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Stoßen auf Widerstand: Alexander Dobrindt und Horst Seehofer.
© dpa

Alexander Dobrindt und die Infrastrukturabgabe: Der Bundesrat hat schwere Bedenken bei der Maut

Gegen EU-Recht. Nicht konform mit dem Grundgesetz. Zu wenig Einnahmen bei großem Aufwand. Der Bundesrat hat Einwände gegen die Pkw-Maut. Beginnt nun die große Verzögerung des CSU-Projekts?

Alexander Dobrindt kam selbst, ganz kampflos wollte er die Abstimmung im Bundesrat über seine Mautpläne nicht hinnehmen. Zwar ging es am Freitag nur um die Stellungnahme der Länder zum Gesetzentwurf Dobrindts, in diesem ersten Durchgang wurde also noch nichts entschieden. Doch was sich im Verkehrsausschuss des Bundesrats schon abgezeichnet hatte, musste Dobrindt im Plenum dann erleben: Die rot-rot-grüne Mehrheit erhob ernste Bedenken gegen die Infrastrukturabgabe. Die Länder, in denen die Union regiert oder mitregiert, stimmten nicht dafür. Aber ärgerlich für Dobrindt ist es schon, dass der Bundeskoalitionspartner SPD offenbar nichts dagegen hatte, dass die Sozialdemokraten in den Ländern das CSU-Vorhaben mit erheblichen Einwänden an das Bundeskabinett zurückschickten.  

 Torsten Albig allen voran

Allen voran Torsten Albig, wie stets, wenn es darum geht, aus dem Bundesrat rot-grüne Signale Richtung Bundesregierung und Bundestag zu schicken. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Schleswig-Holstein fasste die beiden Hauptbedenken im rot-rot-grünen Länderlager zusammen: Das Vorhaben sei weder mit EU-Recht noch mit dem Grundgesetz zu  vereinbaren, und die Zusatzeinnahmen seien viel zu gering. Zumal angesichts der neuen Kosten, welche die Erhebung der Maut erst einmal bringt. Dobrindt läuft nach Ansicht von Albig Gefahr, dass es am Ende heiße: „Außer Spesen nichts gewesen.“ Es werde eine neue Bürokratie (auf Bundesebene) aufgebaut „ohne erkennbaren Sinn“. Dass der Bund dennoch die Kommunalbehörden brauche, weil die Maut an die Kfz-Zulassung gebunden sein soll, also den Städten und Kreisen eine neue Aufgabe bei der Erhebung der Maut auferlege, sei nicht verfassungskonform, weshalb es schon gar nicht ohne Zustimmung des Bundesrat gehe, so Albig. Die Bundesregierung will aber genau das vermeiden – dass der Bundesrat zustimmen muss. Sie sieht das Maut-Gesetz nur als so genanntes Einspruchgesetz, die Länder könnten es dann allenfalls verzögern, aber nicht stoppen oder in einem Vermittlungsverfahren deutlich verändern. Albig trug den Vorschlag der Länder vor: eine deutlich höhere Lkw-Maut samt Ausdehnung auf die Bundesstraßen. Dobrindt, nicht auf den Mund gefallen, hielt Albig landespolitisches Versagen entgegen. Wenn man denn schon dauernd darauf hinweise, dass man mehr Gelkd in die Verkehrsinfrastruktur stecken müsse, wozu seine Maut ja diene, dann sollte man auch die Hausaufgaben machen. In Schleswig-Holstein aber, so Dobrindt, gebe es derzeit kein einziges baureifes Verkehrsprojekt, das er von Berlin aus unterstützen könne.

Wie kommt Dobrindt auf seine Zahlen?

Doch blieb Dobrindt auch am Freitag eine entscheidende Aufklärung schuldig: Wie er denn seine Einnahmeprognose eigentlich berechnet hat. 3,7 Milliarden Euro will er mit der Maut erheben, wovon drei Milliarden im Zuge der Verrechnung mit der Kfz-Steuer den deutschen Autobesitzern zurückgegeben werden. Die verbleibenden 700 Millionen Euro sollen Ausländer aufbringen, doch ist unklar, wie Dobrindt zu dieser Zahl kommt (von der ja dann die technischen und bürokratischen Kosten abgezogen werden müssen; netto blieben am Ende wohl nur gut 400 bis 500 Millionen Euro für den Verkehrsetat). Auch auf eine ausführliche Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ist Dobrindt jetzt nur sehr unverbindlich geblieben. Was seine Zahlen angeht, so ist in der Antwort nur zu lesen, es sei beabsichtigt, „die Einnahmeberechnungen zur Infrastrukturabgabe im Laufe der parlamentarischen Beratung“ darzulegen. Das kann dauern. Vielleicht geht es auch schneller, denn das Wochenblatt „Die Zeit“ hat jetzt gerichtlich erwirkt, dass Dobrindt seine Berechnungsgrundlage offenlegen muss. Die Zweifel, ob die Zahlen des Bundesverkehrsministers wirklich belastbar sind, gehen auf ein Gutachten im Auftrag des ADAC zurück, das deutlich geringere Einnahmen aus dem Vignettenverkauf an Ausländer annimmt.

 Und wann kommt die Maut jetzt?

Bislang ist davon auszugehen, dass die Infrastrukturabgabe wohl nicht mehr vor dem Spätjahr 2016 eingeführt werden kann, nachdem Dobrindt den eigentlich geplanten Gesetzgebungstermin Ende 2015 nicht einhalten konnte und seinen Entwurf erst im Dezember vorlegte. Daran knüpfen sich nun weitere Spekulationen. Sollte das Gesetzgebungsverfahren, etwa durch die Einberufung des Vermittlungsausschusses oder ein Gerichtsverfahren oder Einsprüche der EU-Kommission, zusätzlich verzögert werden, wäre das Wahlkampfjahr 2017 erreicht. Die Maut wird in der Bevölkerung derzeit nicht angenommen, eine ADAC-Umfrage ergab eine maximale Zustimmung, je nach Modell, von 39 Prozent. So dürfte die Neigung im Regierungslager gering sein, den Start kurz vor dem Wahlkampf zu wagen. 2019 wiederum, so heißt es, will die EU-Kommission damit beginnen, die Nutzerfinanzierung im Straßenverkehr europaweit zu regeln. Dobrindts Schwenk von der Kfz-Steuer hin zur Maut, „von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung“, wie er sagt, kann auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. Käme es so, stünde eine künftige Bundesregierung freilich vor der Frage, ob sie erst auf Brüssel warten will oder mit der Infrastrukturabgabe beginnt, die dann möglicherweise bald wieder geändert werden müsste. Aber das sind, wie gesagt, Spekulationen.

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