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Auch syrische Kurden feiern das erfolgreiche Referendum im Nachbarland Irak.
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Mehr als 92 Prozent für Kurdistan: Iraks Armee könnte Kirkuk besetzen

Iraks Regierung möchte den Kurden die Ölfelder abnehmen, Russland mahnt zur "Stabiltät" und im Iran protestieren die Kurden auf den Straßen.

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Das irakische Parlament hat Ministerpräsident Haider al Abadi aufgerufen, Truppen der Zentralregierung nach Norden zu entsenden. Es geht darum, die von Kurden kontrollierten Öl-Felder bei Kirkuk zu besetzen. Kirkuk gehört nach Lesart kurdischer Politiker klar zu Kurdistan, allerdings nicht zur von Bagdad anerkannten autonomen Kurdenregion. Die Kurden kontrollieren Kirkuk, seit sie die Region vor dem „Islamischen Staat“ (IS) schützen mussten; Iraks reguläre Armee floh vor den Dschihadisten.

Die Kurdenführung um Massoud Barzani wehrt sich derzeit auch gegen eine andere, bedrohliche Order aus Bagdad: Die arabisch dominierte Zentralregierung hatte angekündigt, den Kurden die Kontrolle über die Flughäfen der Region abzunehmen, denn der Irak sei ein unteilbarer Staat. Der Transportminister der Kurden in Erbil, Mowlowd Murad, sagte dazu: Die Flughäfen seien sowohl für die kurdische Regionalregierung als auch für internationale Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS notwendig. Nach dem Referendum in den kurdisch dominierten Gebieten am Montag, drängt Bagdad darauf, dass internationale Fluglinien die Airports Erbil und Sulaimanija nicht mehr anfliegen. Die im Nahen Osten bekannte Airline MEA kündigte an, ihre Flüge auszusetzen.

92 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit

Nach Angaben des kurdischen Senders „Rudaw“ stimmten mehr als 92 Prozent der Wähler für Unabhängigkeit. Dabei hätten 3,1 der rund fünf Millionen Wahlberechtigten tatsächlich am Votum teilgenommen – darunter orientalische Christen, Jesiden, muslimische Araber und Turkmenen. Auch Kritiker des Referendums bezweifeln nicht, dass eine übergroße Mehrheit tatsächlich mit „Ja“ abstimmte. Dennoch wollen weder Bagdad noch die Herrscher in der Türkei und im Iran die Abstimmung anerkennen, geschweige denn eine langfristig geplante Sezession dulden.

Sowohl Ankara als auch Teheran blockieren die Grenze zum irakischen Teil Kurdistans mit Truppen. Am Mittwoch äußerte sich auch die russische Regierung: Erbil wie auch Bagdad sollten jeden Schritt zur Destabilisierung vermeiden. Russland respektiere die Wünsch der Kurden, teilte das Außenministerium in Moskau mit, plädiere aber für die Einheit des Iraks. Zuvor hatten sich die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und der USA ähnlich geäußert. Das Referendum wird von den Kurden selbst nicht als bindend bezeichnet, gibt Regionalpräsident Barzani jedoch mehr Autorität, um mit Bagdad zu verhandeln.

Kaum haben die Kurden abgestimmt, rollten türkische Panzer an die Grenze.
Kaum haben die Kurden abgestimmt, rollten türkische Panzer an die Grenze.
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Alle Nachbarstaaten fürchten kurdische Autonomiebestrebungen in ihren eigenen Grenzen, denn die schätzungsweise 30 Millionen Kurden der Region verteilen sich von Afrin in Syrien bis tief in den Iran. Die meisten Kurden leben in der Türkei. Dort liefert sich die sozialistisch-militante Kurdische Arbeiterpartei PKK seit den Achtzigern verlustreiche Kämpfe mit Ankaras Armee. Im Bürgerkriegsland Syrien regieren die Kurden zusammen mit Christen und progressiven Arabern eine Autonomiezone. Sie verhandeln mit Damaskus über ihren Status.

Teheran will schiitischer Regierung in Bagdad beistehen

Die Mullahs in Teheran kündigten offensiv an, der ebenfalls schiitische Regierung in Bagdad beizustehen. Tausende iranischer Kurden marschierten in der Nacht zu Dienstag durch Westiran – während Kampfflugzeuge über die Region flogen. Videos in den sozialen Medien zeigen, dass sich Feiernde im westiranischen Mariwan maskiert hatten, damit die iranischen Sicherheitskräfte sie nicht erkennen würden. Die eingesetzte Polizei versuchte, die Menge zu kontrollieren. Es soll Krawalle gegeben haben. Der Iran hatte vor der Abstimmung im Irak einen Kommandeur der regimetreuen Revolutionsgarden, Qassem Soleimani, nach Erbil entsandt.

Soleimani hatte wohl versucht, die Kurden dort vom Referendum abzuhalten. Dabei soll der iranische Kommandeur gedroht haben, die schiitische, proiranische Hashd-al-Shaabi-Miliz könnte die Kurden angreifen. Nur einen Tag nach dem Referendum installierten die Iraner neue Flugkörpersysteme an der Grenze zu Irakisch-Kurdistan, um „auf jeden Invasionsversuch zu reagieren“, wie iranische Medien schreiben. Bis zu sechs Millionen Kurden leben im Iran. Sie sind nach den Persern und Aserbaidschanern die drittgrößte Volksgruppe im Iran. Sie stellen in drei Provinzen die Mehrheit.

Neben der eher sozialdemokratisch orientierten DPK-I, einer Schwesterpartei der in Nordirak mächtigen PUK, fordert die militante PJAK das Mullah-Regime heraus. Die PJAK gilt als Schwesterpartei der PKK. Die Regierungen in Ankara und Teheran wollen die Grenze zwischen ihren Ländern besser durch Sperranlagen und Armee bewachen.

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