Rechtsextremismus: Hunderte gesuchte Nazis auf freiem Fuß
Bundesweit werden 467 Rechtsextreme per Haftbefehl gesucht. Doch die Sicherheitsbehörden können sie einem Bericht zufolge nicht finden.
Hunderte Rechtsextremisten sind bundesweit auf freiem Fuß, obwohl Haftbefehle gegen sie vorliegen. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor, über die zuerst die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet hatte. Demnach wurde Ende September nach 467 Rechtsextremisten per Haftbefehl gefahndet, ohne dass die Sicherheitsbehörden die Beschuldigten auffinden konnten. Nur 108 von ihnen wurden allerdings wegen politisch motivierter Delikte gesucht.
Die Gesamtzahl aller nicht vollstreckten Haftbefehle in Deutschland ist nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) allerdings erheblich höher - sie liegt demnach bei rund 175 000. Dies sei „ein besorgniserregendes Alarmsignal für die Durchsetzung des Rechts hierzulande“. GdP-Vizechef Jörg Radek sagte, bei den 467 gesuchten Rechtsextremisten handle es sich angesichts der großen Gesamtmenge zwar um eine „relativ kleine Zahl“, der Rechtsstaat müsse aber gerade bei Neonazi-Tätern auch das Ansehen Deutschlands im Ausland bedenken.
Nach einem deutlichen Anstieg zwischen 2014 und 2016 hat sich die Zahl der per Haftbefehl gesuchten Rechtsextremisten nur geringfügig verändert. Im September 2017 wurden 501 derartige Fälle registriert, bis zum März dieses Jahres war die Zahl vorübergehend auf 457 gesunken.
„Die Sicherheitsbehörden müssen sich endlich einmal etwas einfallen lassen, um der flüchtigen Nazis schneller habhaft zu werden“, forderte Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke. Es sei beunruhigend, „dass es einer dreistelligen Zahl von Neonazis gelingt, sich seit 2017 und teilweise sogar noch länger der Festnahme zu entziehen“.
Bei fast jedem Vierten handelt es sich um einen bekannten Gewalttäter. 110 der 467 gesuchten Rechtsextremisten sind bei den Sicherheitsbehörden als „gewalttätig“ verzeichnet, nach 99 Neonazis wurde ausdrücklich wegen Gewaltdelikten gefahndet. Jelpke bezeichnete die Zahlen als „alarmierendes Zeichen dafür, dass die Naziszene gewalttätig und kriminell ist und bleibt“. Was die Statistik auch zeigt: Von den wegen Gewaltdelikten gesuchten Rechtsextremisten sind lediglich zwei Personen in der einschlägige „Gewalttäterdatei rechts“ verzeichnet.
Einige der gesuchten Rechtsextremisten haben sich inzwischen ins Ausland abgesetzt. Von den Neonazis, gegen die seit mehr als einem halben Jahr ein Haftbefehl vorliegt, haben nach Angaben des Innenministeriums 29 das Land verlassen. Die meisten halten sich demnach in Österreich, Polen, Tschechien und Italien auf. Bei der Frage, ob die Gesuchten aktiv untergetaucht seien, hält sich das Ministeriums jedoch bedeckt: „Ob sich Personen, deren Aufenthaltsort durch die datenbesitzenden Stellen als „unbekannt“ bewertet wurde, bewusst der Vollstreckung eines Haftbefehls entziehen, kann häufig erst nach Auffinden der Personen fundiert eingeschätzt werden.“ (dpa)