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Eine Krankenschwester in Italien.
© AFP/Marco Bertorello

„Die Verlangsamung ist da“: In Italien zeichnet sich die Wende in der Coronakrise ab

Immer noch sterben in Italien erschreckend viele Menschen. Doch die Zahl der Neuinfektionen stabilisiert sich. Das Land denkt über das Ende des Shutdowns nach.

In Italien ist die Ausgangs- und Geschäftssperre, die in Deutschland seit einer guten Woche gilt, bereits seit dem 9. März in Kraft, also drei Wochen länger. Am 21. März wurde sie verschärft und alle Behörden und Industrien geschlossen, die nicht unmittelbar der Grundversorgung dienen. Die Sperre läuft am 3. April aus - und inzwischen wird laut über den Exit nachgedacht.

Noch keine Pläne für Restaurants, Bars, Kinos

Aktuell gilt wie für Deutschland: Geplant wird vorerst hinter verschlossenen Türen, bekanntgegeben noch nichts. Und erst einmal werden die Maßnahmen verlängert. Am Montagnachmittag wollte sich die Regierung Conte mit den Fachleuten ihres Krisenstabs treffen.

Dass es dort inzwischen um den Ausstieg aus dem Shutdown gehe, bestätigte in der Montagsausgabe von „La repubblica“ der  Chef der nationalen Gesundheitsbehörde ISS, Silvio Brusaferro: „Wir prüfen gerade mehrere Möglichkeiten“, sagte der Mediziner.

Bis Ostern allerdings müssten die Vorsichtsmaßnahmen in Kraft bleiben: „Danach schauen wir uns die Daten an und entscheiden, wie es weitergeht.“ Schritt für Schritt also und so behutsam, „dass Neuinfizierte rasch ausfindig gemacht werden“. Auch über ein „Stop and go“ denke man nach: Läden und Fabriken eine Zeitlang wieder arbeiten lassen und dann erneut schließen.

Auf dem Tisch der Fachleute, die sich am Montag in der Zivilschutzbehörde treffen wollten, liegen nach Kenntnis von „Repubblica“ Pläne, nach dem 20. April, also eine Woche nach Ostern, mindestens die wichtigsten Baustellen wieder öffnen zu lassen – zum Beispiel die zum Wiederaufbau in der Region Marken, wo vor vier Jahren ein Erdbeben vor allem die Städte Amatrice und Norcia traf. Auch von der vor zwei Jahren eingestürzten Morandi-Brücke in Genua war zuvor die Rede.

Premier Giuseppe Conte will demnach mit Unternehmerverbänden und Gewerkschaften sprechen, um auch Bedingungen für eine Lockerung festzulegen, etwa Hygiene- und Schutzvorschriften in den Produktionshallen. Der Handel, der nach dem 20. April wieder öffnen soll – zunächst Buch- und Schreibwarenläden und Bekleidungsgeschäfte –, soll dies nur mit Auflagen können.

Hilfe für die Ärmsten. "Wer kann, gibt, wer nicht kann, nimmt" steht auf dem Zettel dieses Brotkorbs in Neapel.
Hilfe für die Ärmsten. "Wer kann, gibt, wer nicht kann, nimmt" steht auf dem Zettel dieses Brotkorbs in Neapel.
© Felice De Martino/imago

Sportveranstaltungen werden nach dem Willen von Sportminister Vincenzo Spadafora noch den ganzen April über nicht stattfinden, für Schulen und Universitäten ist seit langem eine Sperre bis September im Gespräch. 

Als heikelste Orte, für die es noch gar keinen Plan geben soll, gelten neben den Schulen Sportplätze, Sportstudios und Diskotheken, also die mit der höchsten Gefahr von Menschenansammlungen und Ansteckungsgefahr. Ähnlich schwierig werde es mit Restaurants, Bars und Kinos. Die Regierung wird diese Woche eine Anordnung erlassen müssen.

Hoffnungszeichen: Intensivstationen weniger unter Druck 

Italien scheint, trotz nach wie vor schrecklicher Todesziffern, kurz vor der Wende zum Besseren. „Die Verlangsamung ist da“, sagt Gesundheitsbehörden-Chef Brusaferro mit Blick auf die Kurve der Neuinfektionen. In den letzten Tagen wurden täglich weniger Neuinfizierte registriert – mit der traurigen Ausnahme Mailands, wo die Zahl weiter stieg.

Die Zahl der Toten lag fürs ganze Land am Sonntagabend bei immer noch erschreckenden 756; zum Wochenende freilich war die Zahl einmal auf rund 1000 Tote in nur 24 Stunden hochgeschnellt. Auch am Montagabend lag sie mit 812 am Coronavirus Verstorbenen sehr hoch.

Aber die Ansteckungen gingen am Montag drastisch nach unten: Statt der Steigerung um elf Prozent vom Vortag waren es nun noch zwei Prozent. Was Epidemiologie-Fachleuten am meisten Hoffnung gibt: Die Zahl der Intensivpatienten steigt nur noch mäßig, von Samstag auf Sonntag um lediglich 50. 

Inzwischen macht sich Süditalien wachsende Sorgen, das bisher von massiven Covid-19-Ausbrüchen verschont blieb. Eine davon: Die Heimkehrer aus dem Norden, die bis kurz vor der Abriegelung der Lombardei vor knapp drei Wochen in Massen nach Süden geflohen waren. Was passiert, wenn sie jetzt krank werden? Das Krankenhausnetz im Süden wäre darauf deutlich weniger vorbereitet als das im Norden.

Lombardische Ärzte fordern mehr Solidarität 

Unterdessen haben die Chefärzte der lombardischen Intensivstationen einen Hilferuf an den Staatspräsidenten, den Premier und den Gesundheitsminister geschrieben. Es brauche dringend mehr Therapieplätze und die am besten in der Nähe, zitiert die Tageszeitung „Il fatto quotidiano“ aus dem Schreiben. Es liege ein nationaler Notfall vor, schreiben die Ärztinnen und Ärzte, deshalb müssten „die Regionalgrenzen, vor allem in geografischer Nähe, überschritten werden, um Covid-Patienten aufzunehmen“.

Was der Brief nur andeutet, formulierte der Abgeordnete des mitte-linken PD, Alfredo Bazoli aus Brescia, einer stark von der Pandemie getroffenen Stadt, kurz zuvor deutlicher. Er frage sich, „wie es kommt, dass Covid-Patienten aus Brescia sogar nach Deutschland transportiert werden“, während im nahen Venetien, in Verona, „zwei Drittel der Intensivbetten leer stehen“.

Die Fachärzte machen in ihrem Brief auch auf den Mangel an Personal aufmerksam: Im Stadtkrankenhaus von Brescia seien sechs Prozent der Pflegekräfte und der ärztlichen Belegschaft selbst positiv, in Bergamo sogar 20 Prozent.

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