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Annalena Baerbock äußert sich am Tag nach der Wahl in Sachsen-Anhalt nicht.
© Kay Nietfeld/dpa

Nach Schlappe in Sachsen-Anhalt: Grüne wollen nicht mehr nur über Klimaschutz sprechen

Die Grünen reagieren auf die Enttäuschung bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Nun sollen Daseinsvorsorge und die soziale Frage stärker auf die Agenda.

Kurz vor Ende der Pressekonferenz bricht der Stream zusammen. „Huch, jetzt sind sie alle weg“, sagt Grünen-Chef Robert Habeck, der plötzlich keine Fragesteller mehr auf dem Bildschirm vor sich hat. Zwei Minuten dauert es, dann kann er seine letzten Sätze zu Ende bringen. Kein Drama, nur ein kleines technisches Problem. Irgendwie passt es in Bild.

Von „Unzulänglichkeiten und kleinen Fehlern“ in den vergangenen Wochen hatte Habeck zuvor in der Presserunde gesprochen und sie mitverantwortlich für das schwache Abschneiden der Grünen bei der Wahl in Sachsen-Anhalt gemacht. Die Debatte über höhere Benzin-Preise, die wiederholten Präzisierungen am Lebenslauf von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, dazu ihre zu spät gemeldeten Nebeneinkünfte. „Sicherlich kein Rückenwind“, sei das gewesen, sagte Habeck selbstkritisch.

So reichte es am Sonntag nur zu 5,9 Prozent. Minimale Zugewinne, ein Sitz mehr, aber doch weit hinter den Erwartungen. Auf eine Verdoppelung ihres Ergebnis hatten die Grünen spekuliert, intern war bereits von einem zweiten Ministerium die Rede. Nun droht der Partei der Gang in die Opposition.

Das Gefühl kennen die Grünen. Häufig ist die Partei in Umfragen hoch geflogen, um am Wahlabend hart zu landen. Ein Schicksal, das auch Baerbock am 26. September droht? „Bei der Bundestagswahl geht es um etwas anderes. Es geht um die Erneuerung Deutschlands nach der Pandemie“, sagt die 40-Jährige am Sonntag wenige Minuten nach den ersten Prognosen. Warum sie dafür jedoch das Vertrauen bekommen soll, sagt sie nicht.

Auch am Tag nach der Enttäuschung ist von der grünen Kanzlerkandidatin nichts zu hören, öffentliche Termine hat sie für die ganze Woche keine. Am Mittag ploppt jedoch eine neue Meldung auf, dass ihr Lebenslauf erneut präzisiert worden sei. Einflussreiche Grüne schütteln darüber inzwischen nur den Kopf. Baerbocks Personal sei nicht auf einen harten Wahlkampf vorbereitet.

Wie die Grünen nun wieder in die Spur kommen sollen, skizzieren am Montag andere: „Wir müssen standhalten. Es gibt keine Alternative zur sozial-ökologischen Transformation, der Klimaschutz bleibt notwendig“, sagt die Berliner Grüne Renate Künast dem Tagesspiegel. Sie rät zur Ruhe, aber auch, den Fokus nicht nur auf Klimaschutz zu legen: „Wir müssen uns noch mehr auf die soziale Frage konzentrieren.“

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Zu diesem Schluss kommt auch Robert Habeck in seiner Analyse zum Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt. „Wir werden und müssen uns intensiv mit den Punkten jenseits des Klimaschutzes beschäftigen“, sagt er. Man habe in Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern im Osten beobachten können, dass überall dort, wo bereits schlechte Erfahrungen mit Veränderungen gemacht wurden, man den Grünen und ihrer Agenda skeptisch gegenüber stehe.

Mehrheit in Sachsen-Anhalt findet Klimaschutz nicht so wichtig

Für diesen Eindruck gibt es tatsächlich Zahlen. Mehr als 70 Prozent der Befragten in Sachsen-Anhalt stimmten in einer ARD-Umfrage der Aussage zu, die Grünen würden es mit dem Klimaschutz „übertreiben“. In einer ZDF-Erhebung sagten 75 Prozent der Befragten, es gebe wichtigere Themen für sie als den Klimaschutz.

Für die Ökopartei alarmierende Zahlen – und so reagiert die Partei nach Beratungen im Bundesvorstand am Vormittag prompt. Man wolle die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum – vom Schwimmbad, über Schulen, Kitas, ÖPNV und Spielplätze – auf die politische Agenda heben, kündigt Habeck an. Werde der Staat dort vor Ort aktiv und für seine Bürger sichtbar, erhalte er auch Vertrauen für die Bewältigung der Klimakrise, so die Hoffnung. Zudem müsse man die soziale Frage stellen und mehr über Ausgleiche für Geringverdiener und potenzielle Verlierer der anstehenden Transformation sprechen, sagt Habeck.

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