Die Macht der Grünen: Die Mitregierer im Bundesrat
Die Grünen wollen der Bundesregierung nicht folgen bei der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten. Ohne die Partei aber geht nichts im Bundesrat. Der nächste Streit droht auch schon.
Auf den letzten Metern sendet Peter Altmaier doch noch versöhnliche Signale. „Wir haben in der Flüchtlingssituation seit anderthalb Jahren alle wichtigen Entscheidungen in einem großen Konsens getroffen“, sagt der Kanzleramtschef. Am Freitag steht im Bundesrat der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Tagesordnung, mit dem die drei Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden sollen. Angesichts der erheblichen Widerstände bei den Grünen will der CDU-Mann Altmaier nun das Gespräch mit allen Beteiligten suchen – in den nächsten Tagen „und womöglich auch darüber hinaus“.
Während die Grünen im Bundestag als kleinste Oppositionskraft gegen die große Koalition oft nicht allzu viel ausrichten können, sind sie in den Ländern zu einer politischen Kraft geworden, über die man sich nicht mehr hinwegsetzen kann. In zehn von 16 Bundesländern regieren die Grünen mit, in unterschiedlichen Konstellationen: Neben etlichen rot-grünen Bündnissen (etwa in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen) gibt es zwei schwarz-grüne Koalitionen (in Hessen und Baden-Württemberg) sowie die „exotischeren“ Varianten Rot-Rot-Grün (Thüringen) und Schwarz-Rot-Grün (Sachsen-Anhalt).
Das bedeutet: Wenn ein Gesetzesvorhaben im Bundesrat zustimmungspflichtig ist, haben die Grünen ein Wörtchen mitzureden. Noch vor zwei Jahren reichte es der Bundesregierung, eine Einigung mit Baden-Württemberg zu erzielen, so wie beim umstrittenen Asylkompromiss im Herbst 2014, als die Balkan-Staaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden. Doch angesichts der geänderten Mehrheitsverhältnisse müssen mindestens zwei weitere größere Länder mit grüner Regierungsbeteiligung Gesetzesvorhaben zustimmen – sei es in der Asylpolitik oder auch bei der bevorstehenden Reform der Erbschaftssteuer.
Viele Grüne erstaunt, dass Altmaier erst jetzt das Gespräch mit ihrer Partei sucht
Dass Altmaier in der Asylpolitik erst jetzt das Gespräch mit den Grünen sucht, erstaunt viele in der Partei. Mit der „Friss-oder-stirb-Methode“ durchkommen zu wollen, funktioniere eben nicht. Der Kanzleramtschef hätte schon viel früher mögliche Kompromisse ausloten können, heißt es nun. Seit Wochen war spürbar, dass es ernstzunehmenden Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung gibt. Bei den Grünen hatten nicht nur die üblichen Kritiker ihre Vorbehalte angemeldet, auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der bisher alle Asylkompromisse mitgetragen hat, ließ Skepsis erkennen.
Auf ein offizielles Ja der Landesregierung ließ Kretschmann sich auch am Dienstag nicht festlegen. Nach der Kabinettssitzung ließ er zwar durchblicken, dass er die Aufnahme der drei Maghreb- Staaten unter gewissen Bedingungen befürworte. Voraussetzung sei aber, dass gefährdete Gruppen wie Homosexuelle, politische Akteure und Journalisten „nicht durch den Rost fallen“ und im Falle einer Verfolgung auch den Schutz des Asylrechtes erhielten.
Auch bei der Reform der Erbschaftsteuer versuchen Grünen-Politiker nun, ihren Einfluss geltend zu machen. Die Gemengelage ist kompliziert, weil das Thema auch in der Koalition umstritten ist. SPD und Union wollen das Thema bald vom Tisch haben, weil das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung bis zum 30. Juni verlangt hat. Doch die CSU dringt in den Verhandlungen auf weitere Vergünstigungen für Firmenerben. Für manche bei den Grünen ist damit die Schmerzgrenze inzwischen überschritten. „Die Vorschläge der großen Koalition laufen darauf hinaus, dem ohnehin komplizierten Erbschaftssteuerrecht weitere Vergünstigungen und Verschonungen hinzuzufügen, von denen insbesondere die Großen profitieren werden“, kritisiert der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Dieter Janecek. „Ich hoffe, dass die grün regierten Länder dem eine Absage erteilen und für eine verfassungskonforme und gerechte Reform werben“, sagt er. Auch Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold lässt durchblicken, dass sie einem „schlechten Kompromiss“ in der Länderkammer nicht zustimmen werde.