, und die war bei Schulz nicht zu erkennen. Mit welcher Idee der Merkel-Herausforderer dieses Deutschland - abgesehen von der Beseitigung von Ungerechtigkeiten und Missständen - in eine bessere Zukunft hätte führen wollen, das blieb selbst führenden Genossen bis zum Wahltag verborgen.

Die SPD steht nach diesem bitteren Wahlsonntag vor einem harten und grundlegenden Erneuerungsprozess. Es geht um nicht weniger als ihre Existenz als Volkspartei. Dass diese Erneuerung als Juniorpartner in einer erneuten großen Koalition gelingen kann, glauben die meisten Genossen nicht mehr. Ihre Lehre aus der Partnerschaft mit Angela Merkel und der Union lautet: Große Koalition ist Mist!  Die Rolle von Martin Schulz in diesem Erneuerungsprozess kann der eines Vorsitzenden des Übergangs sein, der den Neuanfang einzuleiten und zu organisieren hilft, ohne dass die SPD auseinanderläuft. Mehr aber auch nicht. 

Stephan Haselberger

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