Libyen: IS baut Terrorregime aus
Kämpfer des "Islamischen Staats" haben laut Human Rights Watch in der libyschen Stadt Sirte Dutzende Menschen hingerichtet.
Während der „Islamische Staat“ (IS) in Syrien und dem Irak durch Luftangriffe zunehmend in Bedrängnis gerät, ist er im zerfallenden Libyen auf dem Vormarsch. Das dortige Machtvakuum nutzen die Dschihadisten – ihre Zahl hat sich in den vergangenen Monaten auf 6000 Kämpfer verdoppelt – geschickt, um ihr Herrschaftsgebiet auszudehnen. Sie kontrollieren inzwischen einen 300 Kilometer langen Küstenstreifen um die Hafenstadt Sirte herum – und haben dort offenbar ein äußerst brutales Schreckensregiment errichtet.
Laut einem jetzt veröffentlichen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind dort seit Februar 2015 Dutzende Menschen öffentlich enthauptet worden. Die meisten habe man beschuldigt, Spione zu sein. Andere Opfer wurden wegen angeblicher Hexerei und Gotteslästerung hingerichtet. Augenzeugen zufolge haben die Fanatiker einige Leichen tagelang an Gerüsten aufgehängt – vermutlich um Sirtes Einwohner einzuschüchtern.
Die von Human Rights Watch befragten Menschen, die aus der Geburtsstadt des früheren Diktators Muammar al Gaddafi fliehen konnten, berichten außerdem von Schikanen und Drangsalierungen im Alltag. So würden von Informanten begleitete Sittenwächter Männer bedrohen und bestrafen, weil sie rauchten, Musik hörten oder nicht darauf achteten, dass ihre Frauen und Töchter sich verhüllten. Wer nicht zu den Anhängern des IS zähle, dem würden Geld, Lebensmittel, Medikamente und Brennstoff vorenthalten. Im August 2015 gab es in Sirte eine Revolte gegen die Terrorherrschaft, die von den Islamisten blutig niedergeschlagen wurde.
Erst am Montag hatten die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates und viele weitere Staaten bei einem Treffen in Wien beschlossen, das Waffenembargo gegen Libyen zu lockern. Dadurch soll die kürzlich gebildete Regierung der Nationalen Einheit in die Lage versetzt werden, eine loyale Armee aufzubauen und den IS zu bekämpfen.