zum Hauptinhalt
Zukunft und Vergangenheit sind derzeit noch gemeinsam in Betrieb, um Deutschland mit Strom zu versorgen. Wie schnell sich das ändern soll, ist umstritten.
© Patrick Pleul/dpa

Klimaschutzplan 2050: Harmlos oder horrormäßig

Umweltverbände kritisieren den Klimaschutzplan 2050 als zu lax – die Union hält ihn für zu scharf. Agrar- und Verkehrsministerium korrigieren derweil fleißig weiter.

Der Streit um den Klimaschutzplan 2050 geht in die nächste Runde. An diesem Dienstag soll es im Umweltministerium eine Anhörung dazu geben, an der aber die vier größten Umweltverbände Greenpeace, WWF, BUND und Nabu nicht teilnehmen wollen, weil gar nichts mehr drinstehe. Auf der anderen Seite warnen lautstarke Kritiker in der Unionsfraktion vor dem Dokument, als stünde das Ende des Industriestandorts bevor. Der CDU-Wirtschaftsrat hat den Plan auf der Titelseite seines Verbandsblattes als „Horrorkatalog für die Industrie“ bezeichnet. Industrieverbände wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) beklagten, sie seien bei der Anhörung nicht angemessen berücksichtigt worden. Im Umweltministerium heißt es dagegen, dass an die 200 Verbände sich zu der Debatte angemeldet hätten.

Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU, CSU und SPD auf die Erarbeitung eines Klimaschutzplans 2050 geeinigt, weil es insbesondere in der Union massive Bedenken gegen ein Klimaschutzgesetz gegeben hatte. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte ein Jahr lang über mögliche Inhalte des Plans diskutieren lassen. In einem offenen Diskussionsprozess, in den sich Bürger wie Wirtschafts- oder Umweltverbände einbringen konnten, entstand ein Bürgergutachten mit ehrgeizigen Klimavorgaben. Auf der Basis dieser Vorschläge legte Hendricks vor der Sommerpause einen Plan vor, der zunächst ins Wirtschaftsministerium ging. Dort entschärfte Vizekanzler Sigmar Gabriel zunächst einmal die Aussagen zum Kohleausstieg. Sämtliche Zeitvorgaben verschwanden aus dem Papier. Der zweite Schritt war eine Begutachtung im Kanzleramt. Kanzleramtsminister Peter Altmeier (CDU) ließ für die Sektoren Verkehr und Landwirtschaft ebenfalls Zeitpläne oder Minderungsvorgaben für den Treibhausgasausstoß streichen. Dieses Papier wird nun in der Ressortabstimmung beraten.

Das Landwirtschaftsministerium legt einen Gegenentwurf vor

Wie umstritten der Klimaschutzplan weiterhin ist, zeigt die Reaktion aus dem Landwirtschaftsministerium. Das Ressort beharrt darauf, einen eigenen Entwurf für das Kapitel zu schreiben. Darin werden die Chancen der Bioökonomie einschließlich Biogas und Biosprit stärker betont und die Risiken als weniger dramatisch dargestellt. Zudem wehrt sich das Haus von Christian Schmidt (CSU) gegen den Versuch, den Stickstoffüberschuss auf den deutschen Äckern von 84 Kilogramm pro Hektar bis 2025 auf 60 Kilogramm zu senken. Schmidt will sich nur auf 80 Kilogramm einlassen, was mehr wäre, als es die umstrittene Düngerverordnung aus seinem eigenen Haus vorsieht. Das Thema ist relevant, weil aus nicht verbrauchtem Stickstoff auf dem Acker Lachgas (N2O) entstehen kann, das ein potentes Klimagas ist. Im Verkehrsministerium laufen die Debatten ähnlich.

Einzig der Industrieverband BDI vermochte dem Klimaschutzplan etwas Gutes abzugewinnen. Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, lobte, dass auf „pauschale Verbote“ verzichtet würde, und nannte das Papier eine „bessere Diskussionsgrundlage“ als „die „Vorgängerversionen“. Dagegen sahen Umweltverbände wie Germanwatch, der WWF oder Greenpeace darin keine Basis für eine „Dekarbonisierung“ der deutschen Wirtschaft, also eine Minderung des deutschen Treibhausgasausstoßes bis 2050 um 80 bis 95 Prozent, wie es der Bundestag mehrfach beschlossen hat.

In der Unionsfraktion wird heftig gestritten

Nach der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens am vergangenen Donnerstag und Freitag verlangt nun auch die neue Chefin des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), Claudia Hornberg, „ambitioniertere klimapolitische Taten der Bundesregierung“. Das wollen vier CDU- und CSU-Politiker dagegen dringend verhindern. Sie schrieben nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erneut an Altmeier und verlangten eine Angleichung der deutschen Klimapolitik an die wenig ehrgeizigen Vorgaben der Europäischen Union.

Demnach kritisieren Gitta Connemann, Michael Fuchs, Arnold Vaatz (alle CDU) und Georg Nüßlein (CSU), dass der Klimaschutzplan „einseitig auf staatliche Vorgaben statt auf Markt“ setze. Das hatten sie nahezu wortgleich schon nach Bekanntwerden der ersten Entwürfe in einem Brief an Altmeier beklagt. In der Fraktion hatte es Unmut gegeben, dass sie nicht ausreichend beteiligt sei. Hätte die Union bei den Koalitionsverhandlungen auf Frank Schwabe (SPD) gehört, wäre sie auf jeden Fall am Verfahren beteiligt worden. Aber der Klimaschutzplan sollte ja kein Klimaschutzgesetz werden, wofür sich Schwabe bis heute einsetzt.

Andreas Jung (CDU), der in der Unionsfraktion für Nachhaltigkeitspolitik zuständig ist, ist deshalb froh, dass die Fraktion am Dienstag entschieden hat, in einer Arbeitsgruppe über das weitere Vorgehen zu diskutieren. Es gehe „nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“, sagte er dem Tagesspiegel.

Zur Startseite