Flüchtlingspolitik: Ungarns Botschafter reagiert scharf auf Norbert Blüm
Nach dem Appell von Norbert Blüm zur Flüchtlingspolitik hat der Botschafter von Ungarn, Peter Györkös, eine heftige Entgegnung geschrieben. Hier ist der Wortlaut.
Norbert Blüms Appell zur Flüchtlingspolitik im Tagesspiegel - den Artikel lesen Sie hier - hat den Botschafter Ungarns, Peter Györkös, zu einer Entgegnung veranlasst. Norbert Blüm hatte im Tagesspiegel über Ungarn geschrieben: "Was hätte die Bundeskanzlerin machen sollen, als Tausende Flüchtlinge von Viktor Orban in Ungarn abgewiesen und auf die Autobahn geschickt worden waren? Hätte sie die Frierenden, Erschöpften, die Kinder und Alten unter Berufung auf das Dubliner Abkommen wieder zurückschicken sollen nach Ungarn, wo sie ihren Asylantrag stellen sollten, weil sie dort das Gebiet der EU erstmals betreten hatten?"
Lesen Sie hier die Wortmeldung des Botschafters:
"Anfang der 90er Jahre, als junger ungarischer Diplomat in Bonn habe ich mit großer Anerkennung die Tätigkeit des Bundesministers Blüm verfolgt. Er hat wesentlich zu der Gestaltung der neuen, vereinten Bundesrepublik beigetragen. Und ich bin auch sicher, dass er nicht vergessen hat, welche Rolle Ungarn und die Ungarn damals gespielt haben. Umso mehr war ich auch persönlich betroffen, als ich seinen Artikel heute im Tagesspiegel gelesen habe.
Schon am Wochenende konnte ich etwas ganz Neues über mein Land aus dem "Spiegel" erfahren: „Ungarn gab den Flüchtlingen nicht einmal Wasser und Brot. Premier Viktor Orbán drohte, die Flüchtlinge mit Gewalt zu evakuieren…”
Nun die Fakten: letztes Jahr marschierten ca. 400 000 Migranten durch Ungarn, bis wir es aus eigener Kraft geschafft haben, die grüne Außengrenze des Schengen-Raums unseren internationalen Verpflichtungen gemäß vollständig zu kontrollieren.
Für die Asylbewerber wurde alles Nötige zur Verfügung gestellt. Eines ist wahr: in den Erstaufnahmestellen. Nicht auf den Autobahnen und nicht auf dem Platz vor dem Ostbahnhof. Bei der Versorgung der Asylbewerber waren übrigens Hunderte von ungarischen Bürgern, unter ihnen ein Minister und die Frau des Ministerpräsidenten behilflich. Nach mehr als 20 Jahren im EU-Geschäft kenne ich aber keine europäischen Regeln, wo die Asylbewerber vorschreiben können, wo sie versorgt werden wollen. Ungarn hat niemanden abgewiesen und niemanden auf die Autobahn geschickt. Die Migranten sind einfach in Richtung Deutschland weitermarschiert. Sie haben übrigens erstmals nicht in Ungarn das Gebiet der EU betreten. Meinen Kenntnissen nach ist Griechenland auch ein EU-Mitgliedsland. Sogar Mitglied des Schengen-Raums. Diese Menschen waren also schon einmal im Schengen-Raum, bevor sie an der grünen Grenze zwischen Ungarn und Serbien angekommen sind.
Ungarn hat seine Pflicht wahrgenommen. Und zwar konsequent und lange Zeit als einziger Mitgliedsstaat. Sowohl was den Schutz der Außengrenzen, als auch was die notwendige Versorgung in den Erstaufnahmestellen anbelangt.
Ich habe kein Problem mit der Kritik. Ich stehe auch persönlich für jede Art von Diskussion gerne zur Verfügung. „Vor Tatsachen sollte man Respekt haben“ – sagte Willy Brandt. Wir bitten um nicht mehr und nicht weniger. Denn das ist die grundsätzliche Voraussetzung gegenseitigen Respekts und den haben wir uns in Europa verdient…."
Peter Györkös