Neue Bundesregierung: Heimat schafft Stellen
Und auch die Digitalisierung braucht mehr Beamte. Die Groko plant mit 209 zusätzlichen Posten. Opposition und Rechnungshof haben Fragen - vor allem an Horst Seehofer.
Im Haushaltsausschuss des Bundestags ging es am vergangenen Mittwoch etwas heftiger zu. Auf dem Tisch lag die Ausschussdrucksache 0069: eine Vorlage des Bundesfinanzministeriums zum Stellenplus in den Ministerien. „Um die Arbeitsfähigkeit der neu konstituierten Bundesregierung sicherzustellen, ist es erforderlich, zusätzliche Planstellen und Stellen im laufenden Haushaltsvollzug auszubringen“, hieß es in dem Papier. Dafür bestehe ein „unabweisbarer, auf andere Weise nicht zu befriedigender Bedarf“. Veränderte Arbeitsstrukturen, neue Schwerpunkte – insbesondere das neue Regierungssteckenpferd Digitalisierung – werden als Gründe genannt. Die Stellenvermehrung addiert sich über alle Ressorts hinweg auf 209 Posten. Das dürfte jährlich weit über zehn Millionen Euro kosten.
Die Opposition hat Zweifel an der Notwendigkeit. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler mokiert sich vor allem über eine „Aufblähung der Leitungsebene ohne jede Begründung“. Auch der Bundesrechnungshof äußerte in der Ausschusssitzung deutliche Kritik und hatte Fragen an die Regierung. Unklar ist nämlich, ob die neuen Stellen tatsächlich alle gebraucht werden. Zwar will die Koalition die neuen Stellen vorerst finanzieren, indem sie nicht besetzte Stellen etwa beim Zoll dafür nutzt. Doch diese sollen mit dem neuen Etat für 2018 gleich wieder neu geschaffen werden. Kritik richtet sich zum Beispiel an den neuen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Der bekommt im Finanzministerium 41 neue Stellen in der Leitungsabteilung für „Aufgaben des Vizekanzlers“. Dahinter steckt eine Abteilung, welche einzig und allein dazu dient, die SPD-Ministerien zu koordinieren, ein kleiner Gegenpol zum Kanzleramt also. An deren Spitze steht als neuer beamteter Staatssekretär der langjährige Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt. Eine solche Abteilung hatte auch Sigmar Gabriel im Wirtschafts- und dann im Außenministerium. Laut Kindler ist aber unklar, ob diese Stellen nun alle ins Finanzministerium wandern. Und laut Vorlage sind auch nur sechs der 41 Stellen befristet für die „Aufgabe Vizekanzler“.
Auch Scholz und Heil bauen auf
Fragen gibt es auch an den neuen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Der schafft eine neue Abteilung „Digitalisierung und Arbeit“ mit 19 Stellen, geführt von einem beamteten Staatssekretär der Besoldungsgruppe B11 und ausgestattet mit fünf weiteren Stellen mit hoher B-Besoldung. Neuer Staatssekretär für diese Aufgabe (und verantwortlich für eine weitere Abteilung und eine Unterabteilung) ist Björn Böhning, früherer Juso-Chef und bisher Chef der Berliner Senatskanzlei. Die Zahl der Staatssekretäre im Ministerium wächst dadurch von zwei auf drei. Im Haushaltsausschuss fragt man sich freilich, ob die Einrichtung einer neuen Abteilung Digitalisierung mit nur wenigen Stellen es rechtfertigt, auch gleich die Zahl der Staatssekretäre zu erhöhen. Apropos Digitalisierung: Im Kanzleramt wächst das Aufgabenfeld ebenfalls – die neue Digitalisierungs-Staatsministerin Dorothee Bär bekommt fünf Stellen zugeteilt, und eine neue Abteilung für die „IT-Steuerung des Bundes“, bisher glanzlos im Bundesinnenministerium (BMI) verortet, kommt auf 26 Stellen. Die werden offenbar nur zum Teil aus dem BMI verlagert.
"Was machen die überhaupt?"
Die Hauptkritik im Haushaltsausschuss aber richtete sich an den neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Seine Idee, das Ressort um das Politikfeld „heimatbezogene Innenpolitik“ zu ergänzen und dafür mehr als hundert Beamte vorzusehen, mutet einigen Parlamentariern als teurer Luxus an. Niemand wisse, „was die überhaupt machen sollen und warum der Bund so etwas machen soll“. Zwar sind die Aufgaben der neuen Abteilung – Raumordnung, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse – bisher schon anderen Ministerien zugeordnet. Aber ob es eine Stellenverschiebung gibt, ist der Vorlage nicht zu entnehmen. Raumordnung war bisher beim Verkehrsministerium, das Kümmern um das Regionale besorgte das Landwirtschaftsministerium. Da Seehofer der neuen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) aber keine Stellen entwinden konnte, wird er wohl viele Stellen neu schaffen – dazu gehören auch ein zusätzlicher beamteter und ein neuer parlamentarischer Staatssekretär.