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Nicht nur in Istanbul wirbt Recep Tayyip Erdogan für ein "Ja" beim Verfassungsreferendum.
© AFP

Vor dem Referendum in der Türkei: In Erdogans AKP wächst die Sorge vor einer Niederlage

Hinter den lauten Parolen mehren sich in der türkischen Regierungspartei die Zweifel am Erfolg des Verfassungsreferendums zum Präsidialsystem. "Ja" und "Nein" sollen dicht beieinander liegen.

Weniger als vier Wochen vor dem Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April wächst in der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan offenbar die Sorge wegen der anhaltenden Skepsis vieler Türken mit Blick auf Erdogans Präsidialplan. Interne Analysen der AKP deuten laut Presseberichten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegner des Präsidialsystems hin.

Offizielle Umfragen ergeben kein eindeutiges Bild der Haltung der Wähler zum Modell einer Präsidialrepublik mit weitreichenden Vollmachten für das Staatsoberhaupt. Regierungsnahe Institute berichten von einer Mehrheit von mehr als 55 Prozent für Erdogans Plan, andere Demoskopen gehen von einem Sieg des Nein-Lagers aus. Fest steht, dass die AKP und die mit ihr verbündete Führung der Nationalisten-Partei MHP nicht auf alle ihre Wähler zählen können: Bei der Parlamentswahl im November 2015 waren die beiden Parteien zusammen auf mehr als 60 Prozent der Stimmen gekommen.

Auch AKP-Wähler fragen sich, was nach Erdogan passieren wird

Erdem Gül von der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ fasst die Ergebnisse unveröffentlichter Umfragen der AKP zusammen: „Ja“ und „Nein“ lägen nur wenige Zehntel-Prozente auseinander. Eine Analyse des regierungsnahen „Hürriyet“-Kolumnisten Abdülkadir Selvi weist darauf hin, dass diese Einschätzung mehr ist als nur Wunschdenken der Erdogan-Gegner. AKP-Wahlstrategen wollen laut Selvi die Frage untersuchen, warum so viele Wähler bisher nicht zu überzeugen waren. Das Schlagwort vom „Ein-Mann-Staat“ spielt offenbar eine große Rolle. Selbst AKP-Wähler fragen sich demnach, was nach Erdogans aktiver Zeit mit einem Regierungssystem geschieht, das ganz auf ihn zugeschnitten ist.

Auch ist die AKP nicht geschlossen. Frühere Spitzenpolitiker der Partei wie Ex-Präsident Abdullah Gül und der ehemalige Premier Ahmet Davutoglu blieben jetzt demonstrativ einer Einladung von Premier Binali Yildirim fern. Gül und Davutoglu sind als Gegner des Präsidialsystems bekannt. Ein weiteres Problem für die AKP liegt darin, dass die Entlassungs- und Festnahmewellen seit dem Putschversuch im vergangenen Juli auch viele ehemalige Erdogan-Wähler oder deren Familien getroffen haben.

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Susanne Güsten

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