Bundesrat stimmt Ampel-Gesetz zu: Hendrik Wüst und der gespielte Zorn
Die Länderkammer stimmt dem rot-grün-gelben Infektionsschutzgesetz zu. Aber CDU und CSU werden den Bundesrat bald als Instrument gegen die Ampel einsetzen.
Am Ende hat Hendrik Wüst dann doch die Hand gehoben. Dabei war es vor allem der neue Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der den Aufstand im Bundesrat gegen die von den Ampelparteien im Bundestag vorgelegte Novelle des Infektionsschutzgesetzes in Aussicht gestellt hatte.
Das Auslaufen der „epidemischen Notlage“ und die aus seiner Sicht eingeschränkten Möglichkeiten zur Pandemiebekämpfung hatte er in einem Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) – an den Kanzler in spe kann man solche Schreiben ja schlecht adressieren – heftig beklagt. Unverantwortlich sei das Gesetzeswerk und im Bundesrat für die Unions-Seite „nicht zustimmungsfähig“.
War es aber. Die Nachbesserungen, befand Wüst am Freitag im Bundesratsplenum, seien der Anerkennung wert. Vor allem aber habe Scholz in der Besprechung der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit der geschäftsführenden Kanzlerin am Donnerstag zugestanden, dass es am 9. Dezember eine Art Revisionssitzung geben wird. Dann soll, so steht es im Beschluss, „die Wirkung der auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ergriffenen Maßnahmen vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens evaluiert werden“.
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So kam Wüst aus der Situation heraus, dass es auch auf Unionsseite nicht ganz so viel Begeisterung dafür gab, ausgerechnet jetzt angesichts massiv gestiegener Inzidenzen die erste harte Machtprobe mit der noch gar nicht gebildeten Ampel-Koalition zu suchen.
Aber die abgeblasene Widerstandsaktion der Union hat SPD, Grünen und FDP deutlich gemacht, dass das Geschäft mit dem Bundesrat ungemütlich werden kann. In der Länderkammer haben CDU und CSU eine starke Veto-Position: 48 der 69 Länderstimmen unterliegen schwarzem Einfluss. Und damit muss sich die Ampel darauf einstellen, dass bei Zustimmungsgesetzen ohne die Union wenig geht.
"Kein Abnickorgan"
Volker Bouffier ist auf Unions-Seite der Ministerpräsident, der gern ans Pult geht, wenn es dramatisch klingen soll. Am Freitag warf er den Ampel-Parteien schlechten Stil vor. Der Bundesrat sei „nicht das Abnickorgan der jeweiligen Mehrheit im Bundestag“. Und wenn diese Mehrheit weiterhin „breitbeinig“ meine, sie müsse sich nicht mit den Ländern abstimmen, dann sei das ein Umgang, „den ich mir für die Zukunft nicht vorstellen kann“. Auch von „Basta-Politik“ sprach Bouffier, der im Übrigen Stil und Ergebnis in der MPK mit Merkel und Scholz lobte.
Diese Runden sind permanente Kooperationsereignisse von Union und SPD, weil sie nun einmal die meisten Spitzenleute in Bund und Ländern stellen. Stephan Weil, der sozialdemokratische Ministerpräsident in Niedersachsen, betonte ebenfalls die Sachlichkeit der Runde mit Merkel und Scholz - "positiv überrascht" sei er gewesen. Was sich wohl nicht nur darauf bezog, dass es zuvor im Bundestag am Donnerstag recht kontrovers zugegangen war, sondern auch darauf, dass die Unions-Seite in diesem Kreis hernach überhaupt nicht mehr auf Krawall aus war.
Es geht nicht zuletzt gegen die FDP
Der gespielte Unions-Furor galt denn auch gar nicht so sehr der ganzen Ampel. Sondern vor allem der FDP. Die ist im Bund-Länder-Geschäft der schwächste Faktor. Während die Grünen immerhin „Zugriff“ auf 45 Stimmen haben (über ihre elf Regierungsbeteiligungen), sind es bei den Freien Demokraten gerade einmal 14 Stimmen aus drei Koalitionen. Das ist kein Pfund. Es bedeutet, dass die Handschrift der FDP in der Bundesregierung am leichtesten über den Bundesrat verwässert werden kann.
Daran hat natürlich vor allem die Union ein Interesse, denn die FDP kleiner zu machen, gehört zur Strategie, um in der Opposition wieder stark zu werden. Nicht umsonst sprechen CDU und CSU ja schon weniger von der Ampel als von Links-Gelb. Aber auch SPD und Grünen könnte es bisweilen ganz gelegen kommen, wenn FDP-Anliegen via Bundesrat etwas gestutzt werden.
Wie einst mit Roland Koch?
Bundesrats-Veteranen sehen schon eine Ähnlichkeit mit der Situation vor 20 Jahren, als nach dem Regierungswechsel hin zu Rot-Grün nicht zuletzt die Ministerpräsidenten der Union, voran die Jungstars Roland Koch und Peter Müller, über den Bundesrat die Rückeroberung der Unions-Macht im Bundestag anstrebten. Die neue junge Garde besteht aus Wüst, Daniel Günther in Schleswig-Holstein und Tobias Hans im Saarland.
Doch dürfte das heute nicht mehr ganz so einfach laufen wie damals mit der klaren Abgrenzung von der Bundesregierung und der Profilschärfung als Oppositionskraft. Alle drei - Wüst, Günther und Hans - regieren in ihren Ländern mit Ampel-Parteien. Das gilt auch für Bouffier in Hessen, Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt und Michael Kretschmer in Sachsen. Einzig Markus Söder in Bayern kann relativ rücksichtsfrei agieren und es so mit der Eigenprofilierung im Bundesrat am weitesten treiben.