Griechenland-Gipfel: Härtetest für Angela Merkel und François Hollande
Bei den Gesprächen mit Athen kommt es vor allem auf Angela Merkel und François Hollande an. Je näher eine Entscheidung im Griechenland-Drama rückt, umso mehr wird der Schuldenstreit auch zum Härtetest für das deutsch-französische Paar.
Sie bilden ein Duo, dem in der Griechenland-Krise eine entscheidende Bedeutung zukommt: Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande. In den vergangenen Wochen trafen die beiden mehrfach mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zusammen, um eine Annäherung bei den Verhandlungen zwischen den internationalen Gläubigern und der Regierung in Athen zu ermöglichen. Am Montag unternahmen Merkel und Hollande im Kreis ihrer Amtskollegen aus der Euro-Zone erneut einen Versuch in Brüssel, einer Verhandlungslösung den Weg zu ebnen. Merkel und Hollande lehnen zwar einerseits eine Einigung um jeden Preis ab, wollen aber andererseits die drohende Pleite Griechenlands verhindern. Dieser Balanceakt wird auch zur Bewährungsprobe für das deutsch-französische Führungsduo in Europa.
Warum braucht die Kanzlerin Hollande als Partner in der Griechenland-Krise?
Sowohl Merkel als auch Hollande betonen, dass Griechenland in der Euro-Zone gehalten werden soll. Trotz dieser Beteuerungen ist aber auch ein anderes Szenario denkbar: Hellas bleibt zwar nominell Mitglied der Gemeinschaftswährung, muss aber dennoch wegen der Zahlungsunfähigkeit eine Parallelwährung einführen und schwere wirtschaftliche Verwerfungen in Kauf nehmen. Dieses Szenario würde eintreten, wenn es innerhalb der nächsten Tage keinen Kompromiss zwischen der Athener Linksregierung und den Gläubigern gibt.
Für beide denkbaren Entwicklungen – die gütliche Einigung mit Tsipras oder das Scheitern – braucht Merkel die Rückendeckung des französischen Präsidenten. Der Grund: Bei der Griechenland-Krise geht es auch um den Zusammenhalt zwischen dem krisengeplagten Süden und dem Norden der Euro-Zone. Deutschland mit seinem Haushaltsüberschuss und Frankreich mit seinen Schwierigkeiten bei der Einhaltung des Euro-Stabilitätspaktes verkörpern in gewisser Weise Nord und Süd. Eine Lösung, die allein von Merkel durchgedrückt würde, dürfte in der Euro-Zone keinen Bestand haben.
Verfolgen Merkel und Hollande grundsätzlich dieselbe Linie?
Unmittelbar nach seinem Amtsantritt Ende Januar hatte Tsipras noch darauf spekuliert, in Hollande einen Verbündeten für sein Vorhaben zu finden, die Sparpolitik in der EU grundsätzlich zu beenden. Deshalb warb der Chef des Linksbündnisses Syriza zunächst in Paris um Unterstützung für seine Politik. Erst Wochen später erörterte er im März im Kanzleramt mit Merkel stundenlang die Lage in seinem Land und in der Euro-Zone.
Tsipras weiß, dass er bei den Bürgern in Frankreich mit mehr Nachsicht gegenüber den Defiziten in seinem Land rechnen darf als in Deutschland. Laut einer Erhebung des französischen Meinungsforschungsinstituts OpinionWay glauben 53 Prozent der Menschen im Nachbarland nicht, dass ein „Grexit“ die beste Lösung darstellen würde. Hierzulande würden hingegen nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage des Instituts YouGov 58 Prozent der Befragten einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone befürworten.
Trotz der Unterschiede in der Wahrnehmung der Griechenland-Krise in der deutschen und französischen Öffentlichkeit ist aber Tsipras’ Hoffnung inzwischen zerstoben, mit der Hilfe des Sozialisten Hollande die Kreditverträge mit den Gläubigern zu zerreißen. Zwar hatte Anfang Februar Hollande noch zu Protokoll gegeben, dass das Votum der Griechen für das Linksbündnis Syriza bei den zurückliegenden Parlamentswahlen Respekt verdiene. Allerdings kam auch in Frankreich Tsipras’ Doppelstrategie, einerseits permanent eine bevorstehende Einigung zu beschwören und andererseits verbal auf die Gläubiger einzuprügeln, nicht gut an.
Der Verhandlungskurs des griechischen Ministerpräsidenten führte eher dazu, Merkel und Hollande in der Griechenland-Krise zusammenzuschweißen. So kam es auch, dass Frankreichs Staatschef am vergangenen Freitag in Bratislava darauf pochte, dass gemeinsam mit Griechenland ein Kompromiss gefunden wird, der „auf die europäischen Regeln“ fußt. Der Satz hätte genauso gut auch von Merkel stammen können.
So waren es auch Merkel und Hollande, die am Rande des EU-Ostgipfels in Riga im Mai mit Tsipras verhandelten. Vor knapp zwei Wochen klopften die Kanzlerin und der Präsident am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels in Brüssel gemeinsam mit Tsipras noch einmal die Möglichkeiten einer Einigung ab – ohne greifbares Ergebnis.
Trotz der schwierigen Verhandlungen arbeiten Merkel und Hollande weiter darauf hin, dass es nicht zum „Grexit“ – oder genauer gesagt zu einem Zahlungsausfall mit unkalkulierbaren Folgen – kommt. Am vergangenen Donnerstag erklärte die Kanzlerin noch im Bundestag: „Die Bemühungen Deutschlands sind darauf gerichtet, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt.“ Und Hollande sagte wenig später in Bratislava: „Griechenland gehört der Euro-Zone an, muss dort bleiben können und auch die Entscheidungen treffen, die jetzt erwartet werden.“
Gibt es also gar keine Unstimmigkeiten zwischen Merkel und Hollande?
Nicht ganz. Während die Kanzlerin am Montagmittag vor ihrem Treffen mit den Amtskollegen in der Euro-Zone erklärte, dass die Sitzung ohne eine Empfehlung der internationalen Gläubiger nur ein „Beratungsgipfel“ bleiben könne, hatte Hollande am Tag zuvor noch aufs Tempo gedrückt. In Mailand unternahm Frankreichs Staatschef gemeinsam mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi einen Rundgang über die Expo und erklärte bei dieser Gelegenheit, dass „die gemeinsame Position“ Frankreichs und Italiens darin bestehe, eine möglichst schnelle Einigung im Schuldenstreit mit Athen zu erreichen.
Dass Merkel einer überstürzten Lösung eine Absage erteilte, hat seinen Grund. Sie muss bedenken, dass eine allzu kompromissbereite Haltung gegenüber Athen die Skeptiker in den Reihen der Union im Bundestag, der in Sachen Griechenland das letzte Wort hat, auf die Barrikaden treiben könnte. Solche Sorgen hat Hollande nicht. Eine mögliche Lösung zwischen den Geldgebern und Hellas muss nicht noch einmal von der Nationalversammlung in Paris abgesegnet werden.
Ohnehin setzte sich im Verlauf des Brüsseler Gipfeltages am Montag die Lesart Merkels durch. Die rasche Einigung, auf die Hollande zuvor noch gesetzt hatte, war bei dem Spitzentreffen noch nicht zu haben. Die Eurostaaten streben vielmher eine Einigung bis Donnerstag an. „Möglichst noch vor dem regulären EU-Gipfel“, hieß es am Montagabend am Rande eines Brüsseler Euro-Krisengipfels in Diplomatenkreisen, soll eine weitere Finanzministersitzung die Freigabe der noch verfügbaren Hilfskredite beschließen. Damit soll eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands in letzter Minute verhindert werden, die zum Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion führen könnte. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nannten beide übereinstimmend das Ziel, „in dieser Woche“ einen Erfolg vermelden zu können.
Unterstützen Deutschland und Frankreich die von Tsipras gewünschten Schuldenerleichterungen?
Wenn es nach Tsipras geht, soll es in den nächsten Monaten eine Erleichterung für Griechenland bei der Rückzahlung der Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) geben. Noch am vergangenen Wochenende hatte der griechische Staatsminister Nikos Pappas eine Umstrukturierung der Schulden Griechenlands als unverrückbare Forderung in den Raum gestellt. Ob die Geldgeber dies mitmachen, blieb am Montag zunächst offen. Hollande forderte vor dem Beginn des Gipfels, dass Frankreich eine „umfassende und dauerhafte Einigung“ anstrebe und keine Teillösung wolle, die nur eine begrenzte Zeit haltbar sei. Die Äußerungen des französischen Präsidenten lassen sich so interpretieren, als ob er über Schuldenerleichterungen zumindest nachdenkt. Von der Kanzlerin hat man bis dato noch nichts Vergleichbares gehört. (mit chz)