zum Hauptinhalt
Der Druck auf die heutige Brüsseler EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steigt, doch noch vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin persönlich Rede und Antwort zu stehen
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Berateraffäre um von der Leyen: Handydaten gelöscht – obwohl sie als Beweise dienen sollten

Als Ministerin hatte von der Leyen drei Handys - und alle Daten wurden gelöscht. Der Untersuchungsausschuss in der Berateraffäre hatte diese sehen wollen.

Welches Handy darf‘s denn sein – Nummer eins, zwei oder drei? Bei der ehemaligen Verteidigungsministerin und heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) haben selbst die Fachleute den Überblick verloren. Und so wurden SMS auf ihrem Blackberry-Diensthandy durch die Unachtsamkeit eines Sacharbeiters im August 2019 gelöscht. Dabei waren die Ministeriumsmitarbeiter erst kurz zuvor explizit darauf hingewiesen worden, dass auch die dienstlichen Kurznachrichten Beweismittel für den Untersuchungsausschuss in der Berateraffäre darstellen.

Das geht aus einem „Bericht zum Sachstand der dienstlichen Mobiltelefone“ hervor, der dem Untersuchungsausschuss des Bundestags übermittelt wurde und dem Tagesspiegel vorliegt. Initiiert hatte den Bericht die heutige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Sie hatte erklärt, „sehr, sehr viele Fragezeichen“ dazu zu haben, wer wann welche Löschung auf den Telefonen durchgeführt habe.

Ministerium geht nicht von „einschlägigen Daten“ aus

Das Papier legt zudem nahe, dass bei einem der Geräte die SMS durch von der Leyen selbst gelöscht wurden. Darin heißt es, dass die beiden Geräte, „durch sie nach bestem Wissen und Gewissen geprüft worden“ seien. Wenn ein Gerät „ohne weiteren Hinweis“ zurückgegeben werde, sei davon auszugehen, dass es „auch keine einschlägigen Daten“ enthalte.

Die wichtigsten Fakten über die Diensthandys Ursula von der Leyens (CDU) in Kürze:

  • Der Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre wird keinen Zugang mehr auf die SMS-Kommunikation von Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekommen.
  • Das 1. Mobiltelefon vom Typ Blackberry Z 30 wurde im August 2019 durch einen Fahrer in von der Leyens Privathaus abgeholt. Es wurde dem Ministerium zur „physischen Vernichtung“ übergeben – was bislang nicht erfolgt ist. Daten womöglich selbst zu löschen, oblag von der Leyen.
  • Ihr 2. Mobiltelefon erhielt von der Leyen nach einem Hacker-Angriff auf den Bundestag im Januar 2019. Dieses Gerät wurde dem Ministerium im November 2019 zurückgegeben. Auf diesem Gerät gibt es weder im Ordner „Geschäftlicher Bereich“ noch im Ordner „SMS“ Nachrichten oder Dateien.
  • Ein 3. Mobiltelefon, das von der Leyen zugeordnet wird, nutzte vornehmlich der ehemalige Leiter des Leitungsstabs im Ministerium. Die Daten auf diesem Gerät wurden, wie auch beim zweiten Gerät, nach der Rückgabe ohne Speicherung der SMS zurückgesetzt.

Damit steigt der Druck auf die heutige Brüsseler EU-Kommissionspräsidentin, doch noch vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin persönlich Rede und Antwort zu stehen. Es geht um Vorwürfe wie unkorrekte Auftragsvergabe, Vetternwirtschaft und Rechtsbruch im Verteidigungsministerium. Unter von der Leyen hatte das Ministerium hunderte Millionen Euro für eine Beratertruppe ausgegeben.

Der Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre wird keinen Zugang mehr auf die SMS-Kommunikation von Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekommen.
Der Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre wird keinen Zugang mehr auf die SMS-Kommunikation von Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekommen.
© Jean-Francois Badias/AP/dpa

„Bis heute ist nicht klar, wieso Frau von der Leyen ein zweites Handy erhält und das erste auch noch weiter nutzt, weil die Rufnummer öffentlich wurde“, sagte der Sprecher für Sicherheitspolitik der Grünen-Fraktion, Tobias Lindner, dem Tagesspiegel. Wieso ein Fahrer das Handy von Frau von der Leyen im Privathaus Wochen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt abhole, sei „mysteriös“. Er hat wegen der Vorgänge bereits Strafanzeige gestellt.

Merkwürdig erscheint auch, warum das erste Handy der Ministerin zwischenzeitlich im Ministerium in Vergessenheit geriet. Aus den Unterlagen geht hervor, dass der zuständige Sacharbeiter sich erst dann wieder an es „erinnern“ konnte, als er auf die Geräte zwei und drei angesprochen wurde.

Von der Leyen hatte ihr zweites Handy erhalten, nachdem ein Hackerangriff im Januar 2019 die Politik in Deutschland aufgeschreckt hatte. Auf einem Twitter-Konto waren Nummern, Adressen, Daten und Kommunikationsinhalte von Politikern und anderen Prominenten veröffentlicht worden, darunter der Kanzlerin, des Bundespräsidenten – und eben der damaligen Verteidigungsministerin.

Am Donnerstag wird der Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses zur sogenannten Berateraffäre noch einmal über die Beweisqualität des SMS-Verkehrs der Ministerin und den Sachstandsbericht des Verteidigungsministeriums debattieren. Bereits im Vorfeld wurde auch aus der FDP Kritik laut. Der FDP-Abgeordnete Alexander Müller twitterte: „Die Ministerin hat offensichtlich ordentlich aufgeräumt, oder aufräumen lassen: Auf dem Gerät, welches noch zugänglich ist, war offenbar keine einzige SMS mehr abgespeichert.“

Zum Vorwurf der Opposition im Bundestag, wichtige Informationen seien möglicherweise verloren, hatte von der Leyen im Dezember dem „Spiegel“ gesagt: „Meines Erachtens geht gar nichts verloren, denn SMS sind für die schnelle Kommunikation geeignet. Dokumente und Strategien aber werden in Bundesministerien woanders entwickelt und anders versandt.“

Zur Startseite