zum Hauptinhalt
Verantwortlich für den Verkehr: Minister Andreas Scheuer (re.) und sein Vorgänger Alexander Dobrindt.
© Kay Nietfeld/dpa

"CSU-Geisterfahrt": Grüne kritisieren Kostenexplosion beim Straßenbau

2018 sind mehrere Dutzend Straßenbauprojekte des Bundes aus dem Ruder gelaufen. Die Grünen werfen dem Verkehrsministerium vor, Kosten schönzurechnen.

Alexander Dobrindt hat wahrscheinlich einen der schönsten Wahlkreise. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag vertritt Garmisch-Partenkirchen, Murnau, Oberammergau, Ettal, Krün, Schongau, Seeshaupt. Und das Örtchen Oberau.

Weil die Voralpenregion so schön ist, ist sie auch beliebt. Das bringt Verkehr. Am Wochenende herrscht dort sogar sehr viel Verkehr. Weshalb die Oberauer überglücklich waren, als Dobrindt, damals Bundesverkehrsminister, im Januar 2015 verkünden konnte, dass die ersehnte und lange versprochene Ortsumgehung samt Tunnel nun in Angriff genommen werde. Baubeginn war im September 2015.

Natürlich war Dobrindt, in Personalunion zuständiger Minister und zuständiger Abgeordneter, dabei. Spatenstiche für Millionenprojekte im Wahlkreis sind für alle Bundestagspolitiker Zentralereignisse in der Karriere, entsprechend groß ist die Konkurrenz, wenn es um das Voranbringen von Straßenbauplanungen im Verkehrsressort geht.

Oberau, das Investitionsprojekt mit der laufenden Nummer S0095, steht auf einer Liste für den Haushaltsausschuss des Parlaments, zusammen mit 29 anderen Vorhaben. Regelmäßig muss das Verkehrsministerium melden, welche Baumaßnahmen kostenmäßig aus dem Ruder laufen. Das ist dann der Fall, wenn die Kostensteigerungen bei mehr als 20 Prozent gegenüber dem Haushaltsplan liegen.

Oberaus ist dabei. Das Projekt hatte schon mit einem Aufschlag begonnen: Als Dobrindt den Baubeginn und sich feiern ließ, waren schon 206 Millionen Euro veranschlagt – gegenüber 174 Millionen, als das Projekt 2014 vom Minister Dobrindt bewilligt wurde. Und zwar am Haushaltsausschuss und am Straßenbauplan vorbei, wie der Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler sich erinnert. Mittlerweile liegen die Kosten bei 251 Millionen Euro, ein Plus also von 44 Prozent. Die Gründe laut Liste: allgemeine Baupreissteigerungen und Schwierigkeiten in der Bauausführung.

An der Spitze: Ein Plus von 171 Prozent

Damit ist die Ortsumgehung von Oberau aber noch nicht an der Spitze der Kostensteigerungen. Dort findet sich die Ortsumgehung Zeutsch in Thüringen, bei der die Kosten binnen eines Jahres um 171 Prozent nach oben schossen auf jetzt 24 Millionen Euro. Ein Grund nach Angaben des Verkehrsministeriums: „neue bzw. präzisierte Erkenntnisse aus vertiefter bzw. überarbeiteter Planung“.

Diese Begründung findet sich immerhin bei der Hälfte der deutlich teurer gewordenen Maßnahmen. Auch bei der um 113 Prozent teureren Nachrüstung der Notausgänge für den Tunnel Germsbach in Baden-Württemberg oder dem Projekt „Umbau und Erweiterung der unbewirtschafteten Rastanlage Schäferborn“ an der A5 in Hessen, das nun um 83 Prozent über dem ursprünglichen Plan liegt.

Dem Verkehrsministerium zufolge summieren sich die Mehrausgaben nach der Liste für den Haushaltsausschuss auf knapp 764 Millionen Euro, im Schnitt pro Projekt also gut 25 Millionen Euro. Allerdings wird auch darauf verwiesen, dass die insgesamt 52 Ausreißer bei den Kosten (22 stehen auf einer früheren Liste) weniger als sieben Prozent der insgesamt 811 Maßnahmen ausmachen, die im Straßenbauplan für 2018 ausgewiesen sind.

Kindler: Verkehrspolitik nach Gutsherrenart

Für Kindler liegen die Gründe für die Kostenexplosion aber nicht nur an Preissteigerungen oder nachträglichen Schwierigkeiten. „Oberau ist ein Lehrstück für alles, was im CSU-Verkehrsministerium falsch läuft“, sagte er dem Tagesspiegel. „Hier hat der Verkehrsminister nach Gutsherrenart viele Millionen Steuergeld für ein überflüssiges Projekt rausgeschmissen, nur um sich im eigenen Wahlkreis beliebt zu machen. Gleichzeitig wurden die Kosten brutal schöngerechnet. Nachträgliche Kostensteigerungen waren so programmiert.“

Die Ortsumfahrung in Oberau sei aber nur ein besonders prominentes Beispiel. Unter den CSU-Verkehrsministern – vor Dobrindt amtierte Peter Ramsauer, Nachfolger ist Andreas Scheuer – würden Milliardensummen im Straßenbau ausgegeben, „die für sinnvolle Projekte wie den Ausbau des Schienennetzes oder den Öffentlichen Nahverkehr fehlen.“ Das sei das Gegenteil einer sinnvollen und zukunftsfähigen Verkehrspolitik. „Die CSU-Geisterfahrt im Verkehrsministerium muss endlich aufhören“, sagte Kindler.

Zur Startseite