USA: Hillary die Erste
Hillary Clinton schreibt Geschichte: Sie wird die erste Frau, die ins Rennen um das höchste Amt der USA geht. Rivale Bernie Sanders gibt trotzdem nicht auf.
Hillary strahlt. Hillary feiert. Hillary beschwört den geschichtsträchtigen Moment. Mit ausgebreiteten Armen tritt sie ihren jubelnden Anhängern auf der Siegesfeier in Brooklyn in der Nacht zu Mittwoch entgegen. Dies ist ein Wendepunkt in der Geschichte Amerikas. Zum ersten Mal wird eine Frau Präsidentschaftskandidatin einer der beiden großen Lager – 96 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in den USA.
Und doch mischen sich in diesen festlichen Moment Andeutungen, dass der Triumph einen bitteren Beigeschmack hat, wenn er so spät kommt. Clinton erinnert an ihre Mutter und wünscht, die hätte diesen historischen Einschnitt miterleben können. 2011 ist sie gestorben. Eigentlich wollte Hillary schon 2008 Kandidatin werden und scheiterte nur knapp. Sie belässt es bei Anspielungen in ihrer Rede: Erneut spricht sie von der „Glasdecke“, die die Chancen der Frauen deckele. Als 18 Millionen Risse in dieser Decke hatte sie die 18 Millionen Stimmen beschrieben, die sie in den Vorwahlen 2008 gegen Barack Obama bekam. Nun, in der Halle in Brooklyn, deutet sie nach oben. „Wir stehen heute alle unter einer Glasdecke. Aber, keine Sorge, die werden wir nicht zertrümmern“, sagt sie unter Lachen des Publikums. Doch die politische Glasdecke, die 2008 Risse bekam, die hält nicht mehr. Das versteht hier jeder.
Jedes Mädchen in Amerika, so hatte sie zuvor getwittert, könne nun in dem Bewusstsein aufwachsen, dass ihm alle Chancen offen stehen, auch die Chance, ins Weiße Haus einzuziehen.
Ihr Ergebnis war noch besser als die Umfragewerte
Den letzten großen Vorwahltag mit Abstimmungen in sechs Bundesstaaten hat Clinton überzeugend gewonnen. Mit 56 Prozent, weit mehr als die Umfragen ihr zutrauten, siegt sie in Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten US-Staat. Mit 63 Prozent holt sie New Jersey, mit 52 Prozent New Mexiko, mit 51 Prozent South Dakota. Nur Montana und North Dakota muss sie ihrem innerparteilichen Rivalen Bernie Sanders überlassen. Je weiter die Auszählung in der Nacht voranschritt, desto näher rückte sie an die Zahl der 2382 Delegierten heran, die sie für die Nominierung benötigt. Allein mit gewählten Delegierten aus den Vorwahlen kann sie sie nicht mehr erreichen, nur mit Hilfe der Superdelegierten: Demokraten, die dank ihrer Ämter eine Stimme auf dem Parteitag haben.
In allen Disziplinen hat sie Sanders in den Vorwahlen geschlagen. Sie hat 380 mehr gewählte Delegierte als er und 523 mehr Superdelegierte. Sie hat mehr US- Staaten gewonnen als er, sie hat 3,7 Millionen mehr Stimmen erhalten als er.
Dennoch muss sie auf den Anruf, in dem er seine Niederlage einräumt, weiter warten. Eigentlich, so konnte man in der „Washington Post“ lesen, hatte Clinton sich erhofft, dass sie viel früher als Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei feststehen würde – nach der Hälfte der Vorwahlen Ende März. Oder spätestens im April. Sanders war ein Gegner mit langem Atem. Der Anruf kam nie, selbst als Sanders nach mathematischer Logik keine Chance hatte, sie zu überholen.
In ihrer Rede übt Clinton keinen Druck auf ihn und seine Anhänger aus, das Rennen aufzugeben. Sie gratuliert ihm zu dem großartigen Wahlkampf. Sie erklärt, dass politischer Streit der beste Weg wäre, um Amerika gerechter zu machen, um den Benachteiligten zu helfen. Dieser Streit habe „unsere Partei stärker gemacht“. Über solchen strittigen Debatten dürfe man nicht vergessen, „was uns verbindet“. Und damit geht sie zum Angriff auf Donald Trump über.
Trump stolpert eher in den Hauptwahlkampf
Sanders macht in seiner Rede keine Andeutungen, dass er sich beugen will. Er bekräftigt, dass er die Debatte um den Kurs der Partei in den Parteitag tragen will. Das trägt ihm einige Kritik in den US-Medien ein. Viele Kommentatoren fordern, es sei an der Zeit, ein aussichtsloses Rennen zu beenden. Barack Obama hat nun Sanders zu einem Gespräch eingeladen. Wird er ihn überzeugen?
Noch ein Stimmungswechsel ist den Medien zu entnehmen. Bis zum Dienstag hatten sie sich auf die Probleme der Demokraten konzentriert: Würde Sanders in Kalifornien die Sensation schaffen? Nach Hillarys überzeugendem Erfolg in den letzten Vorwahlen fragen die Blätter am Mittwoch nun umgekehrt nach den Konflikten bei den Republikanern – ganz voran Trumps abfälligen Äußerungen über den Richter, der das Betrugsverfahren gegen die Trump-Universität führt. Paul Ryan, Speaker des Abgeordnetenhauses, hat Trumps Worte „rassistisch“ genannt. Der Tenor der Schlagzeilen: Clinton schreibt Geschichte, Trump macht den Republikanern Angst.