Pariser Musterschüler: Hollande will alles richtig machen
Hollandes Regierung soll Vorbild sein: Die eigenen Gehälter werden um 30 Prozent gekürzt, die Hälfte aller Posten mit Frauen besetzt.
Frankreichs neue Regierung soll nach dem Willen von Präsident Francois Hollande ein Vorbild sein. Gleich in der ersten Sitzung des Ministerrats unter seinem Vorsitz legte Premierminister Jean-Marc Ayrault am Donnerstag den Regierungsmitgliedern eine Charta zum Berufsethos von Ministern zur Unterschrift vor. Mit der verpflichten sie sich, Interessenkonflikte und Ämterhäufungen zu vermeiden und auf jede andere berufliche Tätigkeit zu verzichten. Als erster konkreter Beschluss stand zudem ein Dekret auf der Tagesordnung, das eine Kürzung der Ministergehälter um 30 Prozent vorsieht. Der sozialistische Präsident hatte diese in Zeiten der Krise symbolträchtige Sparmaßnahme im Wahlkampf angekündigt.
Auch Hollandes Bezüge sind betroffen. Die monatlichen Bezüge des Präsidenten, die Vorgänger Nicolas Sarkozy 2007 von 7084 Euro netto auf 19 331 Euro bei voller Übernahme aller übrigen Kosten durch den Staat erhöht hatte, werden damit auf 13 532 Euro sinken. Für Hollande ist es kein Verlust. Als Abgeordneter verdiente er bisher 6 500 Euro im Monat.
Die 34 Minister hatten am Morgen ihre Ämter übernommen, nachdem die neue Regierung am späten Mittwochnachmittag vom Generalsekretär des Elysée-Palastes bekannt gegeben worden war. Mit der Zusammensetzung des neuen Kabinetts macht Hollande ein anderes Versprechen aus dem Wahlkampf wahr: Zum ersten Mal in der Geschichte Frankreichs wurde mit der Berufung von je 17 Frauen und 17 Männern der Grundsatz der Parität der Geschlechter an der Spitze des Staates verwirklicht. Ein weiteres Merkmal ist die Stärkung der Vielfalt der ethnischen Herkunft der Minister, die Aufnahme neuer junger Gesichter in die Regierung sowie der Ausgleich zwischen den verschiedenen Flügeln der Partei. Zwei Vertreter der Ökologen gehören ihr an, aber keine Kommunisten.
Rein zahlenmäßig hat der Anteil der Frauen im Kabinett zwar ein größeres Gewicht als das der Frauen, die Sarkozy 2007 in seine erste Regierung holte. Doch auch in Hollandes Regierung fällt dem männlichen Teil die gewichtigere Rolle zu. Schlüsselposten wie das Außenministerium, das mit dem früheren Premierminister Laurent Fabius besetzt wurde, das Innenministerium, das Manuel Valls, Hollandes Kommunikationsdirektor im Wahlkampf, zufiel, das Wirtschafts- und Finanzministerium, in das sein Wahlkampfdirektor Pierre Moscovici einzieht, oder das Verteidigungsministerium, das Hollandes langjähriger Vertrauter Jean-Yves Le Drian übernahm, bleiben Männerdomänen.
Eine Ausnahme unter den großen Ressorts ist das Justizministerium, an dessen Spitze Christiane Taubira trat. Die farbige Ex-Abgeordnete aus Französisch-Guyana stärkt den anderen von Hollande versprochenen Grundsatz der Diversität ethnischer Herkunft im Kabinett. Sie hatte sich 2002 den Vorwurf eingeholt, durch ihre Kandidatur zur Präsidentenwahl mit ihrem Anteil von 2,2 Prozent der Stimmen dafür gesorgt zu haben, dass der damalige sozialistische Premierminister Lionel Jospin den Einzug in die Stichwahl verfehlte. Das ist ihr inzwischen verziehen. Einen Namen hat sich die streitbare Linke mit dem Gesetz gemacht, das die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit brandmarkt.
Zu den neuen Gesichtern zählt Najat Vallaud-Belkacem. Mit 34 Jahren ist die neue Ministerin für Frauenrechte die Jüngste im Kabinett. Sie war Hollandes Wahlkampfsprecherin und wird nun auch Sprecherin der Regierung sein. Nur fünf Mitglieder der neuen Regierung waren schon einmal Minister oder Staatssekretär in einer früheren Regierung. Der Dienstälteste ist Fabius, der schon 1984 Regierungschef war, als Ronald Reagan in Washington und Leonid Breschnew in Moskau regierten. Dass er 2005 für das Nein zur EU-Verfassung eintrat, wird er nun unter dem erklärten Europäer Hollande durch besonderen Eifer wettmachen müssen.
Überraschungen enthält die neue Regierung gleichwohl nicht. In Paris war mit Jean-Marc Ayrault als Premierminister gerechnet worden, obwohl Hollande bis zum Schluss für sich behielt, ob er ihn oder Martine Aubry, die Chefin der Sozialistischen Partei, berufen würde. Dass Hollande sich für Ayrault und nicht für die einflussreiche Parteichefin entschied, scheint verständlich. Wie Hollande hat Ayrault seine Karriere nicht in Regierungsämtern gemacht, sondern als Bürgermeister von Nantes und Fraktionschef der Sozialisten im Parlament. Eine Wahl hat er nie verloren. Mit Hollande verbindet ihn ein enges Vertrauensverhältnis, das sich auch im Wahlkampf bewährte. Das gab schließlich den Ausschlag gegen Aubry, die, nachdem Hollande sie über seine Entscheidung informiert hatte, für die einzige Überraschung bei der Regierungsbildung sorgte. Sie wollte nun überhaupt nicht mehr der Regierung angehören und lehnte alle Ersatzangebote ab. „Ich bin nicht beleidigt“, wurde sie von der Zeitung „Libération“ zitiert. Sie werde als Parteichefin loyal für den Sieg der Sozialisten bei der Parlamentswahl im Juni kämpfen, erklärte sie.
Diesen Wahlkampf eröffnete Jean-Francois Copé, Chef der bisherigen Regierungspartei UMP, mit einer „Kriegserklärung“ an Hollande. Er warf dem Präsidenten vor, seinen Vorgänger Sarkozy in seiner Rede zur Amtseinführung nicht wie die anderen Ex-Präsidenten gewürdigt zu haben. Hollande führe sich wie ein „Clanchef“ auf, sagte er. Die Opposition werde den „Krieg“ erwidern.