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Handelt die Polizei rassistisch? Immer gibt es solche Klagen.
© Mike Wolff/Tsp

Illegale Praxis des „Racial Profiling“: Groko streitet über Rassismus bei der Polizei

Justizministerin Christine Lambrecht beharrt auf eine Studie des „Racial Profiling“. Innenminister Horst Seehofer lehnt das ab.

Menschenrechtler und Betroffene beklagen das Problem schon lange: „Racial Profiling“ durch die deutsche Polizei. Gemeint sind damit verdachtsunabhängige Personenkontrollen, die das Äußere eines Menschen wie seine Haut- oder Haarfarbe zum Anlass der polizeilichen Untersuchung nehmen.

In der großen Koalition ist nun ein Streit über den Umgang mit „Racial Profiling“ entbrannt. Im Gegensatz zu Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) an den Groko-Plänen festhalten, eine wissenschaftliche Studie zur Untersuchung der umstrittenen Polizeipraxis in Auftrag zu geben.

„Es wäre wichtig, dass wir die Studie durchführen können“, sagte sie am Montag im ZDF. Es gehe dabei „nicht darum, jemanden unter Generalverdacht zu stellen“.

Die Sozialdemokratin reagiert damit auf Seehofers Absage an eine von der Bundesregierung Anfang Juni angekündigte Studie des „Racial Profiling“.

Christine Lambrecht (SPD) ist seit Juni 2019 Bundesjustizministerin.
Christine Lambrecht (SPD) ist seit Juni 2019 Bundesjustizministerin.
© AFP

Es gebe keinen Bedarf dafür, da die Polizeipraxis ohnehin verboten sei, teilte das Innenministerium am Wochenende mit: „Weder die Polizeigesetze des Bundes noch die einschlägigen Vorschriften und Erlasse erlauben eine solche Ungleichbehandlung von Personen.“ An seiner Linie will Seehofer auch nach Lambrechts Kritik festhalten.

Innenministerium: Kein „strukturelles Problem“ bei der Polizei

Das Innenministerium wolle zunächst andere Instrumente zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus umsetzen, deren Ergebnisse abzuwarten seien, sagte Sprecher Steve Alter am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Bei der Überprüfung von Rassismus-Vorwürfen gegen die Polizei solle „ein Schritt nach dem anderen“ gegangen werden. Ein „strukturelles Problem“ bei den Sicherheitsbehörden sehe das Ministerium nicht.

Horst Seehofer (CSU) ist seit März 2018 Bundesinnenminister.
Horst Seehofer (CSU) ist seit März 2018 Bundesinnenminister.
© dpa

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Seehofers Absage an die Studie sorgt nicht nur in der SPD für Kritik. „Dass Bundesinnenminister Seehofer jetzt zurückrudert, ist das völlig falsche Signal“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, dem Tagesspiegel. „Nur weil etwas verboten ist, heißt das nicht, dass es nicht existiert.“ Auch Grüne und Linke kritisieren Seehofer.

Bernhard Franke, der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, sagte: „Der Bundesinnenminister vergibt damit eine wichtige Chance, entsprechende Fälle in der Polizei auszuwerten und Grundlagenforschung zu betreiben.“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verteidigte Seehofers Entscheidung hingegen. Die Debatte über Rassismus in der Polizei sei „nicht angebracht“. Er gehe nicht davon aus, dass Polizisten in Deutschland „aus rassistischen Gründen Personen kontrollieren“.

Deutschland steht international in der Kritik

Seit Jahren fordern internationale Experten von EU und UN Deutschland auf, die Praxis des „Racial Profiling“ wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Zuletzt hat die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) im März die Forderung bekräftigt. Seit dem Tod des Schwarzen George Floyd, der bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis Ende Mai getötet wurde, läuft auch in Deutschland eine Diskussion über rassistische Polizeigewalt.

[Polizist und Aktivist im Streitgespräch: Lesen Sie hier mit TPlus ein Streitgespräch über institutionellen Rassismus bei der Polizei.]

„Die deutsche ist nicht die amerikanische Polizei“, betont der FDP-Politiker Thomae. „Dennoch wäre es fahrlässig, wenn wir unsere Augen vor ,Racial Profiling’ verschließen würden.“

Im Juni hatte SPD-Chefin Saskia Esken „latenten Rassismus“ in den Reihen der deutschen Sicherheitskräfte beklagt und eine unabhängigen Beschwerdestelle gefordert. Union und Polizeigewerkschaften sehen das kritisch und warnen vor einem „Generalverdacht“ gegen die Polizei.

Dem könne eine Untersuchung des „Racial Profiling“ entegegenwirken, meint Thomae: „Dabei würde die Studie die Polizei auch nicht per se unter Generalverdacht stellen, sondern ist dazu geeignet, sie von einem solchen Vorwurf zu entlasten und zudem haltlose Behauptungen wie von Saskia Esken wissenschaftlich zu entkräften.“

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