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Greenpeace-Aktivisten projizierten ihre Kritik an den Kühlturm des Braunkohlekraftwerks Neurath.
© dpa

Bonn: Heiße Phase bei der Klimakonferenz

Bei der Klimakonferenz sollen diese Woche die Details zum Pariser Abkommen formuliert werden. Wie unterschiedlich sind die Positionen?

Das südpazifische Klima tut der Konferenz in Bonn spürbar gut. Der Talanoa-Spirit, der Geist des respektvollen Austauschs, den die Präsidentschaft von Fidschi mitgebracht hat, wirkt offensichtlich: Die Verhandlungen laufen bisher zufriedenstellend und in einer konstruktiven Atmosphäre. Aber wie weit der Text für die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris am Ende tatsächlich gedeiht, steht noch nicht fest.

An welchem Punkt stehen die Verhandlungen?

„Die Verhandlungen sind zwar zäh, aber im Großen und Ganzen nicht zäher, als man es erwarten würde“, beschreibt Jan Kowalzig von der Nichtregierungsorganisation Oxfam den Zwischenstand aus seiner Sicht. Einer der Streitpunkte ist, wie detailliert das sogenannte „Regelbuch“ ausgestaltet werden soll. Es soll bestimmen, mit welchen Methoden die Staaten ihre Emissionen messen.

Während die EU oder auch Deutschland in Bonn für viel Transparenz plädieren, mauern die Schwellen- und Entwicklungsländer. Bevor sie über das Regelbuch oder neue nationale Beiträge im Pariser Abkommen verhandeln wollen, fordern sie, dass im Rahmen eines eigenen Verhandlungspunktes über die Klimaschutzbeiträge und die Finanzierung aus dem Kyoto-Protokoll debattiert wird.

Würde dazu ein eigener Tagesordnungspunkt eingerichtet, würde offener darüber gesprochen, inwiefern Industrieländer wie Deutschland ihre Klimaschutzbeiträge bis zum Jahr 2020 verfehlen werden. Die Schwellen- und Entwicklungsländer könnten einfordern, dass mehr geschehen muss, bevor sie selbst liefern müssen.

„Es wäre aber wichtig, dass von dieser Klimakonferenz unter der Präsidentschaft Fidschis das Signal ausgeht, dass die Unterstützung für Entwicklungsländer gesichert ist“, sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Die Industriestaaten sollten sich hier einen Ruck geben, sagt er.

Uneinigkeit zwischen Entwicklungs- und Industriestaaten besteht auch bei der Zukunft des Anpassungsfonds aus dem Kyoto-Protokoll. Dieser wurde geschaffen, um Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels zu unterstützen.

Deutschland hat angekündigt, seinen Beitrag um weitere 50 Millionen zu erhöhen. Deutschland sei mit bisher insgesamt 240 Millionen Euro der größte bilaterale Geldgeber für den Fonds, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie erhofft sich von dieser Zusage einen Impuls für eine konstruktive Verhandlungsatmosphäre. Fraglich ist aber, ob er der Fonds nach 2020 in das Pariser Abkommen übernommen wird. Beobachtern zufolge sollen sich die Minister ab Mitte kommender Woche dieses Streits annehmen.

Auf den Staaten lastet Druck, zu einer Einigung zu kommen. Hilfreich wird sein, dass sie am Ende der Konferenz „nur“ einen Zwischenstand präsentieren müssen, aber noch kein fertiges Regelwerk. Verabschiedet werden soll es bei der nächsten Weltklimakonferenz 2018 im polnischen Kattowitz. „Insgesamt besteht aber die Sorge, dass die Zeit knapp werden könnte, das Regelbuch bis dahin fertig zu bekommen“, lautet die Einschätzung Kowalzigs.

Was machen die Amerikaner?

Im US Climate Action Center treffen sich die Akteure, die im Abkommen bleiben wollen. Die sechs riesigen Kuppelzelte sind allein schon ein Statement der amerikanischen Zivilgesellschaft für den Klimaschutz. Mehrere große Bündnisse haben dort ihren Stützpunkt: Die US Climate Alliance, die sich am Tag nach dem angekündigten Austritt der USA gebildet hat, und von Gouverneuren aus 15 Bundesstaaten getragen wird. Die Koalition „We are still in“, die 2500 Mitglieder quer durch alle Institutionen zählt. Oder America's Pledge, die Organisation des Unternehmers und ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg und dem kalifornischen Gouverneur Jerry Brown.

Zusammen haben diese Bündnisse eine große Wirtschaftskraft und durch Gouverneure und Bürgermeister direkten Einfluss auf die Politik. Mit flammenden Worten feuert der Milliardär Tom Steyer die Teilnehmer eines Empfangs am Ende der ersten Woche im Climate Action Center an: „Hier geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um die Umwelt und die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft“, sagt Steyer. „Wir können das hier gewinnen – und wir müssen gewinnen.“

Die offizielle Delegation schlägt ganz andere Töne an: „Es ist nicht zu leugnen, dass fossile Energien noch unabsehbar lange genutzt werden“, heißt es in der Ankündigung zur Veranstaltung „Die Rolle von sauberer Kohle und effizienteren fossilen Energien“.

Auch Syrien will beitreten. Gibt es Kritik Assad?

„Die Menschenrechtsverletzungen in Syrien sind auf der Konferenz kein Thema", berichtet Klimaexperte Kowalzig. Diese seien aber auch nicht der geeignete Ort dafür. Die traurige Wahrheit ist wohl, dass zwangsläufig Diktaturen dabei sind, wenn die gesamte Welt ein Abkommen unterzeichnen soll.

So hat beispielsweise auch Nordkorea das Pariser Abkommen und seinen Vorgänger, das Kyoto-Protokoll, ratifiziert. Machthaber Kim Jong Un kündigte 2015 in Paris zudem an, einen „Krieg gegen die Entwaldung“ führen zu wollen.

„Die notwendige Transformation muss – wenn sie gelingen soll – auch solche schwierigen Länder mit einbeziehen“, sagt Germanwatch-Chef Christoph Bals. Der Beschluss der syrischen Regierung, dem Klimaabkommen beizutreten, sei aber keinesfalls ein Grund, Assad jetzt unkritisch zuzujubeln.

Der angekündigte Beitritt Syriens bedeutet, dass die USA nun der einzige Staat der Welt sind, der sich offen gegen das Pariser Klimaabkommen stellt. Ende Oktober hatte nämlich auch Nicaragua den Beitritt zum Paris-Abkommen zugesagt.

Wie verhält sich die Industrie?

Seit die Umstellung der Stromversorgung mit erneuerbaren Energien auf einem guten Weg ist, rücken die Emissionen aus dem Industriesektor in den Fokus. Ein großer Emittent von Kohlendioxid ist die Zementindustrie. Selbst wenn sie mit 100 Prozent erneuerbarem Strom arbeiten würde, entstünde beim Prozess der Zementherstellung immer noch sehr viel Klimagas. Also bleibt künftig nichts anderes übrig, als es abzuscheiden, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt. Aber wohin damit?

Heidelberg Cement will Kohlendioxid in einem Pilotprojekt in Marokko sinnvoll nutzen: In einer Farm in der Wüste werden Algen damit gespeist, um danach als Futter für die lokale Fischzucht zu dienen. Der Bau der Farm beginnt gerade. Noch 20 andere Projekte dieser Art habe das Unternehmen in der Pipeline, berichtet Rob van der Meer von Heidelberg Cement bei einer Veranstaltung im Deutschen Pavillon.

Kohlendioxid in die Erde zu pressen, ist eine andere Möglichkeit, das CO2 loszuwerden. Norwegen will ausgebeutete Gas- und Ölformationen unter der Nordsee dafür nutzen. Das Land stellt Strom hauptsächlich aus Wasserkraft her und muss deshalb früher als andere bei der Industrie ansetzen, um seine Minderungsziele zu erreichen.

„Auch aus dem größten europäischen Industriegebiet an der Ruhr könnte verflüssigtes Kohlendioxid nach Rotterdam verfrachtet und über Pipelines in die porösen Sandsteinschichten unter der Nordsee gepresst werden“, sagt Keith Whiriskey von der Umweltorganisation Bellona. Allerdings hat die norwegische Regierung in ihrem Budget für 2018 gerade massive Kürzungen für die Technologie angekündigt, berichtet Raymond Johansen, Oberbürgermeister von Oslo, in Bonn.

Kritik an der Autoindustrie kommt von Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan. Wie die Organisation Influencemap berichtet, baut die Alliance of Automobile Manufacturers in den USA immer mehr Druck auf, damit die Abgasvorschriften aufgeweicht werden. Dem Bündnis gehört auch VW an. „Das ist ein klarer Fall von Heuchelei“, sagt Morgan mit Blick auf die Eigenwerbung der Autoindustrie, die die Sauberkeit ihrer Fahrzeuge preise.

Was waren bisher Höhepunkte abseits der Verhandlungen?

Der Inselstaat Tonga ist schon von den Auswirkungen eines steigenden Meeresspiegels betroffen. Die Delegation überraschte gleich zu Beginn der Klimakonferenz mit der Ansage, dass das Dach des Königspalastes großflächig mit Solarpaneelen ausgestattet werden solle. Dies ist zwar eher als symbolischer Akt gegen die Erderwärmung gedacht, passt aber gut in die neue Energiestrategie des Inselstaates. Bis 2020 sollen erneuerbare Energien einen Anteil von 50 Prozent haben.

Aufsehen erregten in der ersten Woche auch die Aktivisten von Greenpeace. Sie protestierten mit riesigen Projektionen am Kohlekraftwerk Neurath in der Nähe von Bonn. Aus Licht zeichneten sie rund 30 Gesichter und den Spruch „Kohle zerstört unsere Zukunft“ in mehreren Sprachen auf die mehr als 100 Meter hohen Kühltürme. Bei der Aktion waren auch Vertreter der Fidschi-Inseln dabei.

Das Neurather Kraftwerk ist mit einer Leistung von 4400 Megawatt das größte Kraftwerk in Deutschland und das zweitgrößte Braunkohlekraftwerk in Europa. Mit einem CO2-Ausstoß von mehr als 32 Millionen Tonnen verursachte es im Jahr 2015 die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke.

Was bringt die Woche?

Am Mittwoch beginnt das dreitägige High Level Segment, zu dem die Minister kommen und Entscheidungen fallen sollen. Zum Anfang trifft sich Angela Merkel mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Thema soll unter anderem ein Preis auf Kohlendioxid sein, heißt es. Den wird die laufende Klimakonferenz allerdings nicht beschließen. Das Thema steht nicht auf der Agenda und wäre zum jetzigen Zeitpunkt politisch nicht durchsetzbar.

Wie fast alle Klimakonferenzen könnte auch die in Bonn in Verlängerung gehen und bis in den Samstagmorgen dauern. Knackpunkt dürfte die Finanzierung der unabwendbaren Schäden und Verluste werden, die durch den Klimawandel auftreten. Dafür verlangen die Entwicklungsländer eine Entschädigung von den Industrieländern.

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