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Dieses Bild aus dem Situation Room soll zeigen, wie Präsident Donald Trump (Mitte) den Einsatz verfolgt.
© dpa/AP/Shealah Craighead/The White House

Der Tod von Abu Bakr al Bagdadi: Hat Donald Trump zu viel verraten?

Der US-Präsident schildert 48 Minuten lang die Liquidierung von IS-Chef Bagdadi. Experten sind entsetzt, dass Trump so viele Details nennt.

48 Minuten lang dauerte der Auftritt von US-Präsident Donald Trump am Sonntag im Weißen Haus. 48 Minuten, in denen er den Tod des meistgesuchten Terroristen Abu Bakr al Bagdadi verkündete, die Jagd nach dem IS-Anführer mit teilweise drastischen Worten schilderte, Verbündeten dankte, auf Journalistenfragen antwortete – und möglicherweise Geheimnisse verriet. Zum Vergleich: Als Barack Obama 2011 den Tod des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden erklärte, brauchte er dafür neun Minuten, Fragen waren danach nicht zugelassen.

Auch im Ton unterscheiden sich die beiden Präsidenten fundamental. Während Obama an die amerikanischen Werte erinnerte, auf die sich die USA bei ihrem Kampf gegen den Terror besinnen müssten, sagte Trump, Bagdadi sei „wie ein Hund“ gestorben, „winselnd“ und krank vor Angst. Dazu kommt, dass am Tag nach Trumps länglichem Auftritt vieles noch unklar ist – und dem Präsidenten innenpolitisch mächtig Ärger droht.

Hinweise auf den Aufenthaltsort von Bagdadi hatten die USA nach jahrelang vergeblicher Suche im Sommer erhalten. Die Planungen für den Einsatz begannen nach Angaben der „New York Times“, als der US-Auslandsgeheimdienst CIA erfuhr, dass der langjährige IS-Chef sich in einem Anwesen nahe dem Dorf Barisha in der nordwestsyrischen Provinz Idlib aufhielt, eine Gegend, die von rivalisierenden Terrormilizen kontrolliert wird. Diese Informationen gingen auf eine gefangen genommene Ehefrau Bagdadis zurück und auf einen Kurier, wie die Zeitung unter Berufung auf Regierungsvertreter schreibt.

Die Kurden haben wichtige Informationen geliefert

Danach arbeitete die CIA eng mit irakischen und kurdischen Geheimdienstmitarbeitern zusammen, um mehr über Bagdadis Verhalten zu erfahren. Die Kurden halfen auch noch, nachdem Trump überraschend den Abzug der US-Truppen aus der Region angekündigt hatte. Diesen Schritt hatten die kurdischen Verbündeten im Kampf gegen den IS als Verrat empfanden, weil er den Einmarsch der Türkei ermöglichte.

Die syrischen und irakischen Kurden hätten mehr Informationen für den Einsatz beigesteuert als jedes andere Land, erklärten US-Regierungsvertreter. Das sehen auch die Kurden so: Der Kommandeur der von der Kurdenmiliz YPG dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, twitterte, Bagdadis Tod sei das Ergebnis einer über fünf Monate andauernden Geheimdienstzusammenarbeit gewesen.

Unter Führung der US-Army-Eliteeinheit Delta Force wurden Einsatzpläne erstellt, um Bagdadi entweder zu ergreifen oder zu töten. Kein leichtes Unterfangen – mindestens zweimal sei die Operation in letzter Minute abgebrochen worden, schreibt die „New York Times“. Das Gebiet rund um das Dorf wird von Al Qaida kontrolliert, der Luftraum von Syrien und Russland. Die Entscheidung sei vergangene Woche gefallen, da Bagdadi offenbar seinen Aufenthaltsort wechseln wollte. Da die US-Truppen abzogen, würde es künftig schwieriger werden, ihn aufzuspüren.

Am Donnerstag habe Trump grünes Licht für den Einsatz gegeben, sagte Verteidigungsminister Mark T. Esper in der ABC-Sendung „This Week“. Der Codename des Einsatzes war "Kayla Mueller", nach einer Amerikanerin, die im August 2013 in Aleppo vom IS entführt und 17 Monate später ermordet worden war.

Trump dankt ausführlich Russland - die Opposition ist empört

In der Nacht zu Sonntag, in Washington war es da 17 Uhr am Samstag, starteten acht US-Hubschrauber von einem Stützpunkt nahe Erbil im Irak. 70 Minuten dauerte ihr Flug zu dem Anwesen wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, in dem sich Bagdadi mit seiner Familie aufhielt. Aus der Luft wurden mehrere Gebäude beschossen, so dass die Delta-Force-Kämpfer dort landen und in das Versteck eindringen konnten.

Den Ablauf der zweistündigen Operation schilderte Trump detailliert in seiner Pressekonferenz, so detailliert, dass sich Militär- und Sicherheitsexperten mit Blick auf Informanten vor Ort aber auch auf künftige Einsätze Sorgen machen.

„Das sind operative Details“, die Amerikas Feinden helfen könnten, sagte der ehemalige US-Anti-Terrorchef Michael Leiter der Nachrichtenseite Vox. Um 19.15 Uhr Washingtoner Zeit meldete der Einsatzleiter Bagdadis Tod. Der Terrorführer hatte sich und drei seiner Kinder nach US-Angaben selbst getötet. Elf weitere seiner Kinder überlebten. Das Anwesen wurde zerstört, um zu vermeiden, dass es zu einem Pilgerort von IS-Sympathisanten wird. Die Helikopter flogen „den gleichen Weg“ zurück, wie Trump erklärte. Auch das eine brisante Information.

Bei seiner Pressekonferenz am Sonntag dankte der Präsident erst Russland, der Türkei, Syrien und dem Irak, bevor er die Kurden erwähnte. Vor allem die Russen hob er dabei hervor: Sie seien „sehr kooperativ“ gewesen. „Wir sagten ihnen, dass auch ihnen diese Mission gefallen würde, da sie den IS ja auch hassen.“ Die Russen hätten ihre Erlaubnis für den Flug gegeben. Die Frage, ob er sie über das Angriffsziel informiert habe, verneinte er.

Die Demokraten im Kongress hatte Trump dagegen nicht vorab informiert. Eigentlich ist es üblich, die politischen Spitzen bei einen Einsatz dieser Dimension einzubeziehen. Trump tat dies erst nachträglich: Er habe vermeiden wollen, dass etwas durchsickere, sagte er. Nancy Pelosi, die Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, reagierte empört auf diese Aussagen, die nahelegen, dass Trump Moskau mehr vertraut als der Opposition im eigenen Land.

Moskau widerspricht der Darstellung Washingtons

Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater Robert O’Brien wies später die Kritik an der frühen Einbeziehung Russlands zurück. Die US-Einheiten hätten über Gebiete fliegen müssen, in denen es bedeutende Flugabwehrkapazitäten gebe – „von Syrern, Türken und anderen“. Russland bedeute immer noch eine große Gefahr für die USA, sagte er im Sender NBC. Doch manchmal würden sich amerikanische Interessen mit russischen „decken“, und dann gebe es keinen Grund dafür, dass die beiden Länder nicht zusammenarbeiten könnten. Russland sei aber kein „Verbündeter“ der USA, das sehe auch der Präsident so.

Möglicherweise stimmt das alles aber gar nicht. Denn Moskau widersprach später Trumps Darstellung: Man habe keine Vorab-Informationen gehabt, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Dagegen erklärte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu am Montag, warum der Dank auch an sein Land ging. Die Türkei und ihre amerikanischen Verbündeten hätten sich ausgetauscht, bevor die Operation gestartet sei, sagte er.

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