Nach Angriff in Dortmund: "Hohe Wahrscheinlichkeit" eines weiteren Anschlags
Das BKA bewertet die aktuelle Lage mit der zweithöchsten Sicherheitsstufe. Ob das Bekennerschreiben tatsächlich von einem Islamisten stammt, ist noch offen.
Nach dem Anschlag in Dortmund befürchtet das Bundeskriminalamt nach Informationen des Tagesspiegels, dass weitere Angriffe bevorstehen. In seinem „Prognosemodell“ zur Terrorgefahr bewertet das BKA die aktuelle Lage mit der zweithöchsten Stufe. Das gehe aus einer Lageanalyse der Behörde hervor, heißt es in Sicherheitskreisen. In dem Vermerk stehe, da derzeit keine Anhaltspunkte zu Identität und Aufenthaltsort des Täters oder der Täter vorlägen und im Bekennerschreiben mit weiteren Angriffen gedroht werde, sei „bundesweit mit dem Eintritt eines weiteren schädigenden Ereignisses mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen“.
Im holprig formulierten Bekennerschreiben ist von einer „Todesliste des Islamischen Staates“ die Rede. Auf ihr stünden „ab sofort“ alle ungläubigen Schauspieler, Sänger, Sportler und „sämtliche Prominente in Deutschland“. Außerdem wird der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin erwähnt. Es seien zwölf Ungläubige „von unseren Gesegneten Brüder in Deutschland“ getötet worden. Der Tunesier Anis Amri hatte am 19. Dezember erst einen polnischen Lkw-Fahrer getötet und dann mit dem Truck auf dem Breitscheidplatz elf weitere Menschen.
In dem Schreiben wird Merkel beschimpft
Der Verfasser des Bekennerschreibens, das die Polizei in Dortmund in der Nähe des Tatorts fand, wird zudem die Bundeskanzlerin beschimpft. Trotz der zwölf Toten in Berlin flögen Merkels Tornado-Kampfflugzeuge „immer noch über dem Boden des Kalifats, um Muslime zu ermorden“. Gemeint ist der Einsatz der Bundesluftwaffe zur Unterstützung der internationalen Allianz, die gegen die Terrormiliz IS kämpft.
Im Schreiben werden zudem Forderungen gestellt. Die Tornados sollten aus Syrien abgezogen und die US-Basis in Ramstein müsse geschlossen werden. Den Luftwaffenstützpunkt der Amerikaner in Rheinland-Pfalz hatte auch schon die islamistische Sauerlandgruppe ins Visier genommen. Die 2007 von der Polizei ausgehobene Terrorvereinigung plante Sprengstoffangriffe auf amerikanische Einrichtungen in Deutschland.
Aus Sicht des BKA versuche der Verfasser des Bekennerschreibens, ein Bedrohungsszenario aufzubauen, das die Bevölkerung verunsichern solle, sagten Sicherheitsexperten. Ob das Papier tatsächlich von einem oder mehreren Islamisten geschrieben wurde, sei allerdings offen. Der „Modus Operandi“ des Täters oder der Täter sei für islamistische Gruppierungen „in jedem Fall atypisch“, sage das BKA. In der Regel hinterlassen Dschihadisten bei Anschlägen keine Bekennerschreiben, sondern äußern sich im Internet, oft in einem Video. Dennoch vermutet das BKA, dass der oder die Täter im Sinne der Terrormiliz IS weitere Sprengsätze in Deutschland gegen sogenannte "Ungläubige" einsetzen könnten.
Die Generalbundesanwaltschaft gab unterdessen in einer Pressekonferenz am frühen Mittwochnachmittag bekannt, dass ein Mann aus der Islamistenszene festgenommen worden sei und ein Haftbefehl geprüft werde. Allerdings sei die Motivlage nach wie vor völlig unklar, ebenso wie die Frage, ob es sich um eine islamistisch motivierte Tat handele.
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