Wie viel Einnahmen bringt die Pkw-Maut?: Gutachter nennen Kalkulation von Alexander Dobrindt nachvollziehbar
700 Millionen Euro im Jahr sollen Ausländer für die Maut-Vignetten zahlen. Seine Prognose hat sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt jetzt bestätigen lassen. Doch Zweifel bleiben.
Die Nachricht kommt wohl nicht von ungefähr: Am Donnerstag wird sich der Bundestag in erster Lesung mit der Pkw-Maut von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befassen, und „Bild“ berichtet, ein Gutachten habe bestätigt, dass durch den Verkauf von Vignetten an Ausländer exakt die 700 Millionen Euro pro Jahr eingenommen werden, die Dobrindt seit Monaten voraussagt. Genau diese Berechnung aber unterliegt Zweifeln, und weil Dobrindt sich seit Monaten weigert, seine Zahlen öffentlich zu machen, sind sie zuletzt eher noch gestiegen. Auch gegenüber dem Bundesrat, der die Einnahmeprognosen angezweifelt hat, und der Linksfraktion, die eine Anfrage gestartet hatte, gab sich Dobrindt zugeknöpft. Nun wird er aber bald damit herausrücken müssen, wie er zu seinen Annahmen über die Einnahmen kommt.
Ein Plausibilitäts-Check
Öffentlich ist dieses Gutachten freilich nicht – und streng genommen ist es auch kein originäres Werk. Denn die Ökonomen Wolfgang H. Schulz von der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen und Nicole Joisten von der International School of Management haben nur geprüft, was Dobrindts Beamte zuvor ausgerechnet haben – und dabei keine Fehler gefunden. Es sei eine Art Plausibilitäts-Check gewesen, sagte Schulz am Samstag dem Tagesspiegel zu dem Papier, das schon seit Oktober vorliegt. Dabei sei er völlig wertfrei an die Zahlen herangegangen. Das Fazit: „Die Annahmen und Herleitungen der Prognosen sind durchweg nachvollziehbar und schlüssig.“ Jede Zahl sei empirisch belegt. Dobrindt habe eher konservativ gerechnet.
Wie tragfähig die Basis der Berechnungen des Verkehrsressorts ist, darüber werden die Meinungen weiterhin auseinander gehen. Denn weil es keine genauen Erkenntnisse gibt, wie viele Ausländer tatsächlich in welchem konkreten Umfang und zu welchem Zweck die deutschen Straßen nutzen, waren Dobrindts Leute darauf angewiesen, sich auf eine Reihe von Statistiken anderer Art zu stützen und daraus Schlüsse zu ziehen. So gibt es eine Ausländerverkehrszählung der Bundesanstalt für Straßenwesen, die freilich aus dem Jahr 2003 stammt. Zudem hat Dobrindts Haus bei der Bundesagentur für Arbeit nachgefragt und die Tourismusstatistiken gewälzt. Das Ergebnis: Insgesamt gibt es 130 Millionen Einfahrten von ausländischen Pkw im Jahr, sei es für Urlaubsfahrten, für Geschäftsreisen oder von Pendlern. Das hat Dobrindt dann auf seine drei Vignetten-Stufen – zehn Tage, zwei Monate und für das ganze Jahr – umgerechnet und kommt so zu der Zahl von 700 Millionen Euro. Davon gehen dann Betriebskosten von etwa 200 Millionen Euro ab, so dass netto etwa 500 Millionen für den Bundesetat übrig bleiben.
Gutachter-Streit wird weitergehen
Der Gutachterstreit um die Maut dürfte nun mit dem Auftakt des parlamentarischen Verfahrens erst so richtig beginnen. Ökonom Schulz hat dazu schon beigetragen, als er vor zwei Jahren zusammen mit Ludger Linnemann im Auftrag des europaweit agierenden Mautsystembetreiber Ages ein Papier zur künftigen deutschen Pkw-Maut veröffentlichte. Das Ergebnis damals war, dass etwa 900 Millionen Euro an Einnahmen durch ausländische Nutzer zu erwarten seien. Allerdings lagen der Prognose etwas andere Annahmen zur Ausgestaltung der Maut zugrunde. Die Erkenntnisse von Schulz und Linnemann wurde im vorigen Jahr von dem Münchner Verkehrsexperten Ralf Ratzenberger in einem Gutachten im Auftrag des ADAC deutlich zurückgewiesen. Dieser kam nur auf ein Einnahmenpotenzial von 260 Millionen Euro, was Schulz wiederum nicht nachvollziehen kann. Der Verkehrswissenschaftler Alexander Eisenkopf, ebenfalls von der Uni Friedrichshafen, schätzte die Einnahmen durch die Ausländer-Vignetten im vorigen Jahr ebenfalls deutlich geringer ein. Er rechnete damit, dass sich allenfalls 350 Millionen Euro erlösen ließen. Nach diesen niedrigeren Berechnungen blieben dem Bundesetat nach Abzug der Betriebs- und Bürokratiekosten kaum Mehreinnahmen. Da Dobrindt gegebenenfalls noch Geld an Länder und Kommunen abtreten muss, könnte damit am Ende ein Null- oder gar Minusgeschäft für den Bund stehen. Kein Wunder also, dass in der Koalition nun die Erwartung wächst, dass Dobrindt seine Berechnungen auch veröffentlicht und damit zur Diskussion stellt. „Wir brauchen umgehend Transparenz bei der Berechnung der Einnahmen“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Sören Bartol, der Deutschen Presse-Agentur.
Die konkreten Mauteinnahmen von ausländischen Nutzern (sie zahlen vorerst nur für Fahrten auf Autobahnen) sind deshalb wichtig, weil die Koalition beschlossen hat, dass deutsche Autofahrer nicht höher belastet werden sollen. Sie müssen die Maut zwar auch zahlen (vermutlich nicht vor Ende 2016), doch werden die Kosten mit der Kfz-Steuer verrechnet.