Briten demonstrieren für zweites Brexit-Referendum: Hunderttausende bei Protestzug in London
Die Veranstalter von der Kampagne "People's Vote" wollen mit einem zweiten Referendum erreichen, dass der EU-Austritt Großbritanniens doch noch verhindert wird.
In London hat am Samstag eine Großdemonstration für ein zweites Brexit-Referendum begonnen. Gegner des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union versammelten sich am Mittag am Hyde Park in der britischen Hauptstadt.
Laut Informationen der britischen BBC sammeln sich aktuell Hunderttausende Demonstranten. Die Veranstalter rechneten mit bis zu 700 000 Teilnehmern.
Bereits über vier Millionen Menschen unterzeichneten eine Online-Petition gegen den EU-Austritt. Medienberichten zufolge fordern immer mehr Abgeordnete des Unterhauses den Rücktritt der Premierministerin. Beobachter rechnen mit einer der größten Demonstrationen in London seit Jahren.
Die Veranstalter von der Kampagne "People's Vote" (Volksabstimmung) wollen mit einem zweiten Referendum erreichen, dass der EU-Austritt Großbritanniens doch noch verhindert wird. An einer ähnlichen Demonstration im Oktober hatten sich mehr als eine halbe Million Menschen beteiligt.
Bei der Abschlusskundgebung vor dem Parlament wollen unter anderen Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon, Londons Bürgermeister Sadiq Khan und der stellvertretende Labour-Chef Tom Watson vor den Demonstranten sprechen.
„Ich marschiere gemeinsam mit Menschen aus jedem Winkel unseres Landes“, teilte der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Er gehört der oppositionellen Labour-Partei an. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon betonte, sie sei stolz, bei dem Protest dabei sein zu dürfen. An der Demonstration geht auch ein Rosenmontagswagen des Düsseldorfer Künstlers Jacques Tilly an den Start. Der Motivwagen zeigt May, die mit einer langen Lügennase die britische Wirtschaft aufspießt.
"Der Brexit ist ein völliges und heilloses Chaos", erklärte Khan am Vorabend der Demonstration. Er werde darum zusammen mit Menschen aus allen Landesteilen und allen Gesellschaftsschichten auf die Straße gehen und fordern, "dass das britische Volk das letzte Wort hat".
An der Demonstration nehmen auch Politiker der Grünen teil, darunter der Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold.
Anti-Brexit-Protest auf andere Art: Bereits mehr als vier Millionen Menschen unterzeichneten bis Samstag eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Zeitweise war die Webseite wegen des Ansturms lahm gelegt. Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit über 100 000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen. „Die Regierung behauptet immer wieder, der Austritt aus der EU wäre der „Wille des Volkes““, heißt es im Petitionstext. Dem müsse ein Ende bereitet werden, indem die Stärke der öffentlichen Unterstützung für einen Verbleib deutlich gemacht werde.
Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit mehr als 100 000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen.
Britische Medien berichteten, dass der Druck auf May im Brexit-Streit immer größer wird. Viele Abgeordnete fordern demnach bereits ihren Rücktritt und bezeichnen die kommenden Tage als Mays Schicksalswoche. Aber auch die Premierministerin übt erheblichen Druck auf die Abgeordneten aus.
In einem Brief an die Parlamentarier schrieb sie, dass sie möglicherweise doch nicht mehr zum dritten Mal über das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen abstimmen könnten. Bei zwei früheren Abstimmungen war die Regierungschefin mit dem Deal durchgefallen. Der dritte Anlauf ist eigentlich für nächste Woche geplant.
Sie würde den Deal nur dann wieder zur Abstimmung vorlegen, falls sich eine ausreichende Unterstützung abzeichne, stellte May klar. Ansonsten müsse Großbritannien in Brüssel um einen weiteren Aufschub bitten, was aber eine Teilnahme an der Europawahl bedeuten würde.
Zuvor hatte die nordirische Partei DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung seit einer verpatzten Neuwahl angewiesen ist, angedeutet, das Abkommen weiterhin nicht zu unterstützen.
Britische Medien stufen die Chancen auf Zustimmung zum Deal gering ein. Auch die EU-Staats- und Regierungschefs sehen offenbar schwarz.
Die EU und May hatten sich in der Nacht zum vergangenen Freitag auf eine Verschiebung des EU-Austritts bis mindestens 12. April geeinigt. Der Plan: Stimmt das Unterhaus dem Abkommen nächste Woche zu, soll der Austritt am 22. Mai geregelt über die Bühne gehen. Gelingt das nicht, erwartet die EU von London vor dem 12. April neue Vorschläge. Ursprünglich wollte Großbritannien die Europäische Union schon am kommenden Freitag (29. März) verlassen.
Im Juni 2016 hatte sich eine knappe Mehrheit von 51,9 Prozent der Briten für den Brexit ausgesprochen. Eigentlich sollte die Frist bis zum Austritt am 29. März auslaufen. Angesichts des anhaltenden Streits über den Brexit-Kurs Großbritanniens soll diese Frist aber verlängert werden. (AFP/dpa/tsp)