US-Politik: Hillary Clinton lässt nicht locker
Die Demokratin hat ein Buch geschrieben, in dem sie weiterhin anderen die Schuld an ihrer Niederlage gibt und Ratschläge erteilt.
Alles war vorbereitet. Im Gefühl des sicheren Sieges bei der US-Präsidentenwahl richteten Hillary und Bill Clinton im vergangenen August ein kleineres Haus neben ihrem Anwesen in Chappaqua im Bundesstaat New York als Unterkunft für den erwarteten Tross von Leibwächtern aus dem Weißen Haus ein. Doch aus dem Wahlsieg über Donald Trump wurde nichts, die Leibwächter blieben aus. Jetzt gibt Hillary Clinton in dem Haus Medieninterviews anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Buches „What Happened“ (Was ist geschehen), in dem sie ihre Niederlage gegen Trump verarbeitet. Wie für das Haus in Chappaqua hat Clinton auch für sich selbst eine neue Rolle gefunden. Doch die gefällt nicht allen.
Jedem Gesprächspartner, der sie anlässlich der Buchvorstellung am Dienstag befragte, versicherte die 69-Jährige, dass sie kein politisches Amt mehr anstrebe. „Damit bin ich durch“, sagte Clinton dem Sender NPR. In ihren Interviews, etwa in dem mit der Reporterin Susan Page von der Zeitung „USA Today“, spielt sie noch einmal durch, was alles falsch lief für sie im vergangenen Jahr. Sie habe das Ausmaß der Wut der amerikanischen Wähler auf den Politbetrieb in Washington verkannt. Sie habe als Außenministerin mit der Nutzung eines privaten E-Mail-Servers einen „dummen Fehler“ begangen. Sie habe unter der Frauenfeindlichkeit der amerikanischen Politik zu leiden gehabt. Und ihr sei von Moskau und FBI-Chef James Comey übel mitgespielt worden.
Manchmal schreit sie den Fernseher an
Das ist Schnee von gestern, aber Clinton wäre nicht Clinton, wenn sie nach fast 40 Jahren als Person der Zeitgeschichte jetzt einfach in der Versenkung verschwinden würde. Sie will ab sofort als Mahnerin wirken und ihre Landsleute und auch ihre eigene demokratische Partei aufrütteln. Mit ihrer Erfahrung, ihren Einsichten und ihren politischen „Narben“ habe sie nicht nur das Recht, sondern sogar die Verpflichtung, Amerika zu warnen.
So geht sie frisch ans Werk. Bis zum Jahresende will sie durchs Land tingeln, über ihr Buch reden und von den Gefahren berichten, denen Amerika ausgesetzt ist. Trump zum Beispiel habe keine Ahnung von Strategie und lasse sich von Russland und Nordkorea an der Nase herumführen. In ihrem Buch kritisiert Clinton ihren innerparteilichen Rivalen Bernie Sanders, der als Linksausleger viele wütende Amerikaner ansprach, die sich von Clinton nicht vertreten fühlten. Wenn Trump heute als Präsident wichtige Dinge zu entscheiden hat, stellt sie sich vor, sie selbst säße im Oval Office. „Manchmal schreie ich den Fernseher an“, gibt sie zu.
Clintons Comeback als selbst ernannte Ober-Expertin der amerikanischen Politik zehn Monate nach der Wahlniederlage ist perfekt geplant. Ihr Buch, das bei Amazon sofort zum Bestseller geworden ist, und ihre Bekanntheit geben ihr die Bühne für Warnungen und Ratschläge an ihr Land. Die Frage ist nur, ob ihr jemand zuhören will. Sanders etwa sagte, er könne Clintons schwere Enttäuschung ja verstehen. Aber es sei schon „ein wenig albern“, weiter über das vergangene Jahr zu reden.