80 Seiten Halbzeitbilanz: Große Koalition ist ziemlich zufrieden mit sich
„Viel erreicht und umgesetzt“: Union und SPD ziehen eine positive Bilanz ihrer Regierungsarbeit. Doch es bleibe viel zu tun, heißt es in einem Zwischenresümee.
Die Bundesregierung hat zur Halbzeit der Legislaturperiode den Anspruch zum Weitermachen bekräftigt. „Zusammen mit den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben wir viel erreicht und umgesetzt - aber es bleibt auch noch viel zu tun“, heißt es in der gut 80-seitigen Zwischenbilanz, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Das Bundeskabinett will sich am Mittwoch damit befassen. Formell soll das Kabinett dem Vernehmen nach eine Kenntnisnahme beschließen. Eine politische Bewertung sollen die jeweiligen Koalitionsparteien übernehmen.
Die Bestandsaufnahme orientiert sich dem RND zufolge an den 13 Kapiteln des Koalitionsvertrages und listet alle Vorhaben auf, die bis Anfang November 2019 vom Bundeskabinett beschlossen, bereits in Kraft getreten sind, sich im parlamentarischen Verfahren oder anderweitig in der Umsetzung befinden. In jedem Kapitel gebe es zudem einen Absatz unter der Überschrift „Was wir noch vorhaben“.
Grundrente ist Konfliktpunkt
„Wir leben in einer Zeit, in der die politischen und gesellschaftlichen Fliehkräfte zunehmen. Der Ausgleich unterschiedlicher Interessen und die in einer Demokratie unabdingbare Bereitschaft zum Kompromiss verlieren an Akzeptanz“, heißt es in der Bilanz laut Funke-Zeitungen und RND. Kompromissfähigkeit brauchen die Partner beim aktuell strittigen Thema Grundrente. Wegen offener Fragen war das für Montag geplante Spitzentreffen der Koalition auf kommenden Sonntag verschoben worden.
„Unser Anspruch ist es, für die großen Fragen unserer Zeit, die politisches Handeln erfordern, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln“, betont die Koalition weiter. Eine positive Zwischenbilanz gilt als eine wesentliche Grundlage für den Fortbestand der großen Koalition von Union und SPD. Sie wurde auf Betreiben der SPD in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
Die Sozialdemokraten wollen auf ihrem Parteitag im Dezember eine neue Spitze wählen. In der Stichwahl bewerben sich derzeit zwei Duos um den Parteivorsitz. Finanzminister Olaf Scholz und Klara Geywitz gelten als Bewerberpaar, das die große Koalition fortführen will. Die Gegenkandidaten, der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken, stehen der großen Koalition eher skeptisch gegenüber. Esken sagte am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“ mit Blick auf die Halbzeitbilanz, die wirklich wichtige Frage sei, ob die Koalition noch Antworten für die Zukunft habe. Da könne man Fragezeichen setzen.
Den Funke-Zeitungen zufolge bietet der Bund in der Halbzeitbilanz mehr Unterstützung für überschuldete Kommunen an. „Der Bund ist bereit, zur Unterstützung hoch verschuldeter Kommunen, bei deren Zins- und Tilgungslasten dann einen Beitrag zu leisten, wenn andere Hilfe alleine nicht ausreichend ist und es einen nationalen politischen Konsens gibt, den betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen“, schreibt demnach die Regierung. Ein solcher Konsens setze voraus, dass in Zukunft eine neue Verschuldung über Kassenkredite nicht mehr stattfinde.
DGB sieht „ganz ordentliche Bilanz“
Arbeitgeberverband BDA und Gewerkschaften kommen zu einem gegensätzlichen Fazit der Koalitionsarbeit. „Es ist tragisch, dass die große Koalition ihre große Mehrheit nicht für große Taten nutzt“, kritisierte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). „Einem Unternehmen mit einer solchen Bilanz würde vermutlich jede Hausbank berechtigterweise schwerlich einen Kredit gewähren“, sagte der frühere CDU-Politiker.
DGB-Chef Reiner Hoffmann befand dagegen: „Obwohl die GroKo keine Liebesheirat war, können SPD und CDU eine ganz ordentliche Bilanz vorlegen, vor allem im Bereich Arbeit und Soziales. In den Funke-Zeitungen nannte Hoffmann unter anderem bessere Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose, für pflegende Angehörige sowie das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Er forderte aber auch, die „Hängepartie“ bei der Grundrente zu beenden. Zudem müssten dem Versprechen der Kanzlerin, die Tarifbindung zu stärken, konkrete Taten folgen. (dpa)