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Typische Handbewegung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
© dpa/Michael Kappeler

Bundestagswahl: Im Duell mit Schulz muss die Kanzlerin liefern

Angela Merkel verliert an Anziehungskraft. Auch weil sie sich spät bewegt und wenig erklärt. Nun bekommt sie es mit Martin Schulz zu tun. Das fordert sie. Ein Kommentar.

Wieder und wieder gerät Angela Merkel in Zwickmühlen, von denen keiner vorher weiß, wie sie sich daraus befreien wird. Nur dass sie sich bisher immer daraus befreit hat, ist bekannt. Da konnte kommen, was wollte und wer wollte, sie überlebte. Immer.

Und gerade noch schien die Kanzlerin in blühenden Landschaften zu leben: Deutschland geht es doch gut. Warum sollte es also nicht so weitergehen, mit dem Land und mit ihr?

Schlicht, weil es so nicht weitergeht. Die Welt wandelt sich rasant, und Merkel bleibt unbewegt? Ihre Methode – sie reagiert, indem sie nicht reagiert – hat sich augenscheinlich verbraucht.

Diese Bilder von ihr, so oft gesehen, diese Worte, so oft gehört. Die Kanzlerin lässt alles über sich ergehen. Und wenn sie spricht, dann oft in dürren Sätzen, vielsagend nur, wenn sie im Nachhinein von Interpreten mit Bedeutung aufgeladen werden.

Schulz, der Empathiebolzen

Merkel heute: So lange war sie Herrin über die Fliehkräfte, jetzt verliert sie an Anziehungskraft. Die Wirklichkeit zerrt an ihr. Bisher hielt sie das aus. Auch weil sie sich erst dann bewegte, wenn sie wusste, wohin sich die Mehrheitsmeinung wendet. Die Flüchtlingsfrage ist ein oft zitiertes Beispiel dafür – bloß ist es da wohl auch das erste Mal so richtig Vielen aufgefallen: Wann und wie spät sie sich bewegt. Dass sie niemals von vorne führt, sondern mit der Erkenntnis hinterher kommt.

Aber jetzt ist Schulz da, Martin Schulz. Ein Empathiebolzen, der sich in die Mitte des Volkes stellt. Der die Menschen bei ihren Gefühlen packen will – ein Anti-Merkel. Schulz suggeriert Verständnis und baut Distanz ab. Seine Erzählung lautet: Ich bin einer von euch. Merkel erzählt nichts.

Sie erklärt auch nichts, weder den Wählern noch ihrer Partei. Die weiß zum Beispiel bis heute nicht, welche Schlüsse ihre Vorsitzende aus der Tatsache zieht, dass inzwischen in neun von 16 Bundesländern Sozialdemokraten an der Spitze stehen.

Ihr Ziel: Bürgermeisterin für die Menschen im Land

Das ist der Boden, auf dem Überdruss gedeiht. Wie will Merkel, deren Stärke nicht Nähe ist, sondern stoisch verkörperte kühle Vernunft, plötzlich eine Bürgermeisterin für die Menschen im Land werden und einen Wärmestrom erzeugen? Eine Erinnerung an die Zeiten vor der Wahl 1998 durchweht die Republik, zumindest aber die SPD, und die bekommt deshalb die zweite Luft in dieser Legislaturperiode. Schulz trumpft mit „Mega“ auf – „Make Europe Great Again“ – und wirbt zugleich mit „Wir sind alle Würselen“.

Und Merkel? Sie muss als Kanzlerin liefern, um den Kandidaten Schulz auf Distanz zu halten. Sie muss Europa zusammenhalten, womöglich um den hohen Preis, ihren rigiden Finanzkurs aufzugeben. Mehr Geld für die notleidenden Südländer – das wäre eine Sensation. Aber diese Kehrtwende müsste Merkel erklären! Was auch sensationell wäre.

Kommunikation = Gemeinsam machen, vereinigen

Es gibt eine Formel für das Gelingen von Kommunikation: E x E x W, Echtheit mal Empathie mal Wertschätzung. Da war der Wert bei der Bundeskanzlerin schon immer eher gering. Kommunikation kommt vom lateinischen communicare, gemeinsam machen, vereinigen.

Da ist das Angebot von Schulz offenkundig: Er macht sich mit den Bürgern gemein und will die SPD mit den Wählern gegen den Berliner Status Quo vereinen. Populismus ist auch dabei. Könnte sein, dass Martin Schulz damit Angela Merkel in die Zwickmühle ihres Lebens bringt.

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