Strafrecht: Höhere Strafen für den Volkssport Drohen
Niedersachsen will den Straftatbestand der Bedrohung verschärfen. Das macht Sinn. Denn die kann im Einzelfall traumatische Folgen haben. Ein Einspruch.
Ein nicht geringer Teil dessen, was künftig in Deutschland strafbar sein soll, wird bei der Justizministerkonferenz ausgehandelt, einem Treffen der Länderminister. Zwar ist das Strafrecht Bundessache, doch das in Berlin ansässige Ministerium ist hier gewissermaßen blind und taub; die Musik spielt in den Ländern, dort, wo Staatsanwaltschaften und Gerichte das Recht vollziehen. Neue Töne dringen häufig erst von dort zu Parlament und Regierung in der Hauptstadt.
Ein solcher Ton ist bei der Konferenz vergangene Woche in Travemünde spektakulär verhallt. Der Stadtstaat Hamburg war angetreten, das sogenannte Containern zu entkriminalisieren. Gemeint ist damit die Entnahme von Essbarem aus Müll, meist aus Containern vor Supermärkten. Es verstehe doch kein Mensch, warum die Entnahme von Müll bestraft werden muss, argumentiert Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne).
Sammelstellen als Selbstbedienung?
Da ist etwas dran. Andererseits würde auch kein Mensch verstehen, wenn Sammelstellen plötzlich zur Selbstbedienung freigegeben werden und jeder, der etwas vors Haus stellt, damit rechnen müsste, dass sein Müll durchsucht wird. Für manchen heißt Müll schließlich auch, etwas zu vernichten, das nicht in die Welt gelangen soll; wie auch immer, der Hamburger Vorschlag wurde abgelehnt.
Gehör verdient dagegen die Idee Niedersachsens, den Straftatbestand der Bedrohung zu verschärfen. Viel wird bedroht, aber selten deswegen bestraft. Grund dafür ist unter anderem, dass nur Bedrohungen mit einem Verbrechen erfasst werden, Delikten mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft wie Mord und Totschlag. Alles darunter gilt als Vergehen. Gefährliche Körperverletzung, Stalking, Erpressung – alles nur Vergehen. Wer andere mit solchen Drohungen einschüchtert, geht bisher straflos aus.
Drohen ist Volkssport geworden
Niedersachsen will deshalb das Einschüchtern selbst unter Strafe stellen. Es soll künftig schon reichen, dass jemand „einen anderen in einer Weise bedroht, die geeignet ist, dessen ernsthafte Sorge um sein Wohl oder das einer ihm nahestehenden Person zu erregen“. Das dürfte genügen, um Spaßmacher oder Erschrecker auszufiltern und echten Tätern das Handwerk zu legen.
Drohen ist Volkssport geworden. Der Umgang in den sozialen Netzwerken hat Hemmschwellen herabgesetzt. Im Schutz der Massenanonymität geht man sich gegenseitig an die Gurgel. Im Einzelfall kann das Formen annehmen, die für Betroffene und ihre Familien traumatische Folgen hat.
Fast wirkt es zurückhaltend, wenn die Minister nur eine „zunehmende Verrohung der Umgangsformen“ feststellen und das Bundesministerium jetzt bitten, den Tatbestand darauf zu prüfen, ob er für diese und künftige Zeiten noch taugt. Der Vorstoß aus Niedersachsen geht in die richtige Richtung. Schärferes Strafrecht, hier hätte es mal Sinn.