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Mateusz Morawiecki hat eine Überarbeitung der Disziplinarordnung für Polens Richter angekündigt.
© Pascal Rossignol/AFP

Justizreform in Polen: Halbe Kraft rückwärts

Polens Regierungschef Morawiecki will im Streit mit der EU um die Justizreform einlenken - zumindest ein bisschen. Doch das reicht nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki möchte den Streit mit der EU entschärfen. Das ist ein überraschend anderer Ton aus Warschau, das seit längerem schon eher zur Eskalation tendierte. Wer hat da noch auf eine baldige gütliche Einigung gehofft?

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Doch nun kündigt Morawiecki an, die bestehende Regelung zu ändern, die eine Disziplinierung missliebiger Richter in seinem Land erlaubt. Allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen: Der Streit um die Rechtsstaatlichkeit zwischen Brüssel und Warschau ist noch lange nicht vorbei.

Die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat 2018 im Zuge der Justizreform eine Disziplinarkammer am Obersten Gericht eingerichtet, welche die Entlassung nicht linientreuer Richter und Staatsanwälte ermöglicht. Dafür hat die EU Geldbußen angedroht. Fällig werden die ab 16. August, wenn Polen bis dahin nicht die Vorschriften zur umstrittenen Disziplinarkammer aussetzt.

Drohung mit dem Strafzettel aus Brüssel wirkt

Offenbar wirkt der Wink mit dem Strafzettel aus Brüssel. Anders lässt sich das Einlenken nicht erklären. Aber es handelt sich offenbar um ein taktisches Manöver. Denn an Morawieckis grundsätzlicher Einschätzung, dass sich Brüssel völlig unangemessen in polnische Belange einmische, hat sich schließlich nichts geändert: In seinen Augen hat die polnische Verfassung Vorrang vor dem EU-Recht.

Mit Spannung wird erwartet, wie das polnische Verfassungsgericht voraussichtlich Ende des Monats in der Grundsatzfrage entscheidet, ob polnisches Recht einen Vorrang vor europäischem Recht hat. Morawiecki selbst hatte das – mit Gefolgsleuten der Regierungspartei besetzte – Verfassungsgericht angerufen, um eine Klärung in seinem Sinne herbeizuführen.

Verfassungsgericht könnte im Sinne Morawieckis urteilen

Es wäre keine Überraschung, wenn das Verfassungsgericht den Vorrang der Bestimmungen der EU-Verträge in Frage stellen würde. In der Folge würde ein rechtliches Auseinanderfallen der EU drohen: Wenn jeder Mitgliedstaat die eigene Verfassung zur Ultima Ratio erhebt, könnten sich die Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ihre Arbeit demnächst sparen. Es müsste damit gerechnet werden, dass die Umsetzung von EU-Recht ins Belieben der Mitgliedstaaten gestellt wird.

2004 trat Polen der EU bei. Auch heute ist in der Bevölkerung die Zustimmung zur Gemeinschaft hoch.
2004 trat Polen der EU bei. Auch heute ist in der Bevölkerung die Zustimmung zur Gemeinschaft hoch.
© Wojtek Radwanski/AFP

Der schwelende Konflikt zwischen Warschau und der EU wird auch dadurch nicht entschärft, dass Morawiecki seine Landsleute auf einen Kompromiss zur Disziplinarkammer am Obersten Gericht einzuschwören versucht. Die Stimmung unter seinen Landsleuten hat zwar keinen Einfluss auf das juristische Tauziehen. Aber dennoch erklärte der Regierungschef in einem Interview am vergangenen Wochenende, dass die EU seinem Land die Vorteile des Freihandels, den Arbeitnehmern höhere Einkommen und den Unternehmen Wachstum bringe. In dieser Situation sei ein Zugehen auf die Gemeinschaft unerlässlich, zeigte sich der Ministerpräsident scheinbar zerknirscht.

Morawiecki weiß, dass er damit einen Nerv trifft. In der polnischen Bevölkerung, in der die wirtschaftlichen Vorteile der Gemeinschaft sehr wohl wahrgenommen werden, gibt es eine breite Zustimmung zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union.

Die EU ist mehr als ein Binnenmarkt

Allerdings ist die EU mehr als ein Binnenmarkt. Der Erfolg der Gemeinschaft fußt auch auf der Rechtsordnung der 27 Mitgliedstaaten. Die polnische Regierung muss aufhören, dieses Fundament zu untergraben. Doch Morawiecki will davon offenbar nichts wissen. Seine Politik der kleinen Schritte im Umgang mit Brüssel und Luxemburg ist lediglich darauf angelegt, drohende Sanktionen in letzter Minute zu vermeiden. Das reicht aber nicht aus, wenn die EU auch in Zukunft eine Rechtsgemeinschaft bleiben soll.

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