„Ärzte brechen weinend zusammen“: In den ersten US-Bundesstaaten werden die Intensivbetten knapp
Seit Mitte Juni steigen die Infektionszahlen in den USA deutlich. Es gibt Dutzende Corona-Hotspots. Mit dramatischen Folgen.
Kühltransporter sind zu einem Synonym für die Eskalation der Corona-Pandemie geworden: Im März sah man sie auf Fotos eines Krankenhauses in Brooklyn, New York. In den Transportern lagerten Leichen, für die sonst kein Platz mehr war. Ein Handymittschnitt zeigte damals verstörende Szenen von einem Gabelstapler, der Leichensäcke verräumt.
Inzwischen hat sich die Corona-Situation in der Millionenmetropole deutlich verbessert - dafür steigen aber in anderen Bundesstaaten die Infektionszahlen teils drastisch: In Kalifornien gibt es jetzt insgesamt mehr Corona-Fälle als im Bundesstaat New York, Florida verzeichnet täglich neue Infektionsrekorde. Und das sind nur zwei mittlerweile Dutzenden Corona-Hotspots in den USA, sie sich seit Anfang Juli herausbilden.
Die Todeszahlen zogen dagegen lange nicht an. Das ist einerseits auch verständlich: Zeigt die Pandemie doch, dass die Todeszahlen den Infektionszahlen teilweise um Wochen nachfolgen. Seit einigen Tagen scheint aber der Punkt erreicht, an dem sich das Wiederaufflammen der Pandemie auch in den Todeszahlen zeigt.
Am Wochenende meldeten die Medien aus Texas und Arizona, dass die Behörden wegen drohenden Platzmangels in Leichenhallen und Krematorien, ebenfalls Kühlwägen bestellt hätten, um sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Statistiken zeigen, dass in Arizona mittlerweile alle 1.695 Intensivbetten belegt sind – in Texas stehen nur noch 105 der 6.663 Intensivbetten zur Verfügung.
„Es ist ein Tsunami“, sagt Pneumologe Federicio Vallejo, der in einem texanischen Krankenhaus Covid-19-Patienten behandelt. „Ich sehe immer wieder Krankenpfleger und Ärzte zusammenbrechen und weinen.“
In den USA stehen durchschnittlich 25,8 Intensivbetten für 100.000 Einwohner bereit. Im Bundesstaat Texas sind es 26,6 Betten. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 33,9 Intensivbetten für 100.000 Einwohnern - und das mit geringerer Entfernung, denn alleine Texas ist mit einer Fläche von 700.000 Quadratkilometern fast doppelt so groß wie Deutschland - die Wege zu den Kliniken sind also oft sehr weit.
Situation in den Bundesstaaten extrem unterschiedlich
Um für Entlastung zu sorgen, haben mittlerweile Kinderkrankenhäuser damit begonnen, Erwachsende aufzunehmen. CNN berichtete am Dienstag, dass auch im besonders betroffenen US-Bundesstaat Florida mindestens 56 Intensivstationen von Krankenhäusern ihre Kapazitätsgrenzen erreicht hätten. Weitere 35 Krankenhäuser hätten nur noch weniger als zehn Prozent ihrer Intensivbetten frei.
Insgesamt grassiert das Virus noch immer besonders auffällig in den größtenteils republikanisch geführten Südstaaten, wie Daten der "New York Times" zeigen.
Doch es gibt auch Bundesstaaten in denen die Fallzahlen zwar steigen, die Kapazitätsauslastung in den örtlichen Krankenhäusern sich aber dennoch in Grenzen hält. So zum Beispiel in North Carolina, obwohl in dem Bundesstaat an der Ostküste gerade mal 21,7 Intensivbetten für 100.000 Einwohner zur Verfügung stehen. Zwar wird auch dort mittlerweile ein Anstieg der Todesfälle verzeichnet, die Auslastung der Intensivbetten ist mit 41 Prozent aber immernoch moderat.
Experten nennen dafür mehrere Gründe: Die Menschen, die sich neu ansteckten, waren zu einem großen Teil jung und hatten damit größere Chancen auf einen leichteren Verlauf der Krankheit. Zudem obliegt es den Bundesstaaten, Krankenhäuser zu betreiben und das Gesundheitswesen zu verwalten, weshalb einige Bundesstaaten besser vorbereitet und ausgerüstet sein dürfen. Hinzu kommt die Erfahrung, die Krankenhäuser in weiten Teilen des Landes nun schon mit dem Virus haben.
Zudem seien die Testkapazitäten in den USA im Vergleich zum März deutlich ausgebaut worden, weswegen Infektionen möglicherweise früher entdeckt werden können.
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Anthony Fauci, der landesweit führende Experte für Infektionskrankheiten, sagte am Dienstag, die Sterblichkeitsrate unter Coronavirus-Patienten sei zwar gesunken, damit sollten sich die Menschen aber nicht zufrieden geben. Das alles bedeute definitiv keine Entwarnung.
In New York wächst die Sorge vor einer zweiten Welle
Insgesamt haben sich in dem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern bislang mehr als 3,8 Millionen Menschen nachweislich mit Sars-CoV-2 infiziert. Rund 140.000 Menschen starben nach einer Infektion mit oder an dem Virus - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Im April und Mai wurden teils mehr als 2000 Tote innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, dann an den meisten Tagen deutlich weniger. Derzeit liegt die Zahl täglich annähernd bei 1000.
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In der Millionenmetropole New York blicken die Behörden unterdessen mit großer Sorge auf die Entwicklungen - und haben die Lockerung der einst strengen Einschränkungen gebremst. Kinos, Museen und die Innenräume von Restaurants, Bars und Cafés beispielsweise müssen vorerst anders als geplant weiter geschlossen bleiben. Der Bundesstaat New York weitete am Dienstag seine Beschränkungen für inländische Reisen weiter aus.
New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo teilte am Dienstag mit, zehn weitere Bundesstaaten auf die Liste der Regionen zu setzen, aus denen Einreisende in eine zweiwöchige Quarantäne müssen.
Mit den dazu gekommenen Staaten Alaska, Delaware, Indiana, Maryland, Missouri, Montana, North Dakota, Nebraska, Virginia und Washington seien damit nun 31 Bundesstaaten auf der Liste, berichteten mehrere lokale Medien übereinstimmend. Vor allem Staaten im Nordosten der USA sind bislang von den Regeln ausgenommen.
„New York ist nicht von der Tatsache beruhigt, dass unsere Infektionsrate niedrig ist“, sagte Cuomo, der sich für die im Frühjahr erhaltene Unterstützung anderer Bundesstaaten bereits mit der Sendung von Medikamenten, Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten revanchierte. „Dieses Virus kann und wird die Grenzen von Bundesstaaten überqueren. Wir wissen das.“ (mit dpa)