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Harte Worte gen Russland: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Francois Hollande
© dpa/Michael Kappeler
Update

Ukraine-Gipfel mit Putin in Berlin: Hollande nennt Bombardierung Aleppos "echtes Kriegsverbrechen"

Harte Aussprache zu Syrien: Bei einem fünfstündigen Treffen in Berlin hat es laut Kanzlerin Merkel klare Worte an Russlands Präsidenten gegeben. In Sachen Ukraine gab es nur geringe Fortschritte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Francois Hollande haben die Bombardierungen der syrischen Zivilbevölkerung durch die russische Luftwaffe mit deutlichen Worten verurteilt. Merkel sagte in der Nacht zum Donnerstag, die Bombardierungen seien für die syrische Zivilbevölkerung „ein grausames Erlebnis“ und "unmenschlich".

Hollande sagte: „Was gerade in Aleppo passiert, ist ein echtes Kriegsverbrechen.“ Zuvor hatten Merkel und Hollande mit dem russischen Präsidenten Wladmir Putin im Kanzleramt über die Lage in Syrien gesprochen.

Es habe „eine sehr klare und auch sehr harte Aussprache“ mit Putin über die Angriffe der russischen und syrischen Luftwaffe gegeben, sagte Merkel. Seit rund drei Wochen steht Russland in der Kritik des Westens, der Moskau vorwirft, gemeinsam mit der syrischen Luftwaffe die syrische Zivilbevölkerung zu bombardieren. Auf die Frage nach möglichen neuen Sanktionen gegen Russland sagte Hollande, beim EU-Gipfel am Donnerstag würden "Optionen" in Bezug auf Verantwortliche eröffnet werden, die "diese Verbrechen begehen". Merkel ergänzte, "man kann sich der Option nicht berauben". Vor dem Beginn der Begegnung im Kanzleramt hatte Russland am Dienstag die Bombardements in Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, eingestellt.

An diesem Donnerstag gilt eine elfstündige Feuerpause im umkämpften Aleppo, bei der Kranke und Verletzte evakuiert werden und Zivilisten die Stadt verlassen können. Putin zufolge könnte die Feuerpause verlängert werden. Ein dauerhafter Waffenstillstand für Syrien zeichnet sich aber nicht ab.

Der jetzige Waffenstillstand müsse ein Ausgangspunkt sein, um humanitäre Lieferungen in die Gebiete von Aleppo zu ermöglichen, die völlig abgeschnitten seien. "Daran werden die Außenminister auch weiter intensiv arbeiten." Das zu erreichen wäre "wenigtens ein erster Schritt", sagte Merkel. Es sei richtig gewesen, "diese harte Aussprache zu führen", sagte die Kanzlerin unter Verweis auf den russischen Einfluss auf Syriens Machthaber Baschar al-Assad.

Im September war eine Waffenruhe nach kurzer Zeit wieder zusammengebrochen. Am vergangenen Wochenende hatten US-Außenminister John Kerry und der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow  gemeinsam mit den Regionalmächten in Lausanne den Versuch unternommen, einen neuen Waffenstillstand auszuhandeln. Am Mittwoch sagte Russlands stellvertretender Außenminister Sergej Rjabkow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax, ein weiteres Treffen zwischen Außenminister Sergej Lawrow und seinem US-Kollegen John Kerry sei zurzeit nicht sinnvoll.

Roadmap für Ukraine-Konflikt bis November

Nur geringe Fortschritte hatte es im Kanzleramt unmittelbar zuvor bei einem Vierer-Treffen zur Ukraine-Krise im so genannten Normandie-Format gegeben. An dem Treffen am Mittwochabend hatten neben Merkel, Hollande und Putin auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko teilgenommen.

Mit einem Fahrplan für die Ostukraine soll der stockende Friedensprozess für die Konfliktregion wieder an Schwung gewinnen. Diese sogenannte Roadmap solle bis Ende November stehen, sagte Poroschenko. Merkel und Hollande würdigten die Vereinbarung, einen Fahrplan zu erarbeiten, als Fortschritt.

"Auch der heutige Tag hat keine Wunder bewirkt", sagte Merkel. Bei ihrem Gespräch sei jedoch ein "Arbeitsprozess" besprochen worden, der "viele Facetten" habe. "Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt ein Ausgangsdokument haben, das aber noch viele Unstimmigkeiten hat." "

Die Roadmap wird erstellt im Geiste des Abkommens von Minsk", versprach Hollande, und Merkel fügte hinzu, nun müsse weiter gearbeitet werden an den Themen Sicherheit, politische Umsetzung und an der Erstellung der Roadmap, also einer "Sequenzierung" der verschiedenen Schritte. Diese seien im Minsker Maßnahmenpaket noch nicht so detailliert angelegt gewesen - und im Augenblick bestünden hier "noch sehr unterschiedliche politische Vorstellungen". Es sei noch "ein dickes Brett" zu bohren.

Sehr ausführlich wurde laut Merkel beim Thema Sicherheit über sogenannte Entflechtungszonen und die Voraussetzungen gesprochen, damit sich dort die OSZE-Mission permanent aufhalten könne. Dabei gehe es um die Entfernung von Minen und einen "wirklichen Waffenstillstand".

Merkel zufolge sollen entlang der Demarkationslinie in der Ostukraine vier weitere "Entflechtungszonen" geschaffen werden, in der die Konfliktparteien auf Abstand gebracht werden sollen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte vor dem Gipfel die Hoffnung geäußert, dass Fortschritte bei der Einrichtung dieser "Entflechtungszonen" erzielt werden könnten. Drei erste Zonen waren bereits Ende September vereinbart worden.

Neben politischen Fragen - vor allem das Sonderstatusgesetz und dessen Implementierung - ging es Merkel zufolge auch um humanitäre Maßnahmen, etwa die Wasserversorgung in Lugansk.

Putin, der erstmals seit 2012 nach Berlin gereist war, bedauerte laut der Nachrichtenagentur Tass nach dem Gipfel, dass bei den humanitären Fragen "leider keine großen Fortschritte" erzielt worden seien. Gleichzeitig erklärte er sich zu einer Ausweitung der OSZE-Mission im Donbass bereit. Diese soll nach Angaben Poroschenkos bewaffnet sein, Merkel und Hollande machten dazu jedoch keine Angaben.
(Tsp/mit AFP)

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