Die Folgen des Anwerbeabkommens: „Ich musste in einen Sprachkurs, weil ich kaum Türkisch konnte“
60 Jahre nach Anwerbeabkommen sind die Folgen für die türkische Diaspora aktuell. Sie sollen integriert sein in Deutschland – und loyal gegenüber der Türkei.
Der Sänger Tarkan Tevetoglu, der Regierungsberater Fahrettin Altun und der Fußball-Manager Halit Altintop sind sehr verschiedene Leute. Der erste wird von Millionen Türken als Pop-Superstar angehimmelt, der zweite ist einer der einflussreichsten Männer im engsten Kreis um Präsident Recep Tayyip Erdogan, der dritte ist Teamchef der türkischen Nationalmannschaft. Doch bei allen Unterschieden verbindet die drei Männer eines: ihre Geburt in Deutschland.
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Wie die Biographien von Millionen anderer Türken sind die Lebensläufe des Popstars, des Präsidentensprechers und des Fußballers untrennbar mit der türkischen Massenmigration in die Bundesrepublik verbunden, die mit dem Anwerbeabkommen von 1961 begann. Das Anwerbeabkommen wurde am 30. Oktober 1961 in Bad Godesberg unterzeichnet, doch schon jetzt wird an den Vertrag erinnert. Am Dienstag hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens eine Rede bei einem Festakt der Türkischen Gemeinde in Deutschland.
Türken haben eine familiäre Verbindung zu Deutschland
Ob Handwerker, Taxifahrer oder Wissenschaftler: Wenn Türken mit deutschen Gästen ins Gespräch kommen, erzählen sie häufig von Verwandten oder Freunden, die in Deutschland leben und arbeiten. Andere verbrachten ihre Kindheit in Deutschland und zogen mit ihren Eltern in den 1980er Jahren in die Türkei, als die Bundesrepublik heimkehrwilligen Türken eine Rückkehrprämie anbot.
„Ich musste in einen Sprachkurs, weil ich kaum Türkisch konnte“, erinnert sich ein Akademiker, der damals mit seiner Familie nach Istanbul kam. Weil Deutschland ein viel reicheres Land ist als die Türkei, wünschen sich manche, ihre Eltern hätten sich damals gegen eine Rückkehr entschieden. Nach dem Anwerbestopp von 1973 wurde es für Türken viel schwerer, nach Deutschland zu ziehen.
An der türkische Diaspora klebt in beiden Ländern ein negatives Bild
Das Abkommen veränderte nicht nur das Leben von Millionen Menschen. Das Image der Türken in Deutschland wird bis heute durch den Eindruck mitbestimmt, der sich bei Ankunft der ersten Generation der türkischen Arbeiter in den frühen 1960er Jahren festsetzte. Viele der „Gurbetçiler“, wie die Auslandstürken in der Türkei genannt werden, stammten aus armen Gegenden am Schwarzen Meer oder anderen Regionen und prägten in der Bundesrepublik das Bild von den konservativen und oft auch rückständigen Türken.
In der Türkei selbst ist das vielen peinlich, denn sie sehen ihr eigenes Land ganz anders. In der Türkei haben die „Gurbetçiler“ keinen viel besseren Ruf als in Deutschland. In Witzen erscheinen sie als neureiche Angeber, die in den Ferien in ihrem anatolischen Dorf mit deutschen Luxuskarossen protzen.
Die türkische Regierung hat eine eigene Abteilung für Auslandstürken
Dennoch werden die Auslandstürken bis heute als Teil der türkischen Nation betrachtet, auch wenn jeder zweite der etwa drei Millionen türkischstämmigen Bewohner Deutschlands inzwischen einen deutschen Pass hat. Die türkische Regierung schickt türkische Imame nach Deutschland, die sich dort um die Seelsorge der Türken kümmern sollen und denen in den vergangenen Jahren vorgeworfen wurde, Propaganda für die Erdogan-Regierung zu verbreiten. Seit dem Jahr 2010 kümmert sich eine eigene Regierungsabteilung in Ankara – das Direktorat für Auslandstürken (YTB) – um die türkische Diaspora in Deutschland und anderen Staaten.
Die türkische Regierung will erreichen, dass sich die Auslandstürken in den europäischen Ländern möglichst gut integrieren und sich auch politisch engagieren – dabei aber die Loyalität zur Türkei bewahren. So sagte YTB-Direktor Abdullah Eren kürzlich, die Türken in Deutschland sollten offensiver das Recht auf türkischen Sprachunterricht in der Bundesrepublik einfordern. Schließlich gebe es 800.000 türkischstämmige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland, sagte Eren. Ankara will verhindern, dass die neue Generation ohne Türkischkenntnisse aufwächst. Auch 60 Jahre nach dem Abschluss des Anwerbeabkommens sind die Folgen des Vertrages hochaktuell.
Susanne Güsten
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