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Mit Fotos sucht das "Zentrum für politische Schönheit" auf der Internetseite "Soko Chemnitz" nach Teilnehmern rechter Demonstrationen.
© FOTO/SCREENSHOT: SOKO CHEMNITZ / TSP
Update

Vor Reichstag in Berlin: Zentrum für Politische Schönheit: Neonazis beim Chef denunzieren

Sie hoben Gräber vorm Reichstag aus, bauten das Holocaust-Mahnmal für AfD-Mann Höcke. Nun will die "Soko Chemnitz" Neonazis bei Arbeitgebern anschwärzen.

Das "Zentrum für Politische Schönheit" hat eine neue Aktion in Berlin gestartet. Und die dürfte neue Debatten darüber auslösen, was Kunst darf und was nicht. Denn jetzt betreibt die Aktivistengruppe ganz offen Denunziation und bildet Teilnehmer von rechten Demonstrationen ab. "Ein Jahr nach dem Holocaust-Mahnmal vor dem Haus von AfD-Fraktionschef Björn Höcke ist es soweit: Wir haben etwas zur Aufklärung von Chemnitz beizutragen!", heißt es in einer Stellungnahme der Gruppe.

Am Montag stellte die Gruppe eine Installation vor dem Reichstag auf. Auf der am Morgen freigeschalteten Internetseite „Soko Chemnitz“ rufen die Aktivisten dazu auf, Teilnehmer rechter Demonstrationen in Chemnitz zu identifizieren und zu melden. Zu Bildern von Demonstrationsteilnehmern heißt es: „Gesucht: Wo arbeiten diese Idioten.“ Die Gruppe ruft zudem auf: „Arbeitgeber positioniert Euch. Unternehmen zeigen Haltung. Standortfaktor Menschlichkeit.“

Das „Zentrum für politische Schönheit“ erklärt, die „Soko Chemnitz“ biete Unternehmen die Gelegenheit, „Haltung zu zeigen und sich darüber zu informieren, ob die eigenen Angestellten an den Ausschreitungen von Chemnitz beteiligt waren“. Jedes Unternehmen könne an einem positiven Bild der Region mitarbeiten. Das Grundgesetz werde auch von der deutschen Wirtschaft geschützt und Eigentum verpflichte.

Tausende Arbeitnehmer oder Staatsdiener hätten Ausländer durch Chemnitz gejagt, die Presse attackiert und Hitler gegrüßt, heißt es auf der Internetseite. Deshalb habe die selbsternannte Soko drei Millionen Bilder von 7.000 Verdächtigen ausgewertet. Das Ziel sei es, „den Rechtsextremismus 2018 systematisch erfassen, identifizieren und unschädlich machen.“  Schließlich folgt der Aufruf: „Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld. Helfen Sie uns, die entsprechenden Problemdeutschen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst zu entfernen.“ Für sachdienliche Hinweise wird auch eine Telefonnummer angeben – die der Polizei in Chemnitz.

Mehrere Fotos von Teilnehmern der rechten Demonstrationen und Ausschreitungen  werden auf der Seite als „Katalog der Gesinnungskranken“ bezeichnet: „Wir stellen vor: 1.524 Drückeberger vor der Demokratie. Sagen Sie’s ihrem Chef.“ Gezeigt werden bereits identifizierte Teilnehmer, zu den Hinweise möglich sind. Sie werden als „Teil der Fahnenflüchtigen von Chemnitz“ bezeichnet, gesucht wegen „Verdacht auf unerlaubte Entfernung von der Demokratie“. Zugleich gibt es Belohnungen für Hinweise auf Teilnehmer, die User selbst aufstocken können.

Service für Unternehmen: Kündigungen für Hitler-Bewunderer

Teilnehmer können sich auch selbst identifizieren und eine Erklärung abgeben: „Ich möchte zurück in die Bundesrepublik. Ich bereue das und bin mir bewusst, dass meine Anwesenheit zum Bild eines hasserfüllten, neofaschistischen, gewalttätigen und völkisch-rassistischen Deutschland beigetragen hat. Ich habe damit das Ansehen meines Vaterlandes vor den Augen der Welt beleidigt.“

Zugleich wird Unternehmen ein besondere Service angeboten. „Sie wollen jemanden damit beauftragen, einen antidemokratischen Feigling aus Ihrem Unternehmen zu werfen? Stellen Sie einfach eine Vollmacht zur gerichtsfesten Entlassung aus“, heißt es auf der Internetseite. Zudem gibt es Musterschreiben für eine „wasserdichte Kündigung für einen Hitler-Bewunderer“. Zudem können Unternehmen ihre Bewerber durch die „Soko Chemnitz“ prüfen lassen, ob sie bei den Ausschreitungen dabei waren.

Die Aktivisten waren auch in Berlin schon aufgefallen: Kurz vor dem 25-Jährigen Jubiläum des Mauerfalls im Herbst 2014 hatte das "Zentrum für politische Schönheit" sieben Gedenkkreuze am Reichstagsufer gestohlen. Im Sommer 2015 hatten die Aktivisten 100 Gräber vor dem Reichstag ausgehoben, um gegen die EU-Flüchtlingspolitik zu demonstrieren. Für den AfD-Politiker Björn Höcke stellten die Aktivisten in dessen Heimatdorf ein nachgebautes Holocaust-Mahnmal auf.

Zu der neuen geplanten Aktion am 3. Dezember hatte die Gruppe in der vergangenen Woche angekündigt: "An der Deutung der Ausschreitungen wäre die Bundesregierung beinahe zerbrochen. Unter gewaltbereiten Rechtsextremen gelten die Ereignisse als Lehrstück nach dem Motto 'Die tun uns eh nichts.' Die sächsische Landesregierung leugnete und verharmloste die Angriffe auf Flüchtlinge, Journalisten, Pressefotografen und jüdische wie arabische Restaurants. Und auch die Turbomobilisierung von AfD, Pegida, Hooligans und Neonazis ist weder aufgearbeitet oder erklärt. Nach Holocaust-Mahnmal Bornhagen, Die Toten kommen und Flüchtlinge fressen startet das Zentrum für Politische Schönheit am nächsten Montag seine neue Aktion." (Tsp)

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