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Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mit ihrem deutschen Kollegen Thomas de Maizière.
© Olivier Hoslet/dpa

Grenzkontrollen für Flüchtlinge in Österreich: Innenministerin: „Dann muss die Polizei dagegenhalten“

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will die Registrierung von Flüchtlingen an den EU-Grenzen konsequent durchsetzen. Im Interview sagt sie: "Horst Seehofer beschreibt genau das Problem."

Frau Mikl-Leitner, seit Deutschland die Grenzkontrollen verschärft, bleiben mehr Flüchtlinge in Österreich. Wie viele Asylanträge erwarten Sie?

Wir gehen von täglich rund 300 Personen aus und rechnen für 2015 mit 85.000 Personen. Schon jetzt haben wir 55.000 Menschen in der Grundversorgung und damit den gleichen Prozentsatz wie Deutschland.

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer wirft Österreich vor, als Schleuser zu agieren, weil es die Flüchtlinge unregistriert und organisiert durchleite. Er droht mit der Schließung der Grenze zu Österreich. Erwarten Sie das?
Seehofer beschreibt genau das Problem, das wir jetzt haben: Es geht kaum mehr um Schutzsuche, sondern um die Suche nach dem wirtschaftlich attraktivsten Land. Und das müssen wir beenden. Österreich macht die temporären Grenzkontrollen im Einklang mit Deutschland, ist aber in der schwierigeren Lage: Über 90 Prozent der über die Balkanroute kommenden Migranten wollen nur nach Deutschland. Daher lassen sie sich an ihrem Ziel geduldig registrieren, wenn sie mal da sind. In Österreich wollen das die meisten vermeiden, weil sie sich unregistriert größere Chancen ausrechnen. Das erschwert unsere Grenzkontrollen.

Wenn es schärfere Kontrollen geben muss: Kommt dann der Großteil der Flüchtlinge nicht über die „grüne Grenze“, also Feld und Wald, wie auch auf der Balkanroute?
Niemand kann die grüne Grenze zu 100 Prozent kontrollieren, das ist eine Illusion. Gerade deshalb ist entscheidend, dass die „Hotspots“ ins Laufen kommen.

Kann es bei schärferen Kontrollen auch zu Gewaltanwendung der Polizei kommen?
Wenn Deutschland den Zugang verschärft, muss das selbstverständlich auch Österreich machen. Da wir aber für viele nicht Zielland sind, kann das zu Konflikten an der Südgrenze führen. Wir in Österreich haben immer gesagt, dass die Dublin-Regelung selbstverständlich weiter gilt, auch für Syrer. Das heißt, Flüchtlinge, die über Kroatien und Slowenien kommen und bei uns einen Asylantrag stellen, müssen mit Rückführung dorthin rechnen. Von 2700 Flüchtlingen, die über die slowenische Grenze bisher kamen, haben nur 23 hier einen Antrag auf Asyl gestellt! Da geht es nicht nur um Suche nach Schutz, sondern nach dem wirtschaftlich attraktivsten Land. Das ist Asyl-Optimierung.

Muss da die Exekutive, wenn es nötig ist, auch Gewalt anwenden können, so wie das in Mazedonien und Ungarn der Fall war?

Es hat sich ja schon in anderen Ländern entlang der Balkanroute gezeigt: Wenn man sich entschließt, verstärkt zu kontrollieren und registrieren, dann gibt es auch Flüchtlinge, die sich dem widersetzen, auch mit Gewalt. Dann muss auch die Polizei dagegenhalten, maßhaltend zwar, aber doch.
Diesen Befehl geben Sie?
Da wird sich die ganze Bundesregierung entscheiden müssen.

Das sollen ja die „Hotspots“ in Griechenland verhindern: Wie realistisch sind die?
Kein Nationalstaat kann diese Herausforderung allein bewältigen. Das Wichtigste ist daher die Einführung der „Hotspots“, also Kontrollzonen, wo die klare Differenzierung zwischen Asylsuchenden und Wirtschaftsflüchtlingen erfolgt. Dort muss die vollkommene Registrierung stattfinden und danach die Verteilung der beschlossenen 120 000 Personen aus der Balkanroute in ganz Europa. Das ist ein Doppelschlag: Zum einen führt eine Entlastung der Balkanroute auch zu der von Österreich und Deutschland. Und zum anderen ist eine faire Verteilung nach EU-Quote der Anfang vom Ende des Asyltourismus. Bis Ende November sollten die „Hotspots“ operativ sein. Österreich entsendet 100 Beamte.

Die „Hotspots“ hat kein Innenminister so betrieben wie Sie. Jetzt haben Sie auch in Österreich eine Gesetzesänderung vorgelegt, um das Land weniger attraktiv für Wirtschaftsflüchtlinge zu machen. Geht Ihr bisher skeptischer Koalitionspartner SPÖ da mit?
„Asyl auf Zeit“ ist ein Signal auch von mehr Ehrlichkeit den Flüchtlingen gegenüber. Bisher hat ein Asylberechtigter eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung bekommen, die konnte nach fünf Jahren überprüft und bei Wegfall der Asylgründe entzogen werden, was aber sehr selten der Fall war. Nun kommt die grundsätzliche Umkehrung: Jeder Asylfall wird nach drei Jahren systematisch überprüft und kann verlängert werden. Aber: Liegen keine Verfolgungsgründe mehr vor, dann gibt es auch keinen Asylgrund mehr, der Betroffene muss in sein Heimatland zurück. Das ist eine wichtige Signalwirkung. So wie der nun erschwerte Familiennachzug erst nach drei Jahren für „subsidiär Schutzbedürftige“. Wir verhandeln das jetzt in der Koalition und ich glaube an einen raschen Abschluss.

Die Grünen werfen Ihnen aus der Opposition vor, das nur als Gegenmittel gegen die aktuellen Wahlerfolge der nationalpopulistischen FPÖ zu inszenieren ...
Erstens habe ich den Vorschlag schon Anfang August, also noch vor Beginn der großen Flüchtlingswelle gemacht. Zweitens halte ich klare Ansagen auch im Interesse der Flüchtlinge für notwendig: Asyl auf Zeit ja, aber wenn der Krieg vorbei ist, brauchen wir den Platz für Menschen aus anderen Krisenregionen. Die FPÖ hat jedenfalls keine Lösungen anzubieten, sondern nur Hetze.

Reinhard Frauscher

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