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Beate Zschäpe im NSU-Prozess.
© dpa/Andreas Gebert

204. Tag im NSU-Prozess: In Beate Zschäpe brodelt es

Im NSU-Prozess wird Beate Zschäpe von einem Zeugen als gewalttätig beschrieben. In Jena soll die Angeklagte eine andere Person mit einem Glas verletzt haben. Es ist nicht das erste Mal im Prozess, dass Zschäpe tätliche Angriffe vorgeworfen werden.

Beate Zschäpe verschränkt die Arme und blickt genervt auf den Zeugen. Wieder einmal muss sie ertragen, dass sie als gewalttätig beschrieben wird. Der Zeuge erinnert sich an einen Vorfall im Kellerclub des Jenaer Volkshauses. „Die zuschlagende Person war Beate Zschäpe“, sagt der Mann am Dienstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München. Er habe das „Bild im Kopf“, dass Zschäpe mit einem Glas eine Person verletzte. Der Zeuge nennt allerdings keinen Zeitpunkt, auch weiß er nicht genau, ob er es selbst erlebt hat oder es ihm erzählt wurde. Womöglich von Uwe Mundlos. Mit dem späteren Terroristen war der Zeuge in seiner Jugend befreundet.

Auch wenn die Aussage vage bleibt, ist sie für Zschäpe unangenehm. Der Eindruck wird stärker, die Hauptangeklagte sei vor dem Abtauchen mit Mundlos und Uwe Böhnhardt im Januar 1998 aggressiv gewesen. Im Juli vergangenen Jahres sagte eine Zeugin, Zschäpe habe sie 1996 an einer Straßenbahnhaltestelle in Jena so geschubst, dass sie zu Boden gegangen sei und sich einen Fuß gebrochen habe. Dann habe sich Zschäpe auf sie gesetzt und verlangt, sie solle sagen, „ich bin eine Potte“. Was das Wort bedeuten sollte, blieb allerdings unklar. Die Zeugin sah 1996 mit bunten Haaren und zerschlissener Kleidung wie ein Punk-Mädchen aus und entsprach damit dem Feindbild der rechten Szene. Die Frau hatte Zschäpe allerdings erst nach dem Ende der Terrorzelle NSU im November 2011 als die Angreiferin von vor 15 Jahren identifiziert.

Wie bei der Aussage der Zeugin vom Juli 2014 wirkt Zschäpe auch jetzt wieder angespannt. Als der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Befragung des Zeugen für die Mittagspause unterbricht, redet die Hauptangeklagte sichtlich gereizt auf ihren Verteidiger Wolfgang Stahl ein. Der hört zu und legt die Stirn in Falten. Was Zschäpe sagt, ist auf der Tribüne für Journalisten und Zuschauer nicht zu verstehen. Doch Gestik und Mimik lassen unschwer erkennen, dass es in der Frau brodelt. Und dass es ihr offenbar schwer fällt, weiter zu schweigen. Wie sie es im Prozess von Beginn an tut.

Details aus psychiatrischem Gutachten sickern durch

Dem bekannten Münchner Gerichtspsychiater Norbert Nedopil hat Zschäpe Anfang des Jahres ihre Probleme anvertraut. Nedopil zitierte Zschäpe dann in seinem Gutachten mit den Worten, sie sei nicht mehr in der Lage, „die Gesichtszüge zu kontrollieren“. Die Fassade des Schweigens bröckele. Zschäpe beschrieb sich als „zermürbt“ und „am Ende“. Der Psychiater sah sich veranlasst, die Schweigestrategie der drei Verteidiger als „enorme Belastung“ zu kritisieren.

Das Gutachten zum Gesundheitszustand Zschäpes sollte der Öffentlichkeit vorenthalten werden, dennoch sickerten Details durch. Die Prozessbeteiligten dürfen das Papier nur in der Geschäftsstelle des Gerichts einsehen. Dass es dennoch zu einer „Indiskretion“ kam, sei misslich, sagte jetzt die Sprecherin des OLG, Andrea Titz. Das gelte auch für die „in keiner Weise nachzuvollziehende mediale Diskussion über den Inhalt des Gutachtens“.  Journalisten, aber auch Anwälte im Prozess rätseln und spekulieren, wie lange Zschäpe noch schweigt und wie sich ihr Verhältnis zu den Verteidigern entwickelt.

Am Nachmittag kommt ein Raubüberfall des NSU vom September 2002 zur Sprache. Drei ehemalige Mitarbeiterinnen einer Sparkassenfiliale in Zwickau berichten, ein Täter habe sie heftig mit einem Reizstoff besprüht, vermutlich war es Pfefferspray. Mundlos oder Böhnhardt hielt zudem einer Angestellten eine Pistole an den Kopf. Die eingenebelten und verängstigten Frauen gaben den Tätern, was sie aus Tresor und Handkasse verlangten. Mundlos und Böhnhardt nahmen 48 600 Euro mit. Die Tat in Zwickau war der sechste von 15 Raubüberfällen des NSU. Die Terrorzelle erbeutete insgesamt mehr als 600 000 Euro.

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