Mülltauchen in Abfalltonnen: Containern soll weiterhin strafbar sein
Die Justizminister der Länder haben einen Vorstoß zur Legalisierung abgelehnt. Ein neues Bündnis fordert jetzt ein Anti-Wegwerfgesetz.
Mehr als 18 Millionen Tonnen Essen landen hierzulande jedes Jahr in der Tonne. Einzelne Initiativen kämpfen schon seit Jahren gegen die Verschwendung von Lebensmitteln an. Nun haben sich erstmals mehrere Vereine und Start-ups zu einem nationalen „Bündnis Lebensmittelrettung“ zusammengetan, darunter die Berliner Essensreste-Plattform Too Good To Go und der Einzelhändler Sirplus. In einem am Freitag veröffentlichten Brief stellen sie konkrete Forderungen an die Bundesregierung.
So verlangen die Initiatoren unter anderem ein Anti-Wegwerfgesetz, das es Händlern untersagen soll, noch genießbare Lebensmittel wegzuwerfen. Supermärkte müssten ihre Waren stattdessen an Hilfsorganisationen spenden. Zudem schlägt das Bündnis vor, das Mindesthaltbarkeitsdatum anzupassen. Oft werde das Verfallsdatum willkürlich festgelegt, heißt es im Papier. Hier fordert das Bündnis mehr Investitionen in die Lebensmittelforschung, um dem Handel bessere Vorgaben machen zu können. Und auch in den Lehrplänen der Schulen solle das Thema Lebensmittelverschwendung mehr Beachtung finden. Insgesamt 34 weitere Vereine und Unternehmen unterstützen den Brief.
Justizminister gegen Legalisierung von Müllsammeln
Ein erster Versuch aus der Politik, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, ist am Donnerstag hingegen gescheitert. Die Justizministerkonferenz hat einen Vorstoß aus Hamburg abgelehnt, das sogenannte Containern zu erlauben. So nennt man das Sammeln von weggeworfenen Waren aus Abfalltonnen. Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) bedauerte die Ablehnung durch seine Amtskollegen: „Es versteht kein Mensch, warum die Entnahme von Müll bestraft werden muss“, sagte er. Wer sich an den Tonnen der Supermärkte bedient, begeht nach derzeitiger Rechtslage Diebstahl.
In Bayern wurden zuletzt zwei Studentinnen zu acht Stunden Sozialarbeit verurteilt, weil sie Waren aus einem verschlossenen Müllcontainer genommen hatten. Für eine Legalisierung hätten entweder der Eigentumsbegriff im Bürgerlichen Gesetzbuch oder die Straftatbestände im Strafgesetzbuch geändert werden müssen. Gegen den Vorschlag des Hamburger Justizsenators haben sich vor allem Minister der CDU ausgesprochen. Sie forderten stattdessen mehr Initiativen, bei denen Supermärkte abgelaufene Waren spenden. „Die gilt es auszubauen, rechtlich regeln wir das nicht“, sagte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) dem WDR.
Wer wegwirft, muss zahlen
In anderen Ländern sind solche Initiativen hingegen gesetzliche Pflicht, etwa in Tschechien. Zum Jahresbeginn bestätigte das Verfassungsgericht des Landes ein Gesetz, nach dem große Einzelhändler übriggebliebene Waren kostenlos an Organisationen abgeben müssen. Gegen die Regelung hatten zunächst 25 Senatoren geklagt. Sie sahen darin einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsrechte und eine Rückkehr zu kommunistischen Praktiken. Wer gegen das Wegwerfverbot verstößt, muss dort nun mit einer Strafe von umgerechnet fast 400.000 Euro rechnen. In Frankreich ist es großen Supermärkten dagegen schon seit gut drei Jahren gesetzlich verboten, noch verzehrbare Lebensmittel wegzuwerfen.
Doch damit nicht genug: Die Franzosen wollen künftig auch die Vernichtung von unverkäuflichen Kleidern, Elektroartikeln und Hygieneprodukten untersagen. Premierminister Edouard Philippe kündigte am Dienstag in Paris an, ein entsprechendes Gesetz sei in Vorbereitung. Demnach dürften Händler recycelbare Waren ab dem Jahr 2021, alle weiteren Konsumgüter spätestens ab 2023 nicht mehr wegwerfen. Der Regierungschef sprach von einer „weltweiten Premiere“. Nach Angaben der französischen Regierung landen dort jedes Jahr Neuwaren im Wert von 650 Millionen Euro im Müll.