Sylt öffnet, Kritik an Helgoland-Lockdown: Günther pocht auf bundesweite Hotelöffnungen für Geimpfte und Getestete
In Sylt startet ein Tourismus-Modellprojekt - Ministerpräsident Günther sieht Urlaub nicht als Pandemietreiber und kritisiert Ausgangssperren auf Helgoland.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) pocht auf eine rasche Regelung für Hotelöffnungen in Deutschland. „Wir haben uns schon bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März dafür eingesetzt, Beherbergungsbetriebe zu öffnen. Die sind kein Treiber von Pandemie“, sagte Günther in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“.
„Und je schneller wir dann auch Öffnungsschritte machen können, desto besser.“ Mit Blick auf die vom Bund geplante Verordnung, dass Geimpfte wieder mehr Freiheiten bekommen sollen, sagte Günther, dass Familien künftig mit einer Mischung aus Impfnachweis der Eltern und Testnachweis älterer Kinder zum Beispiel Urlaub in Hotels an der Nordsee machen könnten. „Diejenigen, die noch nicht geimpft ist, müssen dann einen Test machen. Der Schutz der Anderen wird durch unterschiedliche Instrumente erreicht.“
Derzeit würden erste Modellprojekt für die Rückkehr des Tourismus sehr erfolgreich laufen, Schleswig-Holstein hat bundesweit die niedrigsten Infektionszahlen. „Wir haben jetzt erst einmal die Schlei-Region und Eckernförde für touristische Projekte geöffnet mit hunderten Ferienwohnungen, Hotels und Campingplätzen.“ Die Gäste würden alle mehrfach getestet. „Unter den über 10 000 Tests in beiden Regionen hatten wir zwei Hände voll Positive. Die Mehrheit davon waren Einheimische und nicht Touristen“ Das werde stärker angenommen, als erwartet. „Was natürlich auch daran liegt, dass es keine Alternativen in Deutschland gibt.“
An diesem Samstag startet als nächstes das Modelprojekt Nordfriesland. Dazu gehört auch die beliebte Insel Sylt. „Auch dort werden viele Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen mit Testung“, betonte Günther. Es gebe bereits überall eine gute Buchungslage für den Sommer. Größere Infektionsrisiken sieht er mit Blick auf den letzten Sommer nicht. „Da gab’s eine hohe Disziplin. Außerdem hat die Gesellschaft für Aerosolforschung gerade noch einmal eindeutig gesagt: Im Außenbereich sind Infektionen nahezu ausgeschlossen. Und am Strand ist man ja nun in der Regel an der frischen Luft.“
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Der umstrittene Helgoland-Lockdown
Günther (CDU) kritisierte einige Auswirkungen der seit rund einer Woche geltenden bundesweit einheitlichen Corona-Notbremse. Mit Blick auf eine für die Insel Helgoland trotz null Neuinfektionen verhängte Ausgangssperre sagte Günther dem „Tagesspiegel“, das könne er den Bürgern „überhaupt nicht erklären“. „Aber das passiert eben, wenn man etwas aus den bewährten Händen der Länder nimmt und denkt, durch bundeseinheitliches Handeln kann man es besser machen“, sagte Günther. Da Helgoland zum Kreis Pinneberg gehört, der eine Inzidenz von 100 überschritten hatten, musste gemäß der bundesweiten Regelung auch für das draußen in der Nordsee gelegene Helgoland Ausgangssperren von 22 bis 5 Uhr verhängt werden.
„Dann hat man zwar noch einheitlichere Regeln. Aber diese ganze Sorge vor einem Flickenteppich übersieht, dass in Wahrheit angepasstes Handeln vor Ort in dieser Pandemie der Schlüssel des Erfolgs gewesen ist“, sagte Günther.
„Wir hätten das natürlich nie so entschieden. Wir haben in Schleswig-Holstein immer eine Ausnahmeregelung für Helgoland.“
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Regionales Krisenmanagement sei oft zielführender, so sei auch die Lage in Flensburg, wo die Zahlen durch die Mutante B.1.17. zeitweise auf über 200 gestiegen waren, in den Griff bekommen worden. „Heute ist Flensburg deutschlandweit auf den vordersten Plätzen mit einer Inzidenz unter 50. Schulen, Außengastronomie und Einzelhandel sind geöffnet. Für so einen Fall braucht man keine bundeseinheitlichen Gesetze.“
Günther: "Schul-Inzidenz" 165 zu hoch
Als problematisch sieht Günther auch den Umgang mit Schulen im Rahmen der Bundesnotbremse an - hier ruft er die Länder indirekt zu strengeren Maßnahmen auf. „Die Bundesnotbremse erlaubt für Schulen bis zu einer 165er Inzidenz Wechselunterricht. Wir bleiben aber dabei, dass wir schon ab 100 in den Distanzunterricht gehen. Wir wollen auf Zahlen wie die 165 gar nicht erst kommen“, sagte Günther.
Das sei für die Eltern vor Ort in seinem Bundesland erst mal irritierend, weil viele sagen: Warum dürfen in anderen Bundesländern die Schülerinnen und Schüler im Wechselunterricht bleiben? „Aber wenn die Zahlen erst einmal weit oben sind, kriegt man die nur noch schwer wieder runter. Gesundheitsschutz gilt auch für Kinder und Jugendliche“, betonte Günther und verwies auch auf strenge Maskenpflichten bei Schülern.
Zugleich zeigte er Verständnis, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dieses einheitliche Vorgehen gepocht hatte, da einige Länder nicht streng genug gehandelt hätten. „Da wundert es einen nicht, dass der Bund gesagt hat, hier müssen wir nachschärfen.“ Er habe es bei aller Kritik daher auch nicht für verantwortbar gefunden, „wenn wir als nicht betroffenes Bundesland ein Gesetz aufhalten, das vielleicht anderen Bundesländern schon eine Hilfestellung ist“.