Vernichtung von Chemiewaffen aus Syrien: Gysi und das Durcheinander in der Linksfraktion
Die Linksfraktion kann ihren Streit um die Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz gegen syrische Chemiewaffen nicht beilegen. Im Bundestag sind fünf Linken-Abgeordnete dafür, 18 enthalten sich und 35 stimmen dagegen. Fraktionschef Gysi gibt ein "Durcheinander" zu.
Es war ein sehr eindrücklicher Brief, der die 64 Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion aus dem Karl-Liebknecht-Haus erreichte. Kurz vor der Abstimmung über den Bundeswehreinsatz zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen schrieb der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, eine Empfehlung an seine Genossen, mit „Ja“ zu stimmen. Denn das, so das Argument des pragmatischen Parteimanagers, wäre eine „konkrete Untersetzung“ des im Parteiprogramm verabschiedeten Ziels, Frieden zu schaffen durch Abrüstung und Nichtangriffsfähigkeit.
Es waren schließlich dann aber doch nur fünf Abgeordnete aus den Reihen der Linken, die so wie Union, SPD und Grüne für die Beteiligung der Bundeswehr an dem Einsatz stimmen – bis zu 300 Soldaten sollen dazu auf der Fregatte „Augsburg“ ins Mittelmeer. Dafür aber verkündete Bundestagsvizepräsident Peter Hintze neben 535 Ja-Stimmen insgesamt 35 Nein-Stimmen und 19 Enthaltungen - darunter eine von der SPD. Der Widerstand in der Linken gegen das Mandat war also deutlich größer als erwartet und von Fraktionschef Gregor Gysi gefordert. Zum Anführer derjenigen, die mit „Ja“ stimmten, hatte sich der Außenpolitiker Stefan Liebich, Sprecher des Reformerflügels in der Linkspartei, gemacht. Aus seiner Sicht ist die Vernichtung des syrischen Senfgases das Zweitbeste, was Deutschland tun könne – das Beste wäre, „gar nicht erst Waffen zu exportieren“.
Auch Kipping und Lötzsch gegen Einsatz
Mit "Ja" haben außer Liebich noch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch sowie die Abgeordneten Roland Claus, Katrin Kunert und Michael Leutert gestimmt, alle aus Ostdeutschland. Es ist das erste Mal überhaupt, dass Linken-Bundestagsabgeordnete einem Auslandseinsatz der Bundeswehr ihre Zustimmung geben. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner kommentierte anschließend auf Twitter: "5 Schritte voran bei der #Linke hinzu einer verantwortungsvollen Friedenspolitik, doch Mehrheit weiter für Dogmatismus statt Abrüstung".
Gegen den Einsatz votierten ausweislich des Protokolls der namentlichen Abstimmung außer den Vertretern der linken Parteiflügels, etwa Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht, unter anderem auch Parteichefin Katja Kipping, die früheren Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sowie die Abgeordneten Halina Wawzyniak und Martina Renner.
Gysi: Nicht so tragisch
Gysi sprach anschließend von "Durcheinander in unserer Fraktion" - versuchte aber in einem Statement vor Journalisten, dieses locker zu nehmen. Grundsätzlich seien alle für die Vernichtung von Waffen und gegen Kriegseinsätze, in der konkreten Diskussionen hätten sich nur unterschiedliche "Nuancen" gezeigt: "Es ist gar nicht so tragisch, dass in einer solchen Frage unterschiedlich abgestimmt wird. Wir werden damit leben können."
Höhn hatte sich im erwähnten Schreiben auch auseinandergesetzt mit den Argumenten derer, die für ein „Nein“ mobilisiert hatten. Aus seiner Sicht strategisch falsch sei es, die Gefahr heraufzubeschwören, die Linke könne ihr friedenspolitisches Profil verlieren, so Höhn. Wenn die Vernichtung des syrischen Giftgases einhellig als richtiger und wichtiger Abrüstungsschritt beurteilt werde, „dann kann auch die Beteiligung eines Bundeswehrschiffes an diesem Prozess nicht per so falsch sein“. Es sei deshalb „abwegig“ – und mit Blick auf den bevorstehenden Europawahlkampf auch riskant –, einen von allen begrüßten und von den UN überwachten Schritt zur Beseitigung von Massenvernichtungswaffen als eine „weitere Militarisierung deutscher Außenpolitik zu charakterisieren“.
Grüne: Frieden ist immer konkret
Die Diskussion im Bundestag selbst verlief wenig emotional. Redner der großen Koalition, aber auch der Grünen, appellierten an die Linke, dem Einsatz zuzustimmen. Es handele sich um „alles andere als ein symbolisches Mandat“, sagte SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich. „Enthaltung ist keine Haltung“, sagte Johann Wadephul von der CDU. Und der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour ergänzte: „Frieden ist immer konkret.“ Linken-Parteivize Jan van Aken begründete, warum er sich bei der Abstimmung enthalten wollte. Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen sei ihm eine „ganz persönliche Herzensangelegenheit“. Doch das ganz konkrete Mandat, bei dem das Einsatzgebiet grundlos auf die halbe Welt ausgeweitet worden sei, „stinkt zum Himmel“.
Das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad hatte sich unter internationalem Druck verpflichtet, seine C-Waffen unter Aufsicht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und der UN bis Ende Juni 2014 zu vernichten. Es geht um etwa 1200 Tonnen Kampfstoffe. An der Begleitschutzoperation „Cape Ray“ beteiligen sich außer Deutschland auch Belgien und die USA mit je einer Fregatte, Griechenland mit einem U-Boot. Wie aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz weiter hervorgeht, wird von Italien, Großbritannien und der Türkei die Entsendung einer maritimen Einheit derzeit noch geprüft.