Neue EU-Staatsanwaltschaft nimmt Arbeit auf: Im Dienst von Europas Steuerzahlern
Mit dem Aufbau der EU-Staatsanwaltschaft ist ein europäischer Meilenstein erreicht. Gleich zu Beginn macht aber Slowenien Probleme.
Von einem „historischen Moment“ sprach die Rumänin Laura Codruta Kövesi. Die 48-Jährige leitet die Europäische Staatsanwaltschaft, die am Dienstag ihre Arbeit aufnahm. Als leitende Generalstaatsanwältin hat Kövesi von nun an die Aufgabe, den Missbrauch von EU-Geldern zu verfolgen.
Um welche Größenordnung es dabei geht, machte am Dienstag die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, deutlich. Nach ihren Worten wurden im Jahr 2019 Betrugsfälle mit einer Größenordnung von insgesamt 460 Millionen Euro gemeldet, bei denen EU-Subventionen unsachgemäß verwendet wurden. Ein noch größerer Schaden entsteht der EU bei grenzüberschreitendem Umsatzsteuerbetrug – hier wird die jährliche Größenordnung auf 30 bis 60 Milliarden Euro geschätzt. Auch diesen Betrugsfällen soll die Europäische Staatsanwaltschaft nachgehen.
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Die Juristin Kövesi war bis 2018 Chefin der Anti-Korruptionsbehörde in Rumänien. In ihrer Amtszeit in Bukarest gelang es Kövesi, zahlreiche korrupte Politiker hinter Gitter zu bringen. Vor drei Jahren musste sie dann auf Druck des damaligen Justizministers Tudorel Toader ihren Posten räumen. Toader musste seinerseits vor zwei Jahren sein Amt aufgeben.
Dass sich Kövesi in Luxemburg nun erneut der Korruptionsbekämpfung widmen kann, zeigt die hohe internationale Wertschätzung, die sie genießt. Bei ihrem Amtsantritt erinnerte sie daran, dass es einen Vorlauf von zwei Jahrzehnten mit „schwierigen politischen Diskussionen“ gab, bevor die Europäische Staatsanwaltschaft am Ende startklar war. Bei einem EU-Gipfel im finnischen Tampere war 1999 die europäische Behörde Eurojust gegründet worden, die eine Art Vorstufe zur Luxemburger Staatsanwaltschaft bildete. Mit der neuen Behörde gibt es nun erstmals ein grenzüberschreitendes Justizgremium, das in der EU von sich aus ermitteln kann.
Ungarn, Polen und drei weitere EU-Staaten machen nicht mit
Allerdings machen nicht sämtliche EU-Mitgliedstaaten bei dem neuen Verfahren mit. Dänemark, Schweden, Irland, Polen und Ungarn sind bei der Strafverfolgungsbehörde nicht dabei. Das Fernbleiben Ungarns und Polens ist insofern pikant, als Verfahren vor der Europäischen Staatsanwaltschaft wegen einer möglichen Veruntreuung von EU-Geldern letztlich auch eine Sperrung von Brüsseler Subventionen zur Folge haben können. Denn nach dem im vergangenen Jahr auf EU-Ebene beschlossenen Rechtsstaatsmechanismus ist eine Kürzung von EU-Geldern für einzelne Länder möglich, wenn dort gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen wird. Die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus verzögert sich allerdings, weil Polen und Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) dagegen geklagt haben.
Wie Kommissionsvizechefin Jourova am Dienstag erläuterte, sei die Europäische Staatsanwaltschaft in einer „idealen Position“, um Informationen mit der EU-Kommission zu teilen. Jourova äußerte die Hoffnung, dass der Rechtsstaatsmechanismus nach dem Abschluss des Verfahrens vor dem EuGH in der zweiten Jahreshälfte wirksam werden könne.
Einsatz von Geldern aus Corona-Fonds wird überwacht
Die Europäische Staatsanwaltschaft muss zudem darüber wachen, dass die Gelder aus dem milliardenschweren EU-Wiederaufbaufonds, deren Auszahlung demnächst beginnen soll, korrekt verwendet werden. Der inzwischen von allem Mitgliedstaaten gebilligte Wiederaufbaufonds hat ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Mit dem Geld sollen vor allem Länder wie Italien und Spanien, die durch die Pandemie schwer betroffen sind, wirtschaftlich unterstützt werden.
Nach der Ansicht des Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold handelt es sich bei der Schaffung der EU-Staatsanwaltschaft um den „größten Integrationsschritt Europas seit der gemeinsamen Bankenaufsicht“. In Deutschland gingen durch den Umsatzsteuerbetrug jedes Jahr 22 Milliarden Euro verloren, so Giegold. „Wir können uns die Tatenlosigkeit gegen den Umsatzsteuerbetrug angesichts leerer Kassen nicht mehr leisten“, sagte er dem Tagesspiegel.
Regierungschef Jansa blockiert Ernennungen
Derweil ist die Europäische Staatsanwaltschaft zunächst damit beschäftigt, dass Sloweniens rechtskonservativer Premierminister Janez Jansa die Ernennung der beiden delegierten Staatsanwälte blockiert, die in Ljubljana für die Ermittlung und Anklage von relevanten Straftatbeständen verantwortlich sein werden. Kövesi kritisierte „einen Mangel an ernsthafter Kooperation“ in Slowenien. Trotz der Blockade des Regierungschefs Jansa werde es aber nicht gelingen, die unabhängige Arbeit der EU-Staatsanwaltschaft zu behindern, sagte sie.
Der Streit um die Besetzung der Posten der delegierten Staatsanwälte hat in Slowenien inzwischen zum Rücktritt der Justizministerin Lilijana Kozlovic geführt. Mit diesem Schritt protestierte die Ministerin gegen den Regierungschef, der offenbar gefügigere Leute für die neue Behörde nominieren will. Besonders brisant ist der Fall deshalb, weil Jansa am 1. Juli den rotierenden EU-Vorsitz übernimmt.