Besuchsbeschränkungen auch nach Impfung: Heimbewohner leiden weiter unter Abschottung
Für Pflegeheim-Bewohner bleibt es auch dann bei Besuchsbeschränkungen, wenn sie doppelt geimpft sind. Teilweise wurden Schutzmaßnahmen sogar noch verschärft.
Für die meisten Pflegeheim-Bewohner bleiben die verhängten Besuchsmöglichkeiten beschränkt, obwohl sie bereits vollen Impfschutz gegen Corona haben. Das ist einer bislang unveröffentlichten Umfrage des BIVA-Pflegeschutzbundes unter Angehörigen zu entnehmen, die dem Tagesspiegel Background Gesundheit vorliegt.
Demnach wurden bei mehr als 80 Prozent der bereits vollständig geimpften Heimbewohner die Besuchsverbote oder -einschränkungen bislang nicht aufgehoben. Mitunter geschah sogar das Gegenteil: Bei zehn Prozent der Befragten wurden die Schutzmaßnahmen weiter verschärft.
Dass Besuchsbeschränkungen komplett zurückgenommen wurden, berichteten gerade mal 0,6 Prozent der befragten Angehörigen. 5,3 Prozent gaben an, die Verbote seien teilweise aufgehoben worden. Und bei vielen herrscht Resignation: Nur etwa jede(r) Vierte rechnet damit, dass nach den Impfungen bei den Besuchsregelungen auf absehbare Zeit alles wieder so wird wie vorher.
Insgesamt berichteten lediglich 14,6 Prozent der Befragten von Besuchsmöglichkeiten ohne zeitliche Einschränkung. 24,7 Prozent gaben an, die Besuchszeiten seien derart beschränkt, dass diese – etwa wegen Berufstätigkeit – nicht wahrnehmbar seien. Für 11,2 Prozent der Angehörigen waren Besuche überhaupt nicht möglich.
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Die Umfrage zeichne „ein erschütterndes Bild“, sagte der BIVA-Vorsitzende Manfred Stegger. Weiterhin litten Tausende alte Menschen, die durch die Impfung vor Ansteckung geschützt sind, an sozialer Isolierung durch Besuchsbeschränkungen. Die Länder müssten „umgehend handeln, damit die Menschen in Alten- und Pflegeheimen nicht länger unter Isolation leiden müssen“.
Schließlich gehe es dabei nicht um Privilegien für Geimpfte, sondern für einen besonders betroffenen Personenkreis lediglich um die Rückkehr zu den allgemeinen Einschränkungen, die für alle gelten.
Ethikrat fordert Aufhebung der Isolierung
Die Heimbetreiber verstoßen mit dem Beharren auf Besuchsbeschränkungen auch gegen eine Empfehlung des Ethikrates, der sich vor kurzem ausdrücklich für deren Aufhebung für Pflegeheimbewohner nach Erreichen des vollen Impfschutzes ausgesprochen hatte. Allerdings hätten sich die Heimbetreiber nach den Vorgaben der Bundesländer zu richten, so der Verband. Und diese hätten es bisher versäumt, die geltenden Schutzverordnungen für Heime nach den Impfungen entsprechend wieder zu lockern.
Laut Ethikratsmitglied Sigrid Graumann geht es bei der geforderten Aufhebung von Besuchsverboten für geimpfte Pflegebedürftige keineswegs um Sonderrechte, sondern um die Rücknahme einer Benachteiligung. Der Verzicht auf gemeinsame Mahlzeiten und andere Isolationsmaßnahmen, die Depressionen und ein rasches Voranschreiten von Demenz begünstigen könnten, sei „nur zu rechtfertigen, solange die in solchen Einrichtungen Lebenden noch nicht geimpft sind“.
Dass manche Bewohner aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen womöglich nach wie vor ungeimpft seien, spreche nicht gegen die Aufhebung der Maßnahmen. Die Nicht-Geimpften müssten dann eben mit anderen Maßnahmen wie Schnelltests, FFP2-Masken und Schutzkleidung für Pflegekräfte geschützt werden.