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FDP-Chef Christian Lindner
© imago images/Karina Hessland

Lindner erklärt Thüringen-Wahl im ZDF: „Herr Kemmerich war offensichtlich übermannt“

Warum hat FDP-Mann Kemmerich seine Wahl zum Ministerpräsidenten Thüringens angenommen? Er war wohl zu überrascht, um richtig zu reagieren, glaubt Lindner.

Von Ragnar Vogt

Es ist die Frage, die viele Beobachter umtreibt: Warum hat der FDP-Mann Thomas Kemmerich seine Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten angenommen? Es war doch klar, dass er auch mit den Stimmen von der AfD gewählt worden war.

Und es gibt doch auch von der FDP den Beschluss, der eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Das erscheint besonders in Thüringen für Demokraten geboten, schließlich ist die Landes-AfD mit Björn Höcke besonders rechtsextrem geprägt.

FDP-Chef Christian Lindner gab in einem „heute-journal“-Interview mit Marietta Slomka eine Antwort auf diese Frage.

Aus seiner Sicht sei Kemmerich überrascht worden von der AfD. „Die Einschätzung war: Die AfD hat einen eigenen Kandidaten, die werden wohl ihren eigenen Kandidaten wählen.“ Das sei aber nicht passiert. „Herr Kemmerich war offensichtlich übermannt und hat spontan eine Entscheidung getroffen, die Wahl anzunehmen.“ Diesen Fehler habe er mit seiner Rücktrittsankündigung korrigiert. „Da muss man erlauben, dass jemand sich selbst korrigieren kann“, forderte Lindner.

Lindner: „Gut gemeinte Kandidatur“ habe sich „in eine Katastrophe verwandelt“

Im Interview stellte der FDP-Chef auch dar, wie es aus seiner Sicht zu der Eskalation in Thüringen gekommen ist. Kemmerich sei bei der Ministerpräsidentenwahl angetreten als Signal, dass es Alternativen zu AfD und Linkspartei gebe. Diese „gut gemeinte Kandidatur“ habe sich „in eine Katastrophe verwandelt“.

ZDF-Moderatorin Slomka fragte, warum der Trick der AfD überraschend gekommen sei, schließlich hätte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer genau davor gewarnt. Darauf reagierte Lindner ausweichend: Er sagte lediglich, Kramp-Karrenbauer hätte diese Information wohl aus der Unionsfraktion (gemeint ist wohl die CDU-Landtagsfraktion in Thüringen) bekommen.

Lindner rechtfertigt sich für späte Reaktion

Zudem wollte die Moderatorin wissen, warum Lindner sich nicht schon am Mittwoch direkt nach der Wahl von Kemmerich klar positioniert habe. Dazu sagte der FDP-Chef, er hätte schon am Mittwoch Neuwahlen ins Gespräch gebracht, „wenn es nicht im demokratischen Zentrum eine überparteiliche Lösung gibt“. Auch hätte er zunächst „in einer solchen schwierigen Situation für die Fraktion vor Ort das persönliche Gespräch suchen“.

Tatsächlich war am Mittwoch noch Lindners Tonalität deutlich anders. Da klang es so, als ob er mit einem mit AfD-Stimmen gewählten FDP-Ministerpräsidenten leben könnte. „Der Landesverband handelt in eigener Verantwortung“, hatte er am Mittwoch betont. „Freiheit und Weltoffenheit jenseits von AfD und Linkspartei sind unser Wählerauftrag.“

Zudem sei die Wahl von Kemmerich ein Signal, dass auch die politische Mitte im Parlament in Thüringen vertreten ist, hatte Lindner am Mittwoch gesagt. CDU,SPD und Grüne forderte er an dem Tag noch zur Kooperation mit Kemmerich auf. „Wenn Union, SPD und Grüne nicht kooperieren, sind baldige Neuwahlen nötig.“

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Am Donnerstag thematisierte Lindner einen möglichen Rücktritt

Das war am Donnerstagabend im „heute-journal“-Interview nicht mehr Thema, schließlich hatte Kemmerich da schon seinen Rücktritt angekündigt und Neuwahlen gefordert – auch auf Druck von Linder. Der FDP-Chef stellte es nun so dar, dass er selbst sogar zum Rücktritt bereit gewesen sei. Er könne nicht Chef einer Partei sein, die keine klare Abgrenzung zur AfD hinbekomme, sagte er Slomka.

Durch die Ereignisse in Thüringen ist der FDP-Chef deutlich angeschlagen. Deshalb wolle er im Vorstand der Bundespartei die Vertrauensfrage stellen. Die entsprechende Sondersitzung beginnt am Freitagmittag, am frühen Nachmittag wird von Lindner ein Statement erwartet.

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