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Ein Mann liegt im Bett und misst Fieber (Symbolbild).
© dpa/Andreas Gebert

Bis zur schweren Lungenentzündung: Wie mild ist ein milder Omikron-Verlauf wirklich? Das sagen Ärzte

Corona hat mit Omikron für manche seinen Schrecken verloren, denn angeblich folgen häufig vergleichsweise leichte Symptome. Mediziner warnen dennoch.

Omikron gilt gemeinhin als milde Variante des Coronavirus. Mehrere Studien bescheinigen der Variante mildere Krankheitsverläufe als bei Delta. Doch "mild ist was anderes...", twitterte Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters und Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim, am vergangenen Freitag. Was war passiert?

Karagiannidis bezieht sich in seinem Tweet auf die stark steigenden Hospitalisierungszahlen in den USA. Dort – wo die Omikron-Variante bereits seit Weihnachten vorherrschend ist – werden derzeit neue Höchststände an coronabedingten Krankenhauseinweisungen gemessen. Derzeit zählen die US-Kliniken mehr als 150.000 Corona-Patienten.

"Liegt ein Patient im Krankenhaus, dann ist das kein milder Verlauf mehr", sagt Karagiannidis gegenüber dem Tagesspiegel und bemüht die Definition der Weltgesundheitsorganisation. Die lautet: Ein milder Verlauf liegt dann vor, wenn eine infizierte Person keine Symptome hat oder symptomatisch ist, aber noch eigenständig oder mit Hilfe ambulant versorgt werden kann.

Doch was heißt "mild" überhaupt?

Wenn eine an Covid-19-erkrankte Person in ein Krankenhaus eingewiesen wird, verschlechtert sich laut WHO der Status dieser – auf moderat. Ein milder Verlauf liegt laut Definition also bis zu dem Zeitpunkt vor, wenn eine Person so schwere Symptome zeigt, dass sie stationär aufgenommen werden muss.

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Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die WHO-Definition für eigene klinische Klassifikationen adaptiert:

  • Asymptomatische Infektion: keine Symptome
  • Leichte/moderate Erkrankung: vielfältige Symptome ohne Anzeichen einer schweren Erkrankung (z.B.: Erkältungssymptome, Geschmacks-/Geruchsänderung, Durchfall)
  • Schwere Erkrankung: ab einer schweren Lungenentzündung
  • Kritische Erkrankung: Patient benötigt Beatmungsmaschine oder andere Art der Organunterstützung

Doch so leicht sei die Unterscheidung zwischen hospitalisierten und nicht-hospitalisierten Covid-Erkrankten keinesfalls, erklärt Sebastian Dolff, Leitender Oberarzt an der Klinik für Infektiologie der Universitätsmedizin Essen, gegenüber dem Tagesspiegel. In deutschen Krankenhäusern liegen durchaus Corona-Patienten mit einem milden Verlauf.

Teilweise werde eine Corona-Infektion erst im Krankenhaus festgestellt, weil die zu behandelnde Person wegen eines anderen Leidens eingeliefert wurde. Aber auch Risikopersonen werden trotz milden Verlaufs in Kliniken eingewiesen, um ihren Krankheitsverlauf besser zu überwachen. "Ich spreche daher lieber von unkomplizierten, komplizierten und kritischen Verläufen", sagt Dolff.

[Lesen Sie auch: "Hinweise auf mittelfristige Folgeschäden: Omikron ist milder – warum sind Ärzte dennoch besorgt?" (T+)]

In der Außenwahrnehmung ist "die Verwendung der Begriffe 'milder und milderer Verlauf' komplett durcheinandergeraten", erklärt Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters.

Die bisherigen Studiendaten zeigen zwar, dass eine Erkrankung mit der Omikron-Variante milder verläuft, aber nur im Vergleich zur Delta-Variante. Zu diesem Ergebnis kommen Studien unter anderem aus Südafrika – wo die Mutante zuerst nachgewiesen wurde – und den USA.

Omikron-Variante milder als Delta

Südafrikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass Personen, die an der Omikron-Variante erkrankt waren, mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit seltener in Krankenhäuser eingewiesen wurden.

Als Vergleich nahmen die Experten Daten von vorherigen Varianten. Personen, die mit Omikron hospitalisiert wurden, entwickelten laut der Studie in 70 Prozent der Fälle leichtere Krankheitsverläufe als bei Delta.

Eine Studie der Universität Berkeley in Kalifornien zeigt ähnliche Ergebnisse: Krankenhauseinweisungen seien mit Omikron um die Hälfte geringer als bei Delta. Auch die Dauer der Hospitalisierung nehme mit Omikron um 70 Prozent ab.

Das Risiko, an der Erkrankung zu sterben, sei bei Omikron um 91 Prozent reduziert. Beide Studien wurden noch nicht unabhängig überprüft. Daten der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA zeigen einen vergleichbaren Trend.

Lauterbach: Bevölkerungsstruktur in Deutschland anders

Doch in Deutschland könnten sich die Zahlen anders entwickeln: Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte erst kürzlich in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "The Pioneer", man könne die Studienergebnisse nicht eins zu eins auf Deutschland anwenden.

Die Bevölkerung hierzulande sei anders als in Südafrika weitaus älter, so der SPD-Politiker. Großbritannien habe wiederum den Vorteil, dass dort viele Risikogruppen – und dazu gehören ältere Personen – bereits geboostert seien.

In Deutschland sei der Anteil der Personen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, geringer als im Vereinigten Königreich. Man habe zu spät mit dem Boostern begonnen, resümiert der SPD-Politiker.

Die Gefahr ist laut Lauterbach, dass sich die Omikron-Variante, die zuerst vor allem bei jüngeren Personen in Deutschland auftrat, sich nun zunehmend unter den älteren und ungeimpften Bevölkerungsteilen verbreite. Ob es unter diesen Gruppen auch zu milderen Verläufen als bei Delta komme, sei noch nicht abzusehen.

"Was die Omikron-Welle betrifft, sehe ich einen entscheidenden Unterschied gegenüber der Delta-Welle", erklärt der Essener Oberarzt Sebastian Dolff. In der vergangenen Welle seien viele Patienten noch nicht geboostert gewesen. "Ein dreifacher Impfschutz schützt vor schweren Verläufen."

Zunahme an Therapiemöglichkeiten führt zu milderen Verläufen

Aber es gibt noch einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zur Bekämpfung der ersten Corona-Wellen, erläutert Daniel Drömann, Ärztlicher Leiter der Klinik für Lungenheilkunde am Uniklinikum Schleswig-Holstein, auf Tagesspiegel-Anfrage: Mittlerweile sei es möglich, Risikogruppen mittels Tabletten oder einer einmaligen Infusion mit neutralisierenden Antikörpern ambulant zu behandeln. So könnten Kapazitäten für schwere Verläufe freigehalten werden.

Die neuen Möglichkeiten in der Covid-19-Behandlung verschieben aber auch die Außenwahrnehmung: Ohne ambulante Therapie würden womöglich mehr Personen stationär aufgenommen und ihr Krankheitsstatus würde sich per WHO-Definition von mild zu moderat verschieben.

"Momentan stagnieren die Patientenzahlen auf unseren Intensivstationen", sagt Drömann. Auch auf den Normalstationen sei noch keine Zunahme an Patienten zu verzeichnen. Als Grund nennt er, dass die Omikron-Welle in Lübeck und ganz Schleswig-Holstein zuerst die jüngere Bevölkerungsgruppe erreicht habe.

Es herrscht Verwirrung um den Begriff "mild"

"Wie mild oder schwer die Omikron-Variante letztendlich bei uns verlaufen wird, können wir jetzt noch nicht sagen", erklärt Drömann. "Genaueres wissen wir erst im Nachhinein." Aber: "Kein Mediziner wird leichtsinnig von einem 'milden Verlauf' bei Omikron sprechen."

[Lesen Sie auch: "Der lange Schatten einer Corona-Infektion: Müssen Omikron-Infizierte mit mehr Langzeitfolgen rechnen?" (T+)]

"Ein milder Verlauf klingt für uns alle immer etwas zu harmlos", sagt DIVI-Experte Karagiannidis. Dabei sei er das ganz und gar nicht. Die Vielzahl an Personen, die trotz schwerer Symptome nicht ins Krankenhaus gingen und daher nicht als solche erfasst würden, würden vollkommen außer Acht gelassen.

Auch haben verschiedene Gesprächspartner zu dieser Recherche gegenüber dem Tagesspiegel von behandelten Personen und Bekannten berichtet, die auch ohne Krankenhauseinweisungen nun an Langzeitfolgen leiden.

Milder Covid-19-Verlauf schützt nicht vor Langzeitschäden

"Ich habe genug Patienten gesehen, deren Lungen-CT selbst Monate nach überstandener Covid-Erkrankung deutliche Veränderungen aufgewiesen hat", sagt der wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters und des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim. Daher sei der Begriff "milder Verlauf" auch so schwer zu definieren.

Mehrere Studien bestätigen Karagiannidis in seiner Beobachtung von Langzeitfolgen bei vermeintlich milden Verläufen. Eine Studie aus Japan habe selbst bei Erkrankten, die nicht ins Krankenhaus eingeliefert wurden, schwerwiegende Schäden im Gehirn festgestellt. Eine Oxford-Studie berichtet von Gedächtnisverlust und verminderter Aufmerksamkeitsspanne – auch sechs bis neuen Monate nach einem milden Covid-19-Verlauf.

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Forschende am Uniklinikum Eppendorf haben Personen untersucht, die nur einen vergleichsweise milden Covid-19-Verlauf durchgemacht haben. Keine der Studienteilnehmenden wurden intensivmedizinisch behandelt und nur sieben Prozent der Studienteilnehmenden wurden hospitalisiert.

Trotzdem zeigte sich bei ihnen laut Studie im Unterschied zu einer Vergleichsgruppe von Nichtinfizierten ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen. Auch das Herz habe um ein bis zwei Prozent weniger Blut gepumpt. Das könne auf Schäden an Herz, Lunge und Nieren hindeuten.

"Die Erkenntnis, dass selbst ein milder Krankheitsverlauf mittelfristig zur Schädigung diverser Organe führen kann, hat höchste Bedeutsamkeit gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Omikron-Variante, die mehrheitlich mit milderen Symptomen einherzugehen scheint", schreiben die Autoren der Studie.

Einer Studie der Universitätsmedizin Mainz zufolge leiden etwa 40 Prozent aller Corona-Infizierten an Langzeitfolgen, auch Long-Covid genannt. Frauen seien davon stärker betroffen als Männer.

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