Altbundeskanzler: Helmut Kohl will Ungarns Premier Orbán treffen
Geht Helmut Kohl unter die Kritiker der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel? Der Altkanzler plant ein Treffen mit dem umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten.
Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wird in Kürze mit dem umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zusammentreffen. Das sagte Kohl der „Bild“-Zeitung. Den genauen Termin und die Umstände des Treffens nannte Kohl nicht.
Wie „Bild“ weiter schreibt, verteidigte Kohl Orbán ausdrücklich gegen die internationale Kritik an dessen politischem Kurs. Orbán gehört zu den schärfsten europäischen Gegnern der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Dementsprechend nahm die CDU-Spitze das geplante Treffen mit Zurückhaltung auf. Die Vizevorsitzende Julia Klöckner sagte am Montag vor Beginn einer Präsidiumssitzung in Berlin über Kohl: „Er ist ein freier Mensch und ein Weltpolitiker gewesen.“
Andere hochrangige CDU-Politiker äußerten sich nicht öffentlich. Einige äußerten sich skeptisch, da Orban einer der schärfsten Kritiker von Merkel ist.
SPD erwartet positives Einwirken auf Orban
Die SPD sieht das geplante Treffen dagegen als Chance in der Flüchtlingskrise. „Helmut Kohl ist ein überzeugter Europäer, der vielleicht positiv auf Orban einwirken kann“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Sie erwarte sich von dem Gespräch mehr als von den vorangegangenen Begegnungen zwischen Orban und CSU-Chef Horst Seehofer. „Horst Seehofer hat seine Treffen mit Orban lediglich benutzt, um sich innerparteilich von der Bundeskanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik abzusetzen“, meinte Barley.
Die SPD nimmt Kohl aber auch in die Pflicht: „Er muss die Gelegenheit auch nutzen, um mit Orban Klartext zu reden über die Presse- und Meinungsfreiheit in Ungarn und sein Verhalten in der Flüchtlingskrise.“
"Nationale Alleingänge müssen der Vergangenheit angehören"
Die "Bild"-Zeitung zitiert zudem aus einem demnächst erscheinenden Buchbeitrag Kohls zur europäischen Politik. „Einsame Entscheidungen, so begründet sie dem Einzelnen erscheinen mögen, und nationale Alleingänge müssen der Vergangenheit angehören. Sie sollten im Europa des 21. Jahrhunderts kein Mittel der Wahl mehr sein, zumal die Folgen von der europäischen Schicksalsgemeinschaft regelmäßig gemeinsam getragen werden müssen“, schreibt Kohl in dem Aufsatz, der anlässlich der Verleihung des Aachener Karlspreises an Papst Franziskus am 6. Mai im Vatikan veröffentlicht werden soll.
Nach einem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) bei Orbán Anfang März in Budapest waren auch aus der CDU kritische Stimmen an dem Treffen mit dem ungarischen Regierungschef laut geworden. Orbán wird von vielen europäischen Institutionen und Nachbarn außerdem vorgeworfen, die Pressefreiheit in seinem Land drastisch eingeschränkt zu haben. (dpa)