Vor der Spitzenrunde: Grünen-Politiker fordern Neustart bei den Verhandlungen zur Reform der Erbschaftssteuer
Seit Monaten wird über die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung der Erbschaftssteuer gestritten. Bei den Grünen wächst der Ärger über den Kompromiss, der sich zwischen CDU, CSU und SPD abzeichnet
Bei den Grünen wächst der Unmut über den Kompromiss zur Reform der Erbschaftssteuer, der sich in der großen Koalition abzeichnet. "Es wäre an der Zeit, jetzt im Bundesrat die Reißleine zu ziehen, sonst tut es das Bundesverfassungsgericht", sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Andreae. Auch ihre Parteikollegin Monika Heinold, Finanzministerin in Schleswig-Holstein, plädierte dafür, "nicht einem Gesetz zuzustimmen, das einen Kompromiss vom Kompromiss darstellt und hinter verschlossenen Türen in einer Nacht- und Nebelaktion zustande gekommen ist". Das was CDU/CSU und SPD jetzt diskutierten, erfülle die Anforderungen an eine Reform der Erbschaftsteuer nicht, sagte die Grünen-Politikerin dem Tagesspiegel. "Ich trage keinen Kompromiss mit, der womöglich nicht verfassungsfest ist, der die Einnahmen der Länder gefährdet und der nicht gerecht nach der Leistungsfähigkeit besteuert."
Große Koalition will nach monatelangen Verhandlungen einen Kompromiss festzurren
Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit den Parteivorsitzenden von CSU und SPD, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, bei einem Treffen am Donnerstagvormittag eine Einigung bei der Erbschaftssteuer festzurren. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2014 wesentliche Teile der bislang gültigen Steuervergünstigungen für Firmenerben gekippt und eine Frist für die Neuregelung bis Ende Juni 2016 gesetzt. Einen ersten Entwurf zur Neuregelung hatte das Bundesfinanzministerium vor einem Jahr vorgelegt. Seitdem wird zwischen den Parteien über die Details der Reform gestritten. Vor allem die CSU pochte zuletzt auf weitere Ausnahmen für Firmenerben.
Grünen-Politikerin Andreae fordert "Neustart" der Gespräche
Die Grünen-Wirtschaftsexpertin Andreae sagte, es zeichne sich ein "schlechter Kompromiss" ab. Durch die Vorschläge der großen Koalition werde die Erbschaftsteuerregelung nochmal komplizierter. Außerdem bleibe sie ungerecht. "Sehr hohe Vermögen werden durch ausgedehnte Vergünstigungen am Ende niedriger besteuert als die Mittelschicht", kritisierte Andreae. Sie regte eine "Neustart" für eine "einfache, gerechte und verfassungsfeste" Erbschaftsteuer an. Schleswig-Holsteins Finanzministerin Heinold sagte, das ursprüngliche Eckpunkte-Papier von Finanzminister Schäuble wäre für alle Beteiligten ein "guter Kompromiss" gewesen. "Verschonungen waren auf ein verfassungsfestes Niveau heruntergefahren, Schlupflöcher für Steuerumgehungen waren weitestgehend geschlossen und die Besteuerung richtete sich auch nach der Leistungsfähigkeit des Erben aus.", sagte sie. Alles was sich davon entferne, werde schwierig.
Länder erhalten derzeit rund fünf Milliarden Euro aus der Erbschaftssteuer
Die Erbschaftssteuer steht den Bundesländern zu, pro Jahr erhalten sie derzeit etwa fünf Milliarden Euro aus der Erbschaft- und Schenkungssteuer insgesamt. Für die Reform ist die Bundesregierung auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen. Das heißt, dass auch ein Teil der grün-mitregierten Länder zustimmen muss, wenn es eine Mehrheit in der Länderkammer geben soll. Derzeit sind die Grünen an zehn von sechszehn Landesregierungen beteiligt. Schleswig-Holsteins Finanzministerin Heinold sagte, ihr sei es "lieber, wenn kein Kompromiss zustande kommt als wenn es einen schlechten Kompromiss gibt." Wie sich die Länder in der Frage positionieren, ist derzeit noch offen. Nach Informationen des Tagesspiegel ist für den Donnerstag neben dem Spitzentreffen von Schäuble, Seehofer und Gabriel auch eine Runde der zuständigen Fachminister anberaumt worden.
Grüne-Wirtschaftsexperten fordern Erbschaftssteuer mit einheitlichem niedrigen Steuersatz
Bei den Grünen gibt es zunehmend Sympathien für ein Modell, das der Mittelstandspolitiker Thomas Gambke zusammen mit dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, entwickelt hat. Die beiden propagieren eine Erbschaftssteuer, die keinen Unterschied macht zwischen verschiedenen Vermögensarten, egal ob Betriebs- oder Barvermögen. Dafür soll es einen "einheitlichen niedrigen Steuersatz" in der Größenordnung von 15 Prozent geben. Damit keine Arbeitsplätze gefährdet werden, soll es eine verbindliche Stundungsoption von 15 Jahren ohne Zinsen geben. Die Freibeträge sollen nach dem Konzept unverändert bleiben, damit "Omas Häuschen" im bisherigen Rahmen ohne Erbschaftsteuerbelastung übertragen werden könne.
Bislang wird nur ein Bruchteil des vererbten Firmenvermögens besteuert. Nach jetzigem Recht mussten nur Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern anhand der Lohnsumme den Nachweis erbringen, dass sie Arbeitsplätze erhalten, um im Gegenzug die Erbschaftssteuer erlassen zu bekommen. Finanzminister Schäuble wollte diese Schwelle auf drei Mitarbeiter senken. Nach Angaben der „Süddeutschen“ einigten sich die Koalitionspartner nun darauf, dass nur noch Unternehmen mit maximal vier Vollzeitstellen befreit werden.