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Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (CDU)
© dpa/ Bernd Thissen

Zwei Umfragen, zwei Ergebnisse: Ist die Union nach der K-Entscheidung wirklich im freien Fall?

Die Union einigt sich auf Armin Laschet als Kanzlerkandidaten, kurz danach schrumpfen die Umfragewerte. Wie das zu bewerten ist.

Es war der Gipfel einer Reihe von Paukenschlägen, die seit Wochen schallend aus dem Konrad-Adenauer-Haus nach außen drangen. Die wohl vorerst schlechteste aller Nachrichten am Dienstag: das Ergebnis einer neuen Forsa-Umfrage.

Zuvor endete das lang und zäh umkämpfte Duell der beiden Kanzlerkandidaten der Union. Das Aufbegehren des CSU-Kanzlerkandidaten Markus Söder gegen Armin Laschet, dem Kandidaten der CDU, ließ eine gespaltene Union erkennen – Paukenschlag!

Immer wieder drangen interne Informationen nach Außen, so dass dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus ein „Kameradenschweine“ aus der Kehle fuhr – Paukenschlag! Und jetzt wendete sich auch noch die politische Stimmung im Land. Die Union scheint im freien Fall, eine Kanzlerschaft mit Armin Laschet rückt ferner und ferner, glaubt man der Forsa-Umfrage vom 20. April – ein Paukenschlag?

Die Forsa-Umfrage malte ein düsteres Bild für die Union. Laut den Daten fielen CDU und CSU nach der Ernennung von Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten um ganze sieben Prozentpunkte auf 21 Prozent. Und die Grünen zogen vorbei, stehen nun ganz vorn mit 28 Prozent.

„Einen solchen Umschwung in dieser Größenordnung halte ich nicht für realistisch“: Mit diesem Satz kommentierte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen die jüngsten Forsa-Zahlen. Und zur Wahrheit gehört auch: Es gibt noch andere Umfragen.

In der Insa-Umfrage vom selben Tag fällt die Union um nur einen Prozentpunkt auf 27 Prozent. Die Grünen klettern um einen Punkt auf 22 Prozent. Welches politische Stimmungsbild stimmt denn nun?

Sind Forsa-Umfrage und Insa-Umfrage vergleichbar?

„Die Unterschiede zwischen den beiden Umfragen können verschiedene Gründe haben“, erklärt Oskar Niedermayer, Politikwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. „Zum einen kann das der Erhebungszeitraum sein.“ Bei der Insa-Umfrage wurde die Erhebung am 20. April und bei der Forsa-Umfrage am 19. und 20. April durchgeführt.

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„Das ist entscheidend“, sagt Niedermayer. An diesen zwei Entscheidungstagen hat sich viel getan. „Am 19. war Söder noch im Rennen, seine Wähler konnten also noch hoffen.“ Sobald die Söder-Anhänger hörten, dass er von der Kandidatur zurückgetreten war, veränderte das auch das Bild der Umfragen. „Man kann also beide aufgrund des Befragungstages nicht direkt vergleichen.“

Auch die Anzahl der Befragten spiele eine Rolle in der Betrachtung. Bei Insa waren es 1000, bei Forsa 1500 Befragte. „Daraus ergeben sich unterschiedliche Fehlertoleranzen, Räume in denen das Ergebnis liegen könnten.“ Berücksichtig man diese Faktoren, seien die Unterschiede gar nicht mehr so groß, sagt der Politikwissenschaftler.

Prof. Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin
Prof. Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin
© TSP

Ein dritter Faktor ist die Methode. „Beide Institute haben Telefoninterviews für die Erhebung genutzt.“ Doch am Wichtigsten sei die Gewichtung der Rohdaten. Die bekomme man aber nicht genannt.

Das heißt: „Die Daten werden sozialstrukturell und nach anderen Faktoren gewichtet. Zum Beispiel machen manche Leute sozial erwünschte Angaben und geben nicht zu, dass sie beispielweise die AfD wählen“, so Niedermayer. Deshalb habe die AfD in den Rohdaten weniger Prozente als in den veröffentlichten Daten. Die Gewichtungsfaktoren seien die Geheimnisse der Institute.

Die sieben Prozentpunkte Verlust der Union in der Forsa-Umfrage erscheinen auch dem Professor „ein bisschen viel“. Überbewerten sollte man solche Umfragen nicht, „sie dennoch immer ernstnehmen, aber als das was sie sind: politische Stimmungsbilder der Zeit, in der sie gemacht werden“, sagt Niedermayer. Fünf Monate vor der Wahl seien sie aber nicht als Wahlprognose zu werten. „Da kann noch viel passieren, weil die Leute heute volatiler wählen.“

Geschichte zeigt, wie schnell politische Stimmung umschlägt

Wie schnell die politische Stimmung im Land umschlagen kann, zeigen historische Beispiele. Seit 2013 lag die Union stets bei ungefähr 40 Prozent. Bis 2017. Dann kam die Flüchtlingskrise. Die Entscheidung von Angela Merkel (CDU) kostete der Partei gut ein Fünftel ihres Wählerpotenzials. Eine inhaltliche Schlüsselentscheidung, die Auswirkungen auf die Umfragewerte der Union hatte.

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Eine personelle Entscheidung erzielte im selben Jahr den umgekehrten Effekt: Martin Schulz wurde Kanzlerkandidat der SPD. Deren Umfragewerte schossen in die Höhe, ehe sie bald darauf ebenso schnell wieder dramatisch abstürzten.

Auch bei der Entscheidung der K-Frage zwischen Söder und Laschet handelte es sich um eine solche personelle Schlüsselentscheidung. „Und diese Entscheidung wirkt sich vor allem auf die Umfragewerte der Union aus, weniger auf die Werte der anderen Parteien“, sagt Niedermayer.

Man wisse auch nicht, wie sich die Klimakrise wieder in die öffentliche Meinung drängt. Ein Faktor, der die Grünen erneut beflügeln könnte. „Es gibt eine Menge von Unwägbarkeiten. Extrem viel kann sich noch ändern“, meint der Politikwissenschaftler.

Die wichtigsten Faktoren des Wahlverhaltens

Die wichtigsten Faktoren, die das Wahlverhalten und die Antwort auf Sonntagsfragen prägen, seien zum einen die Parteiidentifikation, das heißt die langfristige, gefühlsmäßige Bindung an die Partei. „Hier sind Wähler gefühlsmäßig stark an eine Partei gebunden und gehören zur Stammwählerschaft. Davon gibt es heute deutlich weniger als früher“, sagt Niedermayer.

Wichtiger seien heutzutage die kurzfristigen Faktoren. „Inhaltliche und personale Schlüsselentscheidungen beeinflussen die politische Stimmung nun stärker.“ Auch die Veränderung von Rahmenbedingungen, zum Beispiel sogenannte externe Schocks wie die Corona-Krise, würden sich stärker auf das Wahlverhalten und Umfrageergebnisse auswirken.

Die Krise könnte sich im Sommer aber auch dem Ende zuneigen. Herrscht dann Herdenimmunität und die Menschen kehren zurück zum normalen Leben, würde sich die Aufmerksamkeit verschieben. Andere Sorgen und andere Herausforderungen könnten wieder in den Mittelpunkt rücken. „Wenn die Menschen inhaltlich wählen, dann schauen sie, welcher Partei sie am ehesten zutrauen, für sie selbst wichtige aktuelle Fragen zu bewältigen“, sagt Niedermayer. Und schon sehen die Umfragen wieder ganz anders aus.

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