zum Hauptinhalt
Bill de Blasio, Bürgermeister von New York, hält eine Fernsehansprache.
© Ed Reed/Mayors Office/Zuma Wire/dpa
Update

Coronavirus in den USA: „Hier in New York fühlt es sich an wie zu Kriegszeiten“

In den USA steigt die Zahl der Menschen mit Coronavirus dramatisch, besonders betroffen ist New York. Bürgermeister de Blasio bittet dringend um Hilfe.

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio schlägt angesichts knapp werdender medizinischer Ausrüstung in der Coronavirus-Krise Alarm. Er könnte den reibungslosen Betrieb der Krankenhäuser nur für eine Woche garantieren, sagte er am Sonntag dem TV-Sender CNN. Dabei gehe es nicht nur um Masken, Schutzkleidung und dringend benötigte Beatmungsgeräte, sondern auch um medizinisches Material. Die Ärzte und Pfleger könnten im jetzigen Tempo nicht über Wochen weiterarbeiten und bräuchten Unterstützung. "Hier in New York fühlt es sich wortwörtlich an wie zu Kriegszeiten", sagte de Blasio.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]

Unter Ärzten und Pflegern im Zentrum der Pandemie in den USA geht die Angst um, sich selbst anzustecken. Seit dem Tod des 48-jährigen Krankenpflegers Kious Kelly ist die Besorgnis noch gestiegen. Die Arbeitsbelastung für Krankenhauspersonal sei durch die Corona-Krise ins Unermessliche gewachsen, berichten Krankenhausmitarbeiter. Rund um die Uhr werde gearbeitet, um die vielen Coronavirus-Patienten zu versorgen.

Einige Kliniken geraten demnach bereits an ihre Grenzen - auch jene, in der der verstorbenen Pfleger Kelly arbeitete. Mehrere Abteilungen des Mount-Sinai-Krankenhauses im Stadtteil Manhattan platzten wegen der Zahl der Coronavirus-Patienten bereits aus allen Nähten, sagt Kellys Kollegin Diana Torres der Nachrichtenagentur AFP.

Die Krankenschwester berichtet von verheerenden Zuständen in ihrer Reha-Abteilung, in der mindestens drei Corona-Patienten behandelt werden. Erst auf mehrfache Nachfrage hin habe sie Schutzausrüstung für Gesicht und Körper bekommen, schildert Torres. Diese müsse sie jedoch mehrfach benutzen. "Ich habe nichts für meinen Kopf, nichts für meine Schuhe", fügt sie hinzu.

[Mit dem Newsletter "Twenty/Twenty" begleitet unser US-Quintett Christoph von Marschall, Anna Sauerbrey, Juliane Schäuble, Malte Lehming und Tilman Schröter Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty]

"Es gibt eine Stimmung der Hoffnungslosigkeit", beschreibt die Krankenschwester das Klima in ihrer Klinik. "Jeder hat Angst." Die Krankenhausmitarbeiter seien "erschüttert", dass ihr Kollege Kelly "den höchsten Preis" für die dramatischen Bedingungen habe zahlen müssen.

US-Präsident Donald Trump
US-Präsident Donald Trump
© Reuters/Jim Watson/Pool

Sie selbst hat Angst, im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus auch ihre drei Kinder und ihren Mann anzustecken, sagt Torres. Ärzte und Pfleger bewegten sich inzwischen "paranoid" durch die Klinik. "Wir können uns nicht testen lassen" - dies sei Patienten und medizinischem Personal mit schweren Symptomen vorbehalten. Personell sei ihre Klinik so schlecht aufgestellt wie nie zuvor. Die verbliebenen Kollegen müssten viele Überstunden machen, "weil unser eigenes Personal krank geworden ist".

Die Millionenmetropole New York an der US-Ostküste hat sich zum Zentrum der Pandemie in dem Land entwickelt. Mit über acht Millionen Einwohnern ist sie die größte US-Stadt und eines der kulturellen und finanzwirtschaftlichen Zentren der Welt. Restaurants, Bars, Schulen, Museen und Broadwayshows sind geschlossen. Alle Bürger sind aufgerufen, Zuhause zu bleiben, „nicht lebenswichtige“ Einrichtungen und Firmen sind geschlossen.

Trotz der sich zuspitzenden Coronavirus-Krise in den USA verzichtet Präsident Donald Trump vorerst auf eine weitreichende Abriegelung von Hotspots wie New York. „Eine Quarantäne wird nicht notwendig sein“, schrieb Trump am Samstag (Ortszeit) auf Twitter und bezog sich damit auf zuvor geäußerte Überlegungen, besonders betroffene Landesteile unter Quarantäne zu stellen.

Unterdessen überschritt die Zahl der Coronavirus-Toten in den USA die Marke von 2000, wie aus einer Aufstellung der renommierten Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hervorging. Am Sonntag (16.30 Uhr MESZ) lag die Zahl der Toten bei 2191, die der nachgewiesenen Infektionen bei 124.686 und damit höher als in jedem anderen Land der Welt.

Am Samstagmittag (Ortszeit) sagte Trump im Garten des Weißen Hauses, dass über eine „Quarantäne“ für die Bundesstaaten New York und New Jersey und Teile von Connecticut nachgedacht werde, die zwei Wochen dauern könnte. Am Ende des Tages verkündete Trump dann, in Abstimmung mit seiner Coronavirus-Arbeitsgruppe und den Gouverneuren der betroffenen Staaten entschieden zu haben. Statt von vielen befürchtete drastische Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu verhängen, stellte er einen Reisehinweis der Gesundheitsbehörde CDC in Aussicht.

[Aktuelle Entwicklungen der Coronavirus-Pandemie weltweit können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.]

Menschen in New York, New Jersey und Connecticut werden demnach dazu angehalten, in den kommenden 14 Tagen auf nicht notwendige inländische Reisen zu verzichten. Dies gelte nicht für Beschäftigte beispielsweise im Gesundheitswesen, bei Finanzdienstleistungsunternehmen oder in der Lebensmittelindustrie. Eine generelle Warnung für inländische Reisen sprach die Behörde CDC nicht aus. Allerdings wurden Reisende aufgerufen, Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, sich anzustecken oder zur weiteren Ausbreitung des Virus beizutragen.

New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo, der sich derzeit als Krisenmanager profiliert, hatte gewarnt, dass eine solche Maßnahme wirtschaftliche Verwerfungen zur Folge haben werde. Die Börsen würden „sinken wie ein Stein“, die Wirtschaft könnte sich Monate oder Jahre nicht davon erholen, sagte Cuomo dem TV-Sender CNN. Cuomo sagte zudem, ihm sei nicht klar, wie Trump die Beschränkungen rechtlich umsetzen wolle.

Der Gouverneur von Connecticut, Ned Lamont, erklärte auf Twitter, in seinem Staat würden ohnehin weitreichende Ausgangsbeschränkungen gelten. Menschen, die reisen müssten, müssten sich in Quarantäne begeben, schrieb Lamont.

Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:

Trump beklagte am Samstag, dass New Yorker mitten in der Krise nach Florida im Süden des Landes reisten - was seiner Aussage nach weder die Regierung noch viele Leute dort wollten. Der US-Ostküstenstaat New York mit der gleichnamigen Millionenmetropole hat sich zum Epizentrum der Coronavirus-Pandemie in den USA entwickelt.

Andrew Cuomo, Gouverneur von New York
Andrew Cuomo, Gouverneur von New York
© dpa/AP/John Minchillo

Am Samstag lag die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in New York, New Jersey und Connecticut zusammen bereits bei mehr als 62.000 und machte damit gut die Hälfte aller Infektionen in den USA aus. Cuomo erwartet den Höhepunkt der Infektionszahlen in zwei bis drei Wochen.

Lokale Behörden haben immer wieder gewarnt, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser dort nicht ansatzweise auf die Ansteckung weiter Teile der Bevölkerung vorbereitet seien. Es könnte zu Engpässen bei Beatmungsgeräten kommen. Lokalen Medien zufolge könnten die Kliniken in den kommenden Tagen erstmals punktuell an ihre Kapazitätsgrenze gelangen. Für Entlastung soll das Lazarettschiff „Comfort“ mit seinen 1000 Betten sorgen, das sich am Samstag vom Bundesstaat Virginia auf den Weg nach New York machte. Trump war persönlich beim Auslaufen dabei. „Ihr habt die unerschütterliche Unterstützung der gesamten Nation, der gesamten Regierung und des gesamten amerikanischen Volkes“, sagte Trump an die New Yorker gerichtet. (dpa, AFP)

Zur Startseite