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Olaf Scholz, neuer Bundesfinanzminister.
© Stefan Boness/Imago/Ipon

Neuer Bundesfinanzminister: Vor welchen Herausforderungen Olaf Scholz steht

Der neue Finanzminister hat einiges vor sich: Die Groko zusammenhalten, die SPD profilieren, international eine gute Figur machen. Dafür stellt er auch das Ministerium neu auf.

Eine der weitesten Reisen seiner Amtszeit hat er schon hinter sich: Das turnusmäßige Treffen der G-20-Finanzminister fand gerade in Buenos Aires statt – 12 000 Kilometer Flugstrecke, 15 Stunden hin und 15 Stunden zurück: ein großer Zeitaufwand für den einen Tag, den Olaf Scholz in dem Kreis verbrachte, in dem er eine größere Rolle spielen will und muss. Kaum war er da, reiste der neue Bundesfinanzminister auch schon wieder ab: Denn an diesem Mittwoch ist Regierungserklärungsdebatte im Bundestag, da will er dabei sein – ist er doch auch Vizekanzler in der schwarz-roten Koalition.

Da darf er nicht fehlen auf der Regierungsbank. Als Nachfolger von Wolfgang Schäuble im Ministeramt (dem zweifellos zentralsten im Kabinett nach der Kanzlerin) und als Nachfolger von Sigmar Gabriel als Anführer des sozialdemokratischen Fähnleins in der Regierung will er nicht fehlen auf der Regierungsbank, wenn sozusagen die parlamentarische Koalitionstaufe stattfindet. Nicht zuletzt auf ihn wird es ankommen, wenn es einerseits um das Funktionieren der Koalition geht und andererseits um das Profilieren der Sozialdemokraten in dem ungeliebten Bündnis. Die Aufgabe ist ganz nach dem Geschmack des ehrgeizigsten Hanseaten seit Helmut Schmidt.

Welche haushaltspolitischen Herausforderungen kommen auf Scholz zu?

Und es werden einige Herausforderungen auf den neuen Finanzminister zukommen. Sein Vorgänger wurde in der SPD- Fraktion gern als „Wolfgang im Glück“ bezeichnet – Schäuble hatte dank guter Konjunktur (neun Jahre Aufschwung) und niedriger Zinsen haushaltspolitisch in der Tat gute Jahre, die erstmals seit Jahrzehnten zu Überschüssen führten. Dank derer konnte auch die große Herausforderung des Flüchtlingszuzugs letztlich mit relativ leichter Hand gemeistert werden.

Scholz erbt so eine Milliardenrücklage, die zwar – so muss es sein nach dem Haushaltsrecht – schon verplant ist, die aber das Manövrieren doch auch leichter macht. Und darauf kommt es kurzfristig an: Das Finanzministerium muss nämlich den seit fast einem Jahr vorliegenden Entwurf des Bundesetats für 2018 an den neuen Koalitionsvertrag anpassen. Dazu gehört auch, die Finanzplanung auf die Beschlüsse von CDU, CSU und SPD auszurichten. Und die Groko hat einiges an Ausgaben beschlossen – das im Koalitionsvertrag aufgeführte 46-Milliarden-Paket ist nur die Mindestambition.

Die weiteren Summen, die nötig sind, müssen erst noch gefunden werden. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat dafür unlängst eine Finanzierungslücke von 20 Milliarden Euro ausgemacht.

Was ist noch nicht finanziert?

Nicht finanziert ist derzeit vor allem der Ausbau der Mütterrente, das Gesichtswahrungsprojekt der CSU und damit von Kabinettsschwergewicht Horst Seehofer. Die SPD will die Grundrente für Arme einführen, auch dafür ist bislang kein Geld da oder es muss im Etat durch Umschichtungen gefunden werden. Außerdem sollen die Sicherheitsbehörden des Bundes gestärkt werden – 7500 neue Stellen sind geplant. Kein Wunder, dass der Abbau des Solidaritätszuschlags erst 2021 beginnen soll.

Scholz wird mit den Kollegen in den Fachressorts mehr zu kämpfen haben als Schäuble. Wobei die Investitionstöpfe vor allem in Ministerien angesiedelt sind, die von CDU- und CSU-Ministern geführt werden (Verkehr, Bau, Wirtschaftsförderung, Bildung, Landwirtschaft), während die SPD die Ressorts mit den Sozialetats hat (Arbeit, Familie). Da deutet sich für den neuen Finanzminister ein Zielkonflikt an, wenn es mal enger werden sollte: Muss eher mehr investiert werden, um anzukurbeln (stets eine sozialdemokratische Forderung), oder müssen Sozialleistungen erhöht werden, um abzufangen?

Und enger wird es werden, mutmaßlich zum Ende der Wahlperiode hin, denn für 2018 und auch für 2019 erwarten die Wirtschaftsforscher noch ein ordentliches Wachstum. Doch haushaltspolitische Risiken bauen sich erfahrungsgemäß dann auf, wenn alles glatt läuft. Gute Lohnabschlüsse werden die Inflation anfachen, die EZB steigt aus ihrer Niedrigzinspolitik aus – was allenfalls durch einen wirtschaftlichen Einbruch in der Euro-Zone aufgehalten würde, der dann aber auch auf die deutschen Steuereinnahmen drücken würde. Diese Gemengelage – höhere Zinsen bei absehbar etwas schwächerer Wirtschaftsdynamik – wird Scholz’ Aufgabe, den Etat ausgeglichen zu halten, nicht einfacher machen.

Wie sehen die internationalen Herausforderungen aus?

Beim G-20-Treffen in Buenos Aires war eine Herausforderung, die Scholz zu meistern haben wird, das zentrale Thema: Wie bremst man den galoppierenden Protektionismus der US-Regierung von Donald Trump? Scholz hat deutlich gemacht, dass Deutschland weiter für fairen Freihandel steht. Anders als Schäuble (und dessen eher ordnungspolitisch formatierte internationale Abteilung im Ministerium um den Staatssekretär Thomas Steffen, den Scholz entlässt) könnte der Sozialdemokrat aber offener sein für Kritik am deutschen Handelsüberschuss, der nicht nur den Amerikanern ein Dorn im Auge ist.

Dass Scholz nun fordert, internationale Digitalkonzerne stärker zu besteuern (also die Geldmaschinen der US-Wirtschaft wie Google und Apple), ist EU-Linie – aber die wird nur Gehör bekommen, wenn der deutsche Finanzminister hier international hartnäckig auftritt. Hier muss er den Konflikt mit seinem US-Kollegen Steven Mnuchin bestehen. Die auch im neuen Koalitionsvertrag geforderte Finanztransaktionssteuer will Scholz ebenfalls international durchsetzen – die Finanzbranche läuft Sturm dagegen. Dazu kommt der Kampf gegen die sich ausbreitenden Kryptowährungen.

Europapolitisch steht das Finanzministerium zwar im Schatten des Kanzleramts und hat Konkurrenz durch das Wirtschaftsministerium, in dem nun Peter Altmaier, der Ultraeuropäer im Kabinett, schaltet und waltet. Doch Scholz wird versuchen, hier aus dem Amt heraus auch das SPD-Profil zu schärfen. Das heißt: Ein bisschen netter zu den EU-Partnern sein, aber bitte nicht auf Kosten des deutschen Haushalts. Substanziell wird Scholz wohl von Schäubles Linie nicht abweichen. Das Risiko, das im Brexit steckt, ist eine Unbekannte, mit der Scholz konfrontiert werden wird. Dass die Zahlungen an die EU höher ausfallen werden, scheint schon ausgemacht zu sein.

Wie richtet sich Scholz sein Ministerium ein?

Wie Olaf Scholz mit Elan und mit Vorsicht zugleich an seine neuen Aufgaben als Bundesfinanzminister und Vizekanzler herangeht, zeigen seine Personalentscheidungen. Drei neue beamtete Staatssekretäre hat er ausgewählt für die Führung des Ministeriums und einen zurückgeholt. Zwei Vertraute von Vorgänger Wolfgang Schäuble müssen gehen. Dass sein alter Gefährte und Vertrauter Wolfgang Schmidt dabei ist, bisher als Hamburger Bundesratsbevollmächtigter Scholzens Mann für die Berliner Dinge, überrascht nicht. Schmidt leistet seit 2002 gute Dienste – ob Scholz nun SPD- Generalsekretär war, Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Bundesarbeitsminister oder Hamburger Bürgermeister.

Und als Scholz mal nichts war, um 2010 herum, ging Schmidt zur Internationalen Arbeitsagentur und sammelte dort Erfahrungen in einer internationalen Organisation, die er nun wohl gut gebrauchen kann. Denn der 47-Jährige soll sich als beamteter Staatssekretär um internationale Finanz- und Währungspolitik kümmern. Als ausgewiesener Fachmann dafür gilt er freilich nicht, aber es ist auch nur der etwas weniger bedeutende Teil der Aufgabe: Scholz hat den in der Partei recht gut vernetzten Schmidt vor allem mitgebracht, um vom Finanzministerium aus die SPD-Ressorts zu koordinieren. Schmidt ist damit eine Art Staatssekretär für Vizekanzlerdinge. Scholz will und darf da nichts anbrennen lassen.

Ein zweiter langjähriger Begleiter soll sich als Staatssekretär um die Steuerfragen kümmern und um die Bund-Länder- Finanzbeziehungen: Rolf Bösinger, bisher Staatsrat in der Hamburger Wirtschaftsbehörde. Scholz kennt ihn schon lange, Bösinger arbeitete einst in der SPD-Parteizentrale und auch im Bundesarbeitsministerium. Er hat im Hintergrund auch den neuen Finanzausgleich mitverhandelt, kennt sich also aus in seinem neuen Metier.

Dass Werner Gatzer als Staatssekretär für den Bundeshaushalt zurückkehrt, war eine kleine Überraschung – der Spitzenbeamte hatte das Haus in der Wilhelmstraße erst zum Jahreswechsel verlassen und bei der Deutschen Bahn als Vorstandsmitglied angeheuert, zuständig für Service, worunter die Bahnhöfe fallen. Nun ist er zurück – eine Entscheidung mit Ansage. Denn Gatzer steht für die Politik der schwarzen Null wie wenige andere Spitzenbeamte. Der Sozialdemokrat, der unter Peer Steinbrück Staatssekretär wurde, war in dieser Hinsicht Wolfgang Schäubles bester Mann. Gatzer steht auch für die Politik der Schuldenbremse. Deren Kontrollgremium, der Stabilitätsrat, gilt als sein „Baby“. Scholz will hier also anknüpfen.

Warum kommt ein Goldman-Sachs-Manager als Staatssekretär?

Die größte Überraschung war die am Montag vom Tagesspiegel gemeldete Entscheidung, den Co-Chef der deutschen Niederlassung von Goldman Sachs, Jörg Kukies, zum Staatssekretär für Europa und Finanzmarktpolitik zu machen. Ein Investmentbanker soll sich also um die internationale Finanzmarktregulierung kümmern und die Absicherung des europäischen Bankensektors. Der Linken-Politiker Fabio de Masi spottete: „Olaf Scholz imitiert Donald Trump und macht die Brandstifter zur Feuerwehr.“ Kukies’ Ernennung sei ein schwarzer Tag für die Regulierung von Banken und Finanzmärkten. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick sagte: „Scholz macht denselben Fehler wie schon Steinbrück, bei Finanzmarktfragen auf Investmentbanker und ihre Freunde zu hören.“

Als ehemaliger Juso-Chef in Rheinland-Pfalz blinkte der 50-jährige Kukies immerhin mal so links wie Scholz und sein Adlatus Schmidt. Doch Kukies ist ein Goldman-Sachs-Mann durch und durch. Schon bald nach seinem mit dem McCloy-Edelstipendium finanzierten Master-Studium in Harvard und seiner Promotion an der Universität Chicago heuerte er bei der so einflussreichen wie berüchtigten Investmentbank an. Seit 2001 kümmerte er sich in den Niederlassungen London und Frankfurt nicht zuletzt um strukturierte Produkte – jene Finanzinstrumente, die zum Auslöser der weltweiten Finanzkrise wurden.

Das Vorantreiben der Digitalisierung auch im Bankgeschäft gehörte zu seinen Aufgaben. Seit 2014 war er Co-Chef der deutschen Niederlassung der Bank, bei der es nach Medienberichten zuletzt nicht ganz so gut lief, wie man es in der New Yorker Zentrale wohl gern gesehen hätte.

Immerhin dürfte Kukies als Goldman- Sachs-Partner gute Kontakte in die amerikanische Finanzbranche haben und damit auch in die US-Administration, wo Leute der Investmentbank traditionell immer wieder führende Jobs übernehmen. „Government Sachs“ lautet der Spitzname in Washington. Donald Trumps Finanzminister Steven Mnuchin war ebenfalls mal bei dem Institut. EZB-Chef Mario Draghi auch. Den wird Kukies nun häufiger sehen, denn er wird auch für die Europapolitik zuständig sein.

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