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Sebastian Wrong wurde 1971 in London geboren und hat an der Kunstakademie der Norwich School of Art sowie der Camberwell School of Art studiert.
© Promo

Interview mit Sebastian Wrong: "Ich mag Dinge am äußersten Rand des Spektrums"

Der Brite Sebastian Wrong ist ein Multitalent mit einer Vorliebe für Extreme. Sein neues Label sorgt für Erleuchtung.

Designer, Macher, Problemlöser, Unternehmer und leidenschaftlicher Erzähler: Der Brite Sebastian Wrong hat viele Talente. Dabei auch ein gutes Näschen für das Designtalent anderer Menschen – und er bietet erstklassigen Kollegen gerne eine Plattform an. Seine letzte Heldentat: der Start der eigenen Leuchtenmarke wrong.london. Hat der Name an sich schon einen etwas doppeldeutigen Klang, so ist das in Post-Brexit-Zeiten natürlich nicht besser geworden. Das konnte der Gründer Sebastian Wrong (1971 in London geboren) aber nicht wissen. Schließlich hatte er sein Label im April auf der Möbelmesse in Mailand erstmals vorgestellt.

Seine eigene Designkarriere begann Wrong mit einer Leuchte, der „Spun Light“, die 2003 von Flos auf den Markt gebracht wurde. Nach vielen spannenden Umwegen kehrt er nun zurück zu seiner ersten Designliebe – der Beleuchtung. Er wurde zu diesem Entschluss auch von Rolf Hay, dem Mann hinter der dänischen Designmarke Hay, inspiriert. Und ermutigt. Der deutsche Designer Stefan Diez brachte Wrong mit dem Unternehmerehepaar Mette und Rolf Hay in Kontakt. Sie trafen sich bei einer Tasse Kaffee in Kopenhagen und beschlossen, gemeinsam in See zu stechen.

Ursprünglich war geplant, Wrong solle sich nur auf Beleuchtung konzentrieren. Aber der Brite ging die Sache spontan breiter an. 2013, während der London Design Week, erntete er viel Beifall für „Wrong for Hay“, eine eklektische Sammlung von Möbeln, Accessoires und Leuchten, die unter seiner künstlerischen Leitung als Sub-Label von Hay entstand. Die skandinavisch-britische Partnerschaft klappte hervorragend, nur Außenstehende waren von den verschiedenen Labels etwas verwirrt. Drei Jahre später fiel daher die Entscheidung für eine Neuausrichtung und eine eigene Beleuchtungsmarke.

Herr Wrong, Sie sind auf vielen Märkten zu Hause und haben eine vielfältige Laufbahn hinter sich, unter anderem als einer der Mitgründer des exzentrischen britischen Labels Established & Sons, das Sie 2012 verließen. Fühlen Sie sich gut dabei, ausschließlich Beleuchtung zu entwerfen? Ist das für jemanden wie Sie spannend genug?
Ganz sicher. Beleuchtung bietet momentan viele Chancen, um spannende Dinge zu tun – auf den Gebieten Technologie, Materialien und Betriebsstruktur. Es ist hier im Vergleich zu anderen Sektoren noch genug Raum für Forschung, Neuerungen und weniger Wettbewerb. Ich finde es wichtig für mich selbst, fokussiert und spezialisiert zu arbeiten.

Früher waren Sie Bildhauer, doch dann wagten Sie den Sprung in die Designwelt und entwarfen eine Lampe. Wie kamen Sie dazu?
Das kam vor allem durch mein großes Interesse am Herstellen von Dingen. Irgendwann stand ich vor der Entscheidung: Entweder bleibe ich Bildhauer oder ich schlage eine mehr handwerkliche Richtung ein als Macher. Ich war schon immer von Materialien und Produktionsprozessen fasziniert. Ich hatte mich auf Metall- und Bronzegießen spezialisiert, als der Künstler Ian Middleton mich bat, in seinem Atelier in Dorset bei einer Bronzegießerei zu helfen. Ich baute Schmelzöfen aus Ölfässern, hantierte mit großen Gasflaschen. Da waren viel Feuer und Kraft im Spiel. Es war faszinierend zu entdecken, dass man auch ganz nach der Do-it-yourself-Devise gute Ergebnisse erzielen kann. Eine spannende Erfahrung. Zunächst war ich ausschließlich mit Bildhauerei beschäftigt. Eines Tages erfuhr ich von meiner Schwester, die für einen Londoner Innenarchitekten arbeitete, dass er Türklinken aus Bronze für einen seiner Kunden brauchte. Er fragte, ob ich welche nach Maß liefern könne. Das war mein erster konkreter Schritt von konzeptioneller Arbeit zu funktionalem Design.

Der nächste Schritt war der Entwurf einer Lampe für den renommierten italienischen Hersteller Flos?
Flos kommt etwas später ins Spiel. Erst gab es da noch einen amerikanischen Kunden, der zu mir kam und mich fragte, ob ich für seine Wohnung Kopien eines antiken bronzenen Kandelabers, der aus kleinen Jagdhörnern zusammengesetzt war, herstellen könnte. Das war ganz nach meinem Geschmack. Ich spürte einen traditionellen Hornbauer irgendwo in einem verlorenen Nest in Norfolk auf. Dieser Mann war ein Meister. Er baute Trompeten, Posaunen und Tubas. Extreme Präzisionsarbeit, denn der Ton muss stimmen. In seinem Atelier verliebte ich mich in die massiven Stahlformen und Gerätschaften für die Instrumente. So entstand die Idee, einen Lampenfuß angelehnt an genau diese schöne Form zu machen. Mir war nicht klar, dass diese Hornform schon bei Designklassikern verwendet wurde. Ich hatte damals überhaupt noch keine Ahnung von Design. Ich fertigte die Lampe in meiner Werkstatt, und als ich sie auf der "100 % Design" in London vorstellte, bekam ich überraschend viele Rückmeldungen. Dann kam das Angebot, meine Arbeit auf dem "Salone Satellite" für junge Designtalente in Mailand vorzustellen. Das war im April 2002. Erst als ich wieder zu Hause war, bekam ich dann einen Anruf von Flos. Und 2003 kam die „Spun Light“ auf den Markt.

Ein bildender Künstler, der sich für Design entscheidet: Sie waren von nun an ein wenig wie ein weißer Rabe.
Was mir sehr gut gefällt, ist die inhärente Demokratie und Fairness des Designs. Der wirkliche Wert, der reale Erfolg eines Produktes wird vom Kunden bestimmt. Er entscheidet am Ende, wie etwas funktioniert, was es kostet und wie es auszusehen hat. Immer mehr Menschen merken das heute. Vor zehn Jahren war das noch ganz anders. Außerdem gab es noch einen anderen Grund, weshalb ich Designer geworden bin. 2003 kam mein erstes Kind zur Welt. Da wurde mir klar: Ich muss realistisch bleiben und für den Lebensunterhalt meiner Familie sorgen. Der Traum von einem Künstlerdasein war keine verantwortungsvolle Option.

Kurz darauf, im Jahr 2004, haben Sie Established & Sons mitbegründet, ein neues britisches Designlabel, das Furore machte. Das brachte Sie in engen Kontakt mit der kürzlich verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid. Wie kam es dazu?
Ich führte zusammen mit einem Künstler die kleine Galerie "The Lane" in London. Irgendwann haben wir mit Alasdhair Willis (ehemaliger Verleger des "Wallpaper Magazine" und Ehemann von Stella McCartney, Anm. d. Red.) Established & Sons gegründet. Das geschah mit Unterstützung des indischen Geschäftsmanns Angad Paul, der vergangenes Jahr im Oktober tragischerweise verstarb. Er war gerade mal 45 Jahre alt. Ohne ihn hätten wir niemals ein eigenes Designlabel gründen können. Alasdhair brachte Zaha Hadid mit an Bord. Ihr Aqua-Tisch mit drei flossenartigen Füßen und einer flüssigen Tischplatte war ein Meilenstein. 2006 bei einer Auktion in New York wurde der Prototyp für 296 000 US-Dollar verkauft. Ich habe alle meine ersten Stücke für die E&S-Kollektion in meinem Maßarbeitsbetrieb selbst gefertigt. Auch den Aqua-Tisch von Zaha Hadid. Sie war eine sehr fesselnde, witzige und charismatische Persönlichkeit. Es ist fürchterlich traurig, dass sie nun nicht mehr unter uns ist.

2012 verließen Sie Established & Sons. Was geschah damals?
Ich hatte schon ein anderes Projekt begonnen, The Wrong Shop. Ich hatte die Idee 2011 auf dem Designevent "Qubique" in Berlin-Tempelhof vorgestellt. Ich wollte mir selber eine Chance geben und mal mit Außenseitern arbeiten. Es gibt so viele Dinge, die ich wirklich gut finde, die aber niemals bei konventionellen Designmarken unterschlüpfen können. Entweder sind sie zu experimentell oder zu kompliziert in puncto Produktion. Ich wollte dieses "Design für Designer" gerne in kleinen Serien zugänglich machen.

In den Labels und Kollektionen, die Sie als Artdirektor betreuen, gibt es sowohl streng minimalistische Objekte als auch ausgelassene Drucke. Sie scheinen eine besondere Vorliebe für die Extreme zu hegen.
Ich wollte schon immer eine möglichst breite, eklektische Auswahl anbieten. Auch die Dinge, die am äußersten Rand des Spektrums liegen. Dann allerdings nur unter der Bedingung, dass sie handwerklich gut gemacht sind und eine starke Geschichte dahintersteckt. Bei jedem unserer Produkte spielt die Herkunft eine wesentliche Rolle. Die neue verstellbare Lampe des Franzosen Pierre Charpin für wrong.london ist ein präzises und verfeinertes Ingenieurprodukt mit unsichtbaren Gasfedern. Dem gegenüber steht eine extrem einfache Tischlampe mit einem bunten Lampenschirm aus Vlisco-Stoff. Beide sind gleich wichtig. Vlisco ist ein traditionsreiches niederländisches Textilunternehmen von 1865. Die heftigen afrikanischen Muster gehen zurück auf die alten niederländischen Handelsrouten. Die Holländer brachten Batikstoffe aus Indonesien mit. Auf ihrer Rückreise machten sie halt in Westafrika, wo sie diese Stoffe tauschten. Vlisco verkauft sie immer noch in Afrika. Der Betrieb hat eine reiche Geschichte. Bei unserer Zusammenarbeit geht es also nicht nur um die schönen Farben und Muster, sondern auch um diese Geschichten. Alles, was wir bei wrong.london herstellen, geht auf eine reiche Designkultur zurück. Die wollen wir unbedingt weitergeben. Daher ist es uns wichtig zu erzählen, woher die Dinge kommen: von den Menschen, die sie gefertigt haben, den Betrieben, ihren Geschichten. Wenn man sich bemüht, diese Geschichten gut zu erzählen, lernen die Menschen viel besser, echte Qualität und Integrität der Produkte
zu erkennen.

Welche Lehren ziehen Sie noch aus den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre?
Vor zehn Jahren steckten wir alle in einer Art kollektivem Traum. Viele meiner Fachkollegen vernachlässigten ihre Verantwortung als Designer. Sie hatten die naive Vorstellung, ihr Name sei genug, um ein Produkt zu verkaufen.
Das stimmt natürlich nicht, das wissen wir heute. Kaum jemand interessiert sich für diese Namen. Wir sollten auch von der Idee Abschied nehmen, jedes Jahr neue Produkte liefern zu müssen. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unproduktiv. Man hat endlos viele Ideen und Konzepte statt relevanter, echter Produkte. Design braucht Zeit, die müssen wir uns nehmen. Und nicht per se ein Luxuslabel sein wollen. Die meisten erfolgreichen Designluxusmarken haben immer mit einem großen Dilemma gerungen: Die Menschen, die ihre Produkte liebten, konnten sie kaum bezahlen. Und diejenigen, die sie bezahlen konnten, verstanden sie oft nicht oder waren nicht interessiert. Das ist doch verkehrt. Ich möchte das wieder geraderücken.

Aus dem Niederländischen von Rolf Brockschmidt

Chris Meplon

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