Mehr als 12.000 Verfahren eingeleitet: Illegaler Handel mit gefälschten Impfpässen floriert
Die Polizei verfolgt mit Nachdruck den Handel mit gefälschten Impfnachweisen. Den Betrügern drohen teils drastische Strafen.
Was haben Ex-Dschungelcamp-Kandidatin Christin Okpara und Ex-Werder-Bremen-Trainer Markus Anfang gemeinsam? Beide verloren ihren Job, weil sie gefälschte Impfausweise vorgelegt haben sollen. Die Polizei geht solchen Verdachtsfällen bundesweit inzwischen mit weit mehr als 12.000 Verfahren nach.
Die Zahl sei vor allem im vergangenen Dezember in die Höhe geschnellt, berichteten Polizeibehörden der Bundesländer bei einer bundesweiten Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.
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Spitzenreiter ist demnach Bayern mit mehr als 4.000 Verfahren und 5.500 sichergestellten Impfpässen und -zertifikaten, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit mehr als 3.500 Verfahren. „Wir müssen leider von einem großen Dunkelfeld ausgehen“, berichtete die Landesregierung in München.
Handel vor allem über Dienste wie Telegram
Ende November hatte der Gesetzgeber die Strafbarkeit noch einmal klargestellt. Abschreckende Wirkung hatte dies anscheinend nicht:
Die 3G-Pflicht in vielen Bereichen hat das Geschäft der Fälscher wohl erst richtig angekurbelt.
Im Internet stießen Ermittler bei Social-Media-Kanälen und Messengerdiensten wie Telegram auf einschlägige Angebote, die bei Impfskeptikern und Impfgegnern auf zahlungswillige Kundschaft treffen, obwohl es die Originale samt echtem Impfschutz umsonst gibt.
Polizei ermittelt sogar wegen Totschlags
Nutzern falscher Impfausweise droht dabei im Extremfall noch mehr als den möglichen Folgen am Arbeitsplatz und Geld- oder Bewährungsstrafen wegen „Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse“:
Nach einem Corona-Ausbruch mit drei Todesfällen in einem Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine fristlos entlassene Mitarbeiterin der Einrichtung sogar wegen Totschlags.
Die Frau soll mit einem gefälschten Impfpass im Heim gearbeitet haben, obwohl bei ihr zu Hause Familienmitglieder an Covid-19 erkrankt waren.
Anfang Dezember 2021 wurden bei einer Durchsuchung in Kassel insgesamt 800 Blanko-Impfausweise, Impfstoffaufkleber, verschiedene Stempel und weitere Fälscherutensilien sichergestellt. Einen Monat zuvor wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung in Frankfurt/Main insgesamt 146 Blanko-Impfausweise gefunden.
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Auch wurden Fälle von Ärzten bekannt, die ihren Patienten auf Wunsch nur den Aufkleber der Impfdosen in den Impfpass klebten, ohne den Impfstoff zu spritzen. Ihnen drohen inzwischen sogar bis zu fünf Jahre Haft.
Gelber Impfpass macht es Betrügern einfach
Im Oktober machten Ermittler mutmaßliche Betrüger in München dingfest, die mithilfe der IT-Infrastruktur einer Apotheke gefälschte Impfzertifikate hergestellt haben sollen - allein innerhalb eines Monats mehr als 500 Stück.
Der Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist leicht zu manipulieren. Das Heftchen kann im Internet für wenige Euro bestellt werden.
Die Stempel von Arztpraxen können ebenfalls leicht besorgt werden. Die Impfdosenaufkleber mit der Chargennummer sind inzwischen immerhin mit einem Wasserzeichen versehen - vor kurzem war das noch nicht der Fall.
Fälscher bieten Komplett-Paket für 200 Euro an
Impfpass-Fälscher bieten bei Telegram inzwischen ein Komplett-Paket an: Das ausgefüllte Impfbuch kostet inklusive QR-Code 200 bis 300 Euro. Die betrügerischen Impf-Unwilligen, die sich eine Fälschung im Netz bestellen, haben aber keine Garantie, dass tatsächlich ein falscher Impfpass geliefert wird.
In den Apotheken, die den QR-Code für den digitalen Impfnachweis erstellen, kann inzwischen überprüft werden, ob Ort und Zeitpunkt der Impfung zu der Chargennummer im Impfpass passen. Das ist vielen Besitzern von Impfpässen offenbar noch nicht klar.
Im Ruhrgebiet türmte eine 30-Jährige am Montag, als ihr vorgelegter Impfpass als gefälscht entlarvt wurde, aus der Apotheke - und ließ dabei ihren Personalausweis liegen.
Gleiches Spiel wenige Kilometer entfernt in Unna: Der Mann mit falschem Impfpass verschwand eilig, ließ aber Kopien seiner Krankenkassenkarte und seines Personalausweises zurück. (dpa)