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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
© Kay Nietfeld/dpa

Verkehrsminister in Maut-Affäre: Gutachten für 240.000 Euro soll Scheuer entlasten

Im Fall der geplatzten Pkw-Maut gibt es schwere Vorwürfe gegen Scheuer. Einem Bericht zufolge geht der CSU-Minister nun in die Offensive.

Neue Details in der Maut-Affäre um Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU): Nachdem am Donnerstag ein Gutachten bekannt geworden war, das Scheuer und dem Verkehrsministerium offenbar schwere Verstöße im Vergabeverfahren vorwirft, berichtet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe von dem Versuch des Ministers, sich ebenfalls durch ein Gutachten zu entlasten – allerdings durch ein vergleichsweise teures.

Der Europäische Gerichtshof hatte die Maut-Pläne im Juni 2019 gekippt

Wie das Magazin am Freitag vorab berichtet, sollen Anwälte der Kanzlei Linklaters auf Basis eines Stundensatzes von 410 Euro für das 90-seitige Rechtsgutachten mehr als 240.000 Euro in Rechnung stellen. Am Donnerstag hatte der Untersuchungsausschusses des Bundestags zur Pkw-Maut seine öffentliche Arbeit aufgenommen.

Die Juristen schreiben in dem Gutachten demnach, dass es für das Verkehrsministerium weder verpflichtend noch zumutbar gewesen sei, vor dem Abschluss eines kostspieligen Vertrags für die Einführung der Straßenabgabe das entscheidende Urteil des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Der Europäische Gerichtshof hatte die deutschen Maut-Pläne im Juni 2019 gekippt.

Scheuer hatte die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den geplanten Betreibern noch 2018 geschlossen – bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. In dem am Donnerstag bekannt gewordenen Gutachten, das Scheuer belastet, heißt es der "Süddeutschen Zeitung" zufolge, das Ministerium habe gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen.

Verhandlungsgespräche allein mit der Bietergemeinschaft Kapsch und CTS Eventim werden demnach als "unzulässig" bezeichnet. Außerdem werde angezweifelt, ob das Angebot der ausgewählten Betreiber wirtschaftlich gewesen sei und ob der Zuschlag so überhaupt hätte erfolgen dürfen.

Grüne sprechen von "teurem Gefälligkeitsgutachten" für Scheuer

Kapsch und CTS Eventim hatten vor Weihnachten ihre Forderungen an den Bund auf 560 Millionen Euro beziffert. Als wahrscheinlich gilt nun ein Schiedsverfahren.

Zu dem Gutachten, das Scheuer offenbar entlastet, sagte der Grünen-Abgeordnete Stephan Kühn, Mitglied des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Pkw-Maut, dem "Spiegel": "Dieses teure Gefälligkeitsgutachten hat nur einen Zweck: dem Minister dabei zu helfen, im Amt zu bleiben."

Auch die wohl ohne Ausschreibung erfolgte Vergabe des Auftrags an Linklaters sei umstritten. Scheuer rechtfertigte die externen Prüfer mit dem Ziel, "Objektivität und Neutralität" zu gewährleisten. Dabei habe die Kanzlei für das Ministerium 14 Jahre lang das Schiedsgerichtsverfahren zur Lkw-Maut geführt und dafür gemeinsam mit einer anderen Kanzlei 200 Millionen Euro kassiert, schreibt das Blatt.

Zum Weiterlesen:

Wie der FDP-Fachpolitiker Christian Jung am Freitag der Nachrichtenagentur AFP zufolge sagte, hätten die mehrstündigen Sachverständigenbefragungen im Untersuchungsausschuss am Donnerstag ergeben, dass sich die Leitungsebene des Bundesverkehrsministeriums bei der Vergabe der Verträge über Mahnungen zuständiger Beamter hinwegsetzte.

"Nur so sind die offensichtlichen und teilweise amateurhaften Verstöße beim Vergaberecht zu erklären", sagte Jung demnach. Nach Anhörung der Gutachter stelle sich zudem die Frage, "ob nicht schon die Ausschreibung für die Pkw-Maut ein Verstoß gegen EU-Beihilferecht war".

U-Ausschuss zur Maut fordert Kooperation von Scheuer

Am Donnerstag hörte der Untersuchungsausschuss Sachverständige zu den Themen Europarecht, Haushaltsrecht und Vergaberecht an. Erste Zeugen sollen am 13. Februar aussagen.

Der Vorsitzende des Ausschusses forderte das Verkehrsministerium auf, die Arbeit des Gremiums nicht zu erschweren. "Maximale Transparenz bedeutet, dass nur verschlossen bleibt, was verschlossen bleiben muss", sagte der SPD-Politiker Udo Schiefner nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa. Das Verkehrsministerium hatte in der Vergangenheit mehrmals "maximale Transparenz" zugesagt, im Dezember aber Akten für den Ausschuss als vertrauliche Verschlusssachen eingestuft.

FDP droht wegen Akten zur Maut mit Bundesgerichtshof

FDP-Obmann Jung sagte dazu, die Akten würden "dynamisch wieder entstuft", das habe das Verkehrsministerium bei den Abstimmungsgesprächen zu den Sitzungen des Untersuchungsausschusses in Aussicht gestellt. "Das begrüßen wir."

Im März werde es drei wichtige Sitzungen geben, "bei denen wir Zeugen vernehmen und diesen Passagen aus Akten vorhalten wollen". Sollte dies bis Mitte Februar "in großem Umfang" nicht möglich sein, müsse der Bundesgerichtshof auf Antrag unter anderem der FDP die Klassifizierung der Akten im Eilverfahren überprüfen, sagte Jung.

Scheuers Handys sollen in Maut-Affäre untersucht werden

Außerdem wolle die FDP will die Handys von Scheuer einziehen lassen. Durch die Sicherstellung der dienstlichen SMS-Botschaften und Smartphones von Scheuer sowie der Leitungsebene des Verkehrsministeriums solle "Beweisvernichtung" verhindert werden, sagte Jung.

Zur Begründung verwies der FDP-Politiker auf die Diensthandy-Affäre der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Anders als bei von der Leyen dürfe es bei Scheuer "keine Beweisvernichtung von Handydaten und vor allem SMS-Nachrichten oder verschwundene und gesäuberte Smartphones geben". Das Verteidigungsministerium hatte kürzlich gegenüber dem Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre von der Leyens die komplette Löschung von zwei Diensthandys der ehemaligen Ministerin zugegeben.

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